Roth
Eine Sache von Sekunden

Daniela Sämmler entscheidet dramatisches Frauenrennen für sich und feiert deutschen Rekord

01.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:36 Uhr
Völlig fertig: Lucy Charles (links) und Daniela Sämmler hinter der Ziellinie. −Foto: Münch

Roth (alp) Neun Sekunden brauchte Leichtathlet Usain Bolt, um 100 Meter zu sprinten. Neun Sekunden brauchten die Fußballer Karim Bellarabi und Kevin Volland, um die schnellsten Tore der Bundesliga-Geschichte zu erzielen. Doch wie entscheidend sind neun Sekunden, wenn man fast neun Stunden lang 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer radeln und 42,195 Kilometer laufen muss?

Gestern waren es exakt neun Sekunden, die das wohl dramatischste Frauenrennen in der Geschichte des Challenge entschieden - etwas überraschend zugunsten von Daniela Sämmler, die ebenjenen Wimpernschlag schneller war als die Favoritin Lucy Charles (Großbritannien).
 
"Ich kann's noch gar nicht glauben. Es wird dauern, bis ich das realisiere", stammelte die 29-jährige Sämmler, die mit ihrer Zeit von 8:43:42 Stunden den zehn Jahre alten deutschen Rekord von Sandra Wallenhorst (8:47:26) knackte. "Ich hab' gefühlt, dass ich diese Zeit erreichen kann, wenn alles optimal läuft", meinte die Darmstädterin. "Aber ohne das Publikum hätte ich das nicht geschafft. "

Die Zuschauer in Roth fühlten sich an das Jahr 2003 erinnert, als Lothar Leder ganze drei Sekunden vor dem Australier Chris McCormack ins Ziel gesprintet war. Ähnlich wie die Kontrahenten vor 15 Jahren warf sich Sämmler mit letzter Kraft über die Linie, wo sie entkräftet niedersank. Kurz darauf folgte ihr Charles, die genauso erschöpft direkt neben der Siegerin zu Boden ging. Beide hatten anschließend zunächst Schwierigkeiten, das überdimensionale Weißbierglas für die Erstplatzierten zu stemmen. "Das war wahrscheinlich der härteste Kampf, den ich je bestreiten musste", gab Charles zu. "Es tut weh, so knapp zu verlieren, also muss ich wohl noch mal wiederkommen. "
 
Dritte wurde trotz heftiger Magenprobleme Kaisa Sali, die rund drei Minuten nach dem Führungsduo die Ziellinie überquerte. "Ich verschweige die Details", grinste die Finnin. "Das war der härteste Tag, den ich je hatte, aber daraus lernt man am meisten. " Die Riege der ersten fünf Athletinnen komplettierten die Britin Laura Siddall und Roth-Urgestein Yvonne van Vlerken aus den Niederlanden.

Wie erwartet war die Ex-Profischwimmerin Charles als Erste aus dem Main-Donau-Kanal geklettert - sogar in neuer Rekordzeit von 46:48 Minuten und schneller als der beste Mann. Acht Minuten später folgte Sämmler, die jedoch speziell auf der zweiten Rad-Runde aufholte. "Meine Lieblingsstunde ist die letzte auf dem Rad, da habe ich gut Druck machen können", sagte die Darmstädterin, die die schnellste Radzeit des Tages in den Asphalt brannte und den Rückstand dadurch halbierte.

Auf der Laufstrecke nahm das Drama schließlich Konturen an: Charles' Vorsprung schrumpfte weiter, und nachdem die Britin bei Kilometer 28 einen unfreiwilligen Stopp im Dixie-Klo einlegen musste, betrug er nur noch eine Minute. Fünf Kilometer vor dem Ziel schließlich zog Sämmler an Charles vorbei - und behauptete die knappe Führung bis ins Ziel. "Auf den letzten Kilometern hatte ich Krämpfe, zwischendurch sind mir die Beine weggeklappt. Das Rennen hätte keinen Meter länger dauern dürfen", schilderte Sämmler.
 

Alexander Petri