Roth
Eine wahre Bluegrass-Explosion

Bereits zum zehnten Mal halten die Südstaaten beim Jamboree vor Weihnachten Einzug in der Kulturfabrik Roth

04.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:17 Uhr
  −Foto: Tobias Tschapka

Roth (HK) Kurz vor Weihnachten wird es immer sehr amerikanisch in der Kulturfabrik: Das "Bluegrass Jamboree!" - das Festival of Bluegrass & Americana Music - macht dort jedes Jahr Station, nun bereits zum zehnten Mal.

Rainer Zellner, Tour-Manager und Mastermind des Festivals, hat auch heuer wieder eine illustre Gruppe von Musikerinnen und Musikern aus Übersee um sich versammelt, die sich diesmal allesamt auf die Wurzeln dieser traditionsreichen Musik aus den ländlich geprägten südöstlichen Staaten der USA beziehen, aber trotz aller Unterschiede alle Platz haben "unter dem großen Schirm des Bluegrass".

Los ging es mit dem Duo The Brother Brothers, bei denen der Name Programm ist, denn bei Adam und David Moss handelt es sich um eineiige Zwillinge. Da beide nicht nur dasselbe Gesicht, sondern auch eine nahezu identische Stimme haben, erwies sich ihr zweistimmiger Gesang als ein ausgesprochen interessantes Hörerlebnis mit Gänsehautgarantie.

So ähnlich ihre Stimmen auch sind, in Sachen instrumentaler Begleitung gehen sie verschiedene Wege. David spielte Gitarre und Adam die Fiddle, beides Instrumente, die beim Bluegrass nicht wegzudenken sind. Ein lustiger Moment während ihres Auftritts war, als sich Adam vom langsam von hinten aufwallenden Bühnennebel erschreckte. Als er sich schließlich davon überzeugen konnte, dass hinter der Bühne nicht etwa ein Feuer ausgebrochen war, hatte er mit einem Lachanfall zu kämpfen, der zu einem mehrfachen Ansetzen des aktuellen Liedes führte.

Die zweite Formation des Abends, Bill and the Belles aus Virginia, schienen angesichts ihres Retro-Sounds wie aus der Zeit gefallen, zumal sie auch rein optisch ein bisschen an die 40er-Jahre erinnerten. So oder so ähnlich dürfte die Musik geklungen haben, die aus den Radios aus dieser Zeit ertönte. Dazu passte, dass der Chef der Formation, Kris Truelsen, auch als Radiomoderator tätig ist. Kein Wunder, dass er zwischen den Songs viel redete. Aber Gitarre spielen konnte er auch, und ganz besonders bemerkenswert war der zweistimmige Gesang der beiden Frauen des Quartetts, welcher sich unglaublich fein verwoben in die Gehörgänge des Publikums zwirbelte.

Nach einer kleinen Pause, in der es am "Weihnachtsstand ohne Glühwein" (so Rainer Zellner) nicht nur selbst produzierte CDs der Bluegrass-Teilnehmer, sondern bei einem Gewinnspiel einen Beutel original Bluegrass-Gras - natürlich streng legal - zu gewinnen gab, wurde es noch einmal ausgesprochen flott auf der Bühne.

Jeff Scroggins and Colorado (natürlich aus Colorado) waren nun an der Reihe und rissen das Publikum wohl am meisten mit, denn Szenenapplaus und lauter Jubel begleitete diesen Auftritt von Anfang an. Während die Gitarre beim Bluegrass üblicherweise vor allem als Rhythmusinstrument herhalten muss, setzten die Finger von Greg Blake auf dem Griffbrett seiner Gitarre zu wahren Hochgeschwindigkeitsläufen an.

Auch die Fiddlespielerin Ellie Hakanson, die nie um einen flotten Spruch verlegen war, beeindruckte mit ihrer Geschwindigkeit - und der Chef der Formation, Banjo-Spieler Jeff Scroggins, gilt in den USA gar als der "Jimmy Page des Banjo". Die Musik im Blut hat er auch an seinen Sohn Tristan vererbt, der ebenfalls mit von der Partie war und als Wunderkind der Mandoline gilt. Als Bluegrass Explosion wurden die Auftritte von Jeff Scroggins and Coloradoin den Medien bereits bezeichnet, und das galt eindeutig auch für das Gastspiel in der Rother Kulturfabrik.

Aber das "Bluegrass Jamboree!" durfte auch in diesem Jahr nicht ohne Session mit allen Beteiligten zu Ende gehen. Kein Wunder, denn laut Manager Zellner, der bei den nun folgenden Zugaben auch mit seiner Mandoline ins Geschehen eingreifen durfte, würden seine Musiker während der Tour jede verfügbare Minute zum gemeinsamen jammen nutzen. Im Tour-Bus, im Hotelfoyer, einfach überall. Und mit genau so einer fulminanten Zugabe ging dann auch die zehnte Auflage des "Bluegrass Jamboree!" mit allen elf Protagonisten auf der Bühne (plus musikbegeistertem Manager) zu Ende. Höhepunkt der Zugabe war schließlich ein Lied, bei dem wohl jeder im vollbesetzten Saal mitsingen konnte: "Country Roads" von John Denver.

Tobias Tschapka