Neuburg
Eine Spurensuche in Neuburg

Kuriose und peinliche Geschichten über 236 Neuburger Straßennamen im neuen Bildband von Winfried Dier und Bernhard Mahler

20.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:34 Uhr
Patricia Viertbauer
  −Foto: Viertbauer

Neuburg - Woher kommt eigentlich der Name "Karl-Reisach-Platz"?

Und wie hieß der Oswaldplatz früher? Diese und weitere Fragen über die Straßen in Neuburg beantwortet Heimatforscher Winfried Dier im Info-Bildband "Auf Spurensuche in Neuburg an der Donau - Straßennamen und Luftbilder". Das Buch ist in Zusammenarbeit mit Bernhard Mahler entstanden, der die Seiten mit seinen Drohnenaufnahmen bebildert hat.

"Wenn ich Doferlgässchen höre, muss ich immer schmunzeln", erzählt Bernhard Mahler. Die Gasse mit dem witzigen Namen ist tatsächlich in Neuburg zu finden - zwischen dem Bürgermeister-Hocheder-Platz und der Schrannenstraße. Benannt ist das Doferlgässchen nach der Brauerei Doferl, an deren Platz später das Kaufhaus Zierer errichtet wurde. Diese und viele weitere Kurzgeschichten über Neuburger Straßennamen wurden jetzt in einem Bildband festgehalten.

Die Autoren sind der Pressesprecher der Stadt Neuburg, Bernhard Mahler, und Heimatforscher Winfried Dier. Die Idee für das Buch hatte Dier im Jahr 2008. "Ich war bei meinem Cousin in Nürnberg eingeladen, dieser kam sehr gerne nach Neuburg und ich dachte mir, ich schenke ihm einen Bildband unserer Stadt", erinnert sich Dier. Das war aber leichter gesagt als getan, denn 2008 gab es noch keinen wirklichen Bildband von Neuburg - also veröffentlichte Dier einen im Jahr 2011. "Im Zusammenhang mit meinem ersten Bildband wollte ich einfach mehr über die Straßen Neuburgs erfahren. Aber einen fertigen Ordner oder ein Verzeichnis mit den Entstehungsgeschichten und Hintergründen der Neuburger Straßen gab es noch nicht", berichtet er. Der Heimatforscher erzählt, dass er über zwei Jahre hinweg Dauergast im Stadtarchiv war und auch in vielen weiteren Archiven recherchiert hat. Seit 2011 veröffentlichte Dier seine Kurzgeschichten über die Neuburger Straßennamen wöchentlich in der Zeitung. "Ich wollte aber nach meinem ersten Bildband über diese faszinierenden Straßennamen einen weiteren machen. Aber wie bebildere ich meine Geschichten? ", fragte er sich.

An dieser Stelle kommt Pressesprecher Bernhard Mahler ins Spiel. "Alle fünf Jahre fliegen wir über Neuburg und machen unter anderem für das Archiv Luftaufnahmen. Dieses Jahr war es wieder soweit und so konnte ich mit 34 Drohnenaufnahmen Winfried Diers Geschichten ergänzen", so Mahler. Weitere 51 Aufnahmen im Bildband stammen vom Luftbildfotografen Hajo Dietz, auch diese wurden erst dieses Jahr aufgenommen. Seit Freitag ist "Auf Spurensuche in Neuburg an der Donau - Straßennamen und Luftbilder" unter anderem in der Tourist-Info, im Bücherturm und im Paper Shop erhältlich.

Oberbürgermeister Bernhard Gmehling beschreibt den Bildband bei der offiziellen Vorstellung als hochinteressantes "Vieljahreswerk", das selbst für Ur-Neuburger ein bisschen Geschichtsunterricht ist. "Da gibt es sogar Straßennamen, die mir unbekannt sind", muss Gmehling lächelnd gestehen. 236 Straßennamen, die in den Grenzen vor der Gebietsreform 1972 liegen, beschreibt Winfried Dier in seinen Kurzgeschichten. Der Autor kann sich nur schwer entscheiden, welche Geschichte sein persönlicher Favorit ist. Besonders kurios ist die Benennung des Karl-Reisach-Platzes. "Eigentlich sollte Karl Reisach nicht geehrt werden, es war eher ein Zufall, dass es diesen Platz jetzt in Neuburg gibt", so Dier. Denn Karl Reisach war zwar auch für viele gute Taten bekannt - wie für den Bau des heutigen Arco-Schlösschens - aber sein verschwenderischer Lebensstil brachte ihn dazu, in die Staatskasse zu greifen und deswegen sollte er inhaftiert werden. Er entzog sich aber der Festnahme und blieb bis zu seinem Tod verschwunden. Nicht er sollte geehrt werden, sondern die Familie Reisach, aber durch einen Zufall wurde der Platz dann doch Karl-Reisach-Platz genannt. "Warum nichts gegen diesen Namen unternommen wurde? Man wollte kein neues Schild kaufen", erklärt Dier schmunzelnd.

Neben witzigen Geschichten wie dieser gibt es auch Erzählungen, die zum Beispiel einen Einblick in Neuburg zur NS-Zeit geben. Der Oswaldplatz wurde zu dieser Zeit in "Platz der SA" umbenannt. Das war im Dritten Reich keine Seltenheit, insgesamt 20 Neuburger Straßennamen wurden geändert. "Nach dem Krieg folgte dann der Stadtratsbeschluss, dass die betroffenen Straßennamen wieder in ihren ursprünglichen Namen geändert werden sollen", erklärt Dier. Die Adolf-Hitler-Straße zum Beispiel wurde wieder die Luitpoldstraße. Und was ist mit dem Oswaldplatz? "Der heutige Oswaldplatz hieß ganz am Anfang Markusplatz. Es war ein Malheur, dass nach dem Krieg der Platz der SA zum Markusplatz und nicht wieder zum Oswaldplatz umgewandelt wurde". Das hat lange niemand mitbekommen. Erst 2014 fiel das Missgeschick auf - und es folgte ein weiteres, viel größeres Malheur. "Um den Oswaldplatz wiederzubekommen wurde entschieden, den Beschluss von nach dem Krieg aufzuheben. Und so hießen alle 20 NS-Straßen wieder wie im Dritten Reich. Das wurde 2016 in Ordnung gebracht", erklärt der Heimatforscher und Oberbürgermeister Gmehling ergänzt: "Winfried Dier hat so einige peinliche Dinge aufgedeckt und eines muss ich betonen: Der Stadtrat hat das mit dem Platz der SA nicht mit Absicht gemacht. "

Weil Straßenumbenennungen oft mit viel Aufwand und manchmal auch Fehlern verbunden sind, ist Gmehling aus heutiger Sicht dagegen. "Lieber ehren wir bekannte Personen mit neuen Straßen, wie zum Beispiel die Josy-Meidinger-Straße im Neubaugebiet Heinrichsheim. " Neben den zahlreichen Geschichten und Bildern ist im Bildband auch der aktuelle Stadtplan von Neuburg enthalten. Alle Beteiligten sind stolz auf das Endergebnis, wie Gmehling betont: "Winfried Dier und Bernhard Mahler haben ein tolles Produkt aus den Geschichten und Luftbildaufnahmen gemacht. "

DK

Patricia Viertbauer