München
Einfach erst mal sitzen bleiben

Eine musikalische Lesung mit Stefan Leonhardsberger & Stephan Zinner - Auftritt nächste Woche in Neuburg

08.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:54 Uhr
Sabine Busch-Frank
"Kaffee und Bier" heißt das Programm von Stefan Leonhardsberger (rechts) und Stephan Zinner. −Foto: Kuhn

München/Neuburg (DK) Ach Du Schreck.

Da erwartet man einen fetzigen Abend mit zwei Bühnentieren und jetzt sitzen die hier vor einem roten Samtvorhang, vor sich gewagt getürmte Bücherstapel mit Einlegezetteln. Stefan Leonhardsberger, der nach einigen Jahren im Stadttheater-Ensemble inzwischen mit eigenen Kleinkunst-Shows Furore macht, und Stephan Zinner, den wahrscheinlich jeder Bayer als Nockherberg-Söder kennt, haben sich dem ernstem Fach zugewandt, so scheint es.

"Kaffee und Bier" heißt ihr Programm, das österreichische - na, wahrscheinlich spricht man doch besser gleich von "Wiener" - Kaffeehausliteratur mit bayerischen Geschichten von Bier und Rausch verschalten will. Was doch zumindest ein gewagter Ansatz ist - oder wer trinkt schon Bier und Kaffee durcheinander? Was soll das geben? Durchfall? Kreislaufbeschwerden?

Umso kurioser, dass Leonhardsberger zu Beginn zugeben muss, dass er keinen Kaffee verträgt und unter Leseangst leidet. Vielleicht ist es also zur allgemeinen Beruhigung gar nicht so schlecht, dass das erste Lied "Einfach nur sitzen heißt" - denn genau das sollte man machen. Sitzen bleiben und abwarten. Es gibt ja Sitzkonzerte und Stehkonzerte, und Künstler wie Publikum wissen, dass es bei gleichem Programm den entscheidenden Unterschied machen kann. Heute aber sitzen auch die Künstler, und auch das macht einen großen Unterschied.

Hinter ihrem Tisch angeln sie zwischen den Lesetexten nach Mikrofonen und Gitarre, das ist eigenartig, aber auch irgendwie heimelig. So mäandern sie nonchalant von Text zu Lied, von Lied zu Text. Die Musik aber ist selbst geschrieben und vom Feinsten. Denn singen können die beiden auch - Zinner rockig und rauh, Leonhardsberger mit feinster Akkuratesse und Gespreiztheit, zweistimmig und im Duett. Der Kosmos öffnet sich. Zusammen wächst, was sich zusammen sehnt: Die nie überwundene k. -und-k. -Vergangenheit diesseits und die königlich-bayerische Geschertheit jenseits von Salzach und Inn. Ein alter Herr mit Filterkaffeemaschine und marodem Jack Unterweger-Charme trifft dort auf Gottvater, der niemals Löwenbräu trinkt. Derb trifft auf fein. Von Katzen gekackte Kaffeebohnen kommen an diesem Abend genauso zu ihrem Recht wie pietätsvoll auf den Hintern tätowierte Handelsschiffe und der heilige Petrus. Eine profunde Onomasiologie des Rausches trifft auf Söders Pläne, das Weltall zu erobern, Aphorismen werden mit Fußballer-Kommentaren konterkariert. Gerhard Polt steht neben Peter Altenberger, Friedell gleich bei Karl Valentin. Das alles passt zusammen wie Kaffee und Bier, schmeckt aber trotzdem.

Besonders schön sind die Dialoge: Die Abschweifungen zu Papa Zinner, der als SPD-ler und Löwen-Fan gleich doppelt geschlagen ist und zum kleinen Grenzverkehr zwischen Österreich und Deutschland etwa. Stephan und Stefan häkeln hierbei die schönsten Luftmaschen - wenn das geprobt ist, muss man den Hut ziehen und wenn sie spontan so komisch sind, dann erst recht. Dass die Zugabe zehn Minuten dauert und eigentlich ein Minimusical ist, in dem ein altes Polizeipferd und Robert Redford prägende Rollen übernehmen, wird die Fans von Leonhardsbergers Programm mit den "Pompfüneberern" besonders freuen. Zusammen galoppiert man in die Abendsonne - immer schön im Sessel sitzend.

Sabine Busch-Frank