Ingolstadt
Eine Riege neuer Machthaber

Audi baut um: Heavy-Project-Manager verantworten Modellreihen künftig von Anfang bis Ende

14.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:19 Uhr

Wenn die erste Skizze eines Autos entsteht, ist das Heavy-Project-Management schon längst aktiv. Das neue Organisationssystem legt die Entwicklung eines Autos von der Definition des Lastenhefts bis zum Auslaufen der Modelgeneration in die Hände nur eines Managers. Der Verantwortliche berichtet direkt an den Vorstand und verantwortet das komplette Budget. ‹ŒZeichnung: Audi

Ingolstadt (DK) Bei BMW und Porsche ist es längst Alltag: das sogenannte Heavy-Project-Management. Nun wird das System auch bei Audi eingeführt. In Zukunft gibt es eine Handvoll extrem mächtiger Modellreihenverantwortlicher. Diese verwalten jeweils das Gesamtbudget und berichten direkt an den Vorstand.

Zugegeben: Heavy-Project-Management - das klingt ein wenig nach Marketing-Blabla. Es ist allerdings alles andere als das. Für den Ingolstädter Autobauer Audi bedeuten diese drei Wörter eine groß angelegte Umstrukturierung. Zwar gibt es bislang schon Baureihenverantwortliche in ähnlicher Funktion - doch diese haben bei Weitem nicht die Macht, die in Zukunft ein Heavy-Project-Manager haben wird. Mit Einführung des neuen Systems wird eine einzige Person ein Modell sozusagen von der Wiege bis zur Bahre begleiten. Von der Definition des Lastenhefts, über Konzept und Design, über die Produktion und Facelifts bis schließlich zum Auslauf des Modells. Der Manager verantwortet das komplette Budget für das betreffende Modell.

Gründe für die Einführung gibt es mehrere. An erster Stelle hofft man aber Kosten senken zu können - und zwar so, dass es der Kunde nicht merkt. Denn es gibt den generellen Trend, dass die Entwicklung der Produkte immer teurer wird, die Stückzahlen sich dagegen voraussichtlich nicht vervielfachen. Deshalb sollen beispielsweise "unsichtbare" Teile wie eine Klimaanlage viel mehr standardisiert werden.

Ein weiterer Grund ist die vor allem durch die Digitalisierung enorm gestiegene Komplexität der Fahrzeuge. Eine Person muss dauerhaft den Überblick behalten - damit einmal beseitigte Probleme nicht erneut auftauchen können. Außerdem sollen die Übergaben zwischen den einzelnen Stationen besser klappen - also etwa von der Entwicklung in die Produktion.

Es wird nicht für jedes einzelne Modell wie etwa A1, A3 oder A4 jeweils einen Zuständigen geben. Die Verantwortlichkeit wird in verwandten Modellen zusammengefasst. Wie das genau aussehen wird, ist noch offen, aber denkbar wäre beispielsweise, SUV mit längs eingebauten Motoren unter einen Hut zu bringen. Also: Q5 und Q7 sowie den geplanten Q8. Ebenso könnte man die "normalen" Querbaukasten-Fahrzeuge wie A1 und A3 zusammenzufassen - und so weiter. Am Ende dürfte es also eine gute Handvoll Heavy-Project-Manager bei Audi geben.

Vor allem beim Start eines Projekts haben die Manager viel Kontakt zu Audi-Chef Rupert Stadler und den anderen Vorständen. Danach sollen sie möglichst autark arbeiten. Wegen ihrer Machtfülle könnte man sie fast als "kleine Stadler" bezeichnen. Die Verantwortlichen haben beispielsweise großen Einfluss auf die Modul-Baukästen im VW-Konzern.

Geeignet für so einen Posten sind nur erfahrene Mitarbeiter, die über einen ausgezeichneten Rundumblick verfügen. Sollte es ein Ingenieur sein, muss dieser auch fundierte Kenntnisse von Finanzen haben. Umgekehrt muss ein Finanzer sich auch bestens mit Technik auskennen.

Mitunter könnte es durch die Umstellung durchaus auch mal knirschen. Schließlich werden die Verantwortlichkeiten ordentlich durcheinandergewirbelt. Grob geschätzt müsste ein Heavy-Project-Manager etwa zehn Jahre auf seinem Posten bleiben. Denn ein Modellzyklus liegt momentan etwa bei sieben bis acht Jahren, dazu kommt dann natürlich noch die Dauer der Entwicklung.

Fest steht: Bereits laufende Projekte sollen nicht auf Heavy-Project-Management umgestellt werden. Das wäre zu kompliziert. Jedes neue Modellprojekt wird aber nach dem neuen System durchgezogen. Bis die ersten Projekte sichtbar werden, die unter dieser neuen Struktur entwickelt werden, wird es also mindestens noch zwei bis drei Jahre dauern.