Hemau
Eine Schneise für die Versorgungssicherheit

Projekt der Superlative: Nach dreijähriger Vorbereitung haben die Arbeiten für die 62 Kilometer lange und 119 Millionen Euro teure Erdgasleitung zwischen Schwandorf und Pförring begonnen. Die Trasse führt mitten durch die Region.

26.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Startschuss auf dem Jura: Während die Bagger die Querung einer Straße bei Painten vorbereiten, untersuchen die Archäologen (unten) das Erdreich. - Fotos: Janda

Hemau (DK) Projekt der Superlative: Nach dreijähriger Vorbereitung haben die Arbeiten für die 62 Kilometer lange und 119 Millionen Euro teure Erdgasleitung zwischen Schwandorf und Pförring begonnen. Die Trasse führt mitten durch die Region.

 Im Erdreich klafft eine 34 Meter breite Schneise, die sich fast bis zum Horizont hinzieht. Es ist ein gewaltiger Eingriff in die Natur, den die schweren Baumaschinen auf der Jura-Hochfläche bei Painten (Landkreis Kelheim) vornehmen. Das gesamte Ausmaß lässt sich dort und im Rest der Region noch lange nicht absehen. Auf eine Länge von 62 Kilometern soll sich diese Trasse in einigen Monaten erstrecken - vom oberpfälzischen Schwandorf bis ins kleine Forchheim in der Gemeinde Pförring (Kreis Eichstätt).

All diese Feinheiten, zu denen im Frühjahr sogar die Versetzung mehrerer Ameisenhügel im Trassenbereich zählt, machen den Bau der Leitung zu einem Mammutprojekt. Das beschränkt sich nicht allein auf das mehrjährige Genehmigungsverfahren. Mit Schwandorf, Amberg-Sulzbach, Regensburg, Kelheim und Eichstätt sind fünf Landkreise in den drei Regierungsbezirken Oberpfalz, Niederbayern und Oberbayern betroffen. Auf dem Großteil der 62 Kilometer langen Strecke verläuft die Trasse neben einer bestehenden Gasleitung, die aus den 1970er-Jahren stammt. Rund 119 Millionen Euro kostet das Projekt, das bereits jetzt 80 Personen beschäftigt. Die Fertigstellung ist im Dezember 2017 geplant.

Mit dem Abschluss der Arbeiten soll für die bayerischen Haushalte die Versorgungssicherheit deutlich zunehmen, wie Projektleiter Martin Höhner erklärt. "Gleichzeitig schließen wir Erdgasspeicher in Österreich an und schaffen die erforderlichen Kapazitäten für neue Gaskraftwerke." Letztere sollen im Freistaat eine Alternative zur Kernkraft darstellen. Festgelegt ist der Rahmen des Projekts im Netzentwicklungsplan, eine Folge des bereits 2005 im Bundestag beschlossenen Energiewirtschaftsgesetzes.

Im nächsten Jahr, wenn ab dem Frühling der Großteil des Leitungsbaus erfolgt, soll die Zahl der beteiligten Arbeiter auf mehrere Hundert ansteigen. Laut den Planungen werden zwei Bautrupps gleichzeitig arbeiten und je eine Hälfte der Leitung errichten. Die Mitte befindet sich auf dem Gebiet der Stadt Hemau (Kreis Regensburg), wo die Fachleute von Open Grid Europe vor wenigen Wochen in einer Containersiedlung ihr Baubüro eingerichtet haben. Dazu kommen im Abstand von etwa fünf Kilometern Lagerplätze für die Rohre. Von dort aus werden Lastwagen die 18 Meter langen und acht Tonnen schweren Stahlteile mit einem Durchmesser von einem Meter an die Wanderbaustellen bringen.

Doch bis es so weit ist, sind zunächst die Spezialisten gefragt. "Jetzt sind die Archäologen und die Kampfmittelräumer draußen", berichtet Pfeiffer. Er und seine Kollegen erwarten vor allem bei der Bahnlinie in Beratzhausen im Kreis Regensbug gefährliche Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg. In dessen finaler Phase hatten US-Bomber den dortigen Bahnhof ins Visier genommen. Funde aus längst vergangenen Epochen sind Pfeifer zufolge hingegen südlich des Hienheimer Forsts auf Altmannsteiner und Pförringer Gemeindegebiet am wahrscheinlichsten. "Wir rechnen dort mit einer hohen Dichte, weshalb die Archäologen das Gelände nur langsam freigeben", sagt er. Der Limes, den die Trasse gleich neben den Dörfern Laimerstadt und Ried (Gemeinde Altmannstein) kreuzt, spielt bei den jetzigen Grabungen unterdessen keine Rolle mehr. Bereits im Vorjahr hatten Archäologen der Universität Freiburg und des Landesamts für Denkmalpflege den römischen Grenzwall untersucht und eine Lösung für die Kreuzung ausgearbeitet. "Dadurch können wir den Limes in offener Bauweise queren", freut sich Pfeiffer.

Andernorts ist dieses Vorgehen schlichtweg unmöglich. Zum Beispiel an der A 3 bei der Marktgemeinde Laaber sowie am Main-Donau-Kanal bei Riedenburg. Für beide Abschnitte sind sogenannte Mikrotunnel geplant. Dem Baumanager zufolge sollen unter der Autobahn und der Wasserstraße Betonröhren mit einem Außendurchmesser von zwei Metern verlaufen. Im Inneren bleiben für die Gasleitung etwa 1,6 Meter an Platz. "Dabei handelt es sich um eine sehr aufwendige Sache", weiß der Fachmann.

Während diese Arbeiten überwiegend im Verborgenen ablaufen, geht das Projekt an den Wäldern der Region alles andere als spurlos vorüber. Die Planer rechnen derzeit mit 25 bis 30 Hektar Rodungsfläche. Schwerpunkte sind die baumreichen Gegenden bei Schwandorf und im Hienheimer Forst nördlich von Pförring. 24,5 Meter breit soll die Schneise für die Baufahrzeuge werden. Dass sich Naturschützer damit nur bedingt anfreunden können, wissen die Vertreter des Unternehmens nur zu gut. Aus diesem Grund haben in der Planungsphase zahlreiche Informationsabende und Erörterungstermine stattgefunden. "Mittlerweile haben wir eine gewisse Akzeptanz erreicht", berichtet Projektleiter Höhner und verweist auf umfangreiche Aufforstungen nach Abschluss der Arbeiten. Eine vollständige Schließung der Wälder ist demnach aber nicht möglich. Stattdessen wird der vorhandene Schutzstreifen der bestehenden Leitung, der knapp sechs Meter umfasst, auf insgesamt 15 Meter erweitert.

In den 15 betroffenen Städten und Gemeinden ist das Projekt überwiegend auf Zustimmung oder zumindest Akzeptanz gestoßen. Einzig in Pförring zeigten sich die Marktgemeinderäte alles andere als begeistert - auch weil mit der geplanten Erdgasleitung von Forchheim nach Finsing bei Erding schon das nächste Projekt naht. Die Arbeiten für die 74 Kilometer lange Trasse sollen im kommenden Jahr beginnen.