Thalmässing
Eine Prise Erotik statt altem Adel

Unterdorfer Kini-Klau stört die Kerwa im Oberdorf kaum - Neue Sanitäranlagen sorgen für Komfort

24.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:25 Uhr
Die Tänzerinnen im Oberdorf machen im Dirndl eine solch gute Figur, dass der Kalender-Vorschlag wohl nur eine bierselige Idee bleiben wird. −Foto: Leykamm

Thalmässing (HK) Bei der Kirchweih im Thalmässinger Oberdorf haben am Sonntag die Paare nicht um den eigens für das Fest aufgestellten Baum ihre Runden gedreht. Hier wurde neben ihm getanzt - und das aus guten Grund. Denn eine Baustelle war im Weg.

Dass der Tanz als Höhepunkt der viertägigen Feierlichkeiten überhaupt stattfinden kann, ist auch einer günstigen Fügung zu verdanken. Denn der leichte Regen am Vormittag des Festsonntag weicht am Nachmittag einem weißblauen Himmel - noch bevor das Sturmtief "Fabienne" heranzieht.

So ist die Stimmung entsprechend gut, als sich vor Beginn der Tänze hunderte Besucher an der Kummerer-Halle versammeln. Denn dort, wo normalerweise die Fahrzeuge des Holzrücke- und Fuhrunternehmers Franz Kummerer stehen, ist zur Kerwa Feierstimmung angesagt. Die Maschinen müssen auswandern, die OKB (Oberdorfer Kerwamoidla und -buam) ziehen mit ihren Gästen ein und laden zur Party. Auch draußen sammelt man sich an den Biertischen rund um das Anwesen.

Erstmalig kommen alle in den Genuss eines besonderen Komforts. Denn bislang musste man sich zum Fest mit einem Toilettenwagen begnügen, wenn Kaffee und Bier nach dem Genuss wieder den Weg nach draußen suchten. Das hat sich geändert. Im Zuge der Arbeiten am hiesigen Nahwärmenetz sind im Gebäude gegenüber der Fahrzeughalle Sanitärräume installiert worden. Bis zur Kerwa sollten sie natürlich bezugsfähig sein. Damit dies gelingen konnte, haben Bewohner sämtlicher Haushalte der Ohlanger Straße, wo das Unternehmen seinen Sitz hat, mit angepackt. Dankbar dafür zeigt sich Juniorchef Thomas Kummerer, zugleich Teil des Leitungsteams der OKB. Von jeglichem "inneren Druck" befreit, lassen sich die Tänze umso besser genießen.

Ein vielleicht künftiger Plotzknecht macht vor, wie es geht: Der dreieinhalbjährige Ben aus Lohen - seine Mutter ist im Oberdorf aufgewachsen - trägt nicht nur schmucke Lederhosen, sondern lässt vor dem Einmarsch der Blaskapelle Thalmässing und der 14 Tanzpaare sein eigenes Gstanzl stilecht ertönen. Der amtierende Plotzknecht Oliver Harlas schmettert bald darauf noch etwas lauter. Doch er zählt ja auch schon 22 Lenze. "Kerwa is kummer, Kerwa is dou", hallt es über die Straße. Bevor sich Harlas seine Plotzmoid Tina Jarsen (21) schnappt und den Tanz eröffnet. Der Weg um den Kerwa-Baum ist dabei versperrt - direkt hinter ihm befindet sich immer noch eine Baustelle. Also wird eben neben ihm getanzt.

Damit jeder gleich erkennt, wer das Plotzpaar heuer ist, schmückt deren Konterfei die 29 Meter hohe Fichte. Nicht fehlen darf natürlich eine kräftige Spitze in Richtung Unterdorf. Bei der dortigen Kirchweih gab es zwar "a Haufn Leit, oba singer und danzn kenners trotzdem net gscheit", reimt Harlas und erntet dafür reichlich Beifall und vergnügtes Lachen.

Dann schwingen sich auch die anderen Paare in den Reigen mit ein, einige von ihnen erweitern die Schrittfolgen sogar um einige Drehungen. Als die Blaskapelle am Ende mit dem Frankenlied auszieht, ziehen die Tanzpaare in die Festhalle ein. Eine kleine Erhöhung nutzt das Plotzpaar, um dort seine Thronstühle aufzustellen und sich feiern zu lassen. Kein schlechter Ersatz für den berühmten König Ludwig. Das Porträt des "Kini" ist eigentliches Wahrzeichen der OKB. Wenn es denn nicht vor zwei Jahren von der UKB, dem Pendant aus dem Unterdorf, entwendet worden wäre. Im vergangenen Jahr sorgte man für Ersatz, heuer aber schlug die Feierkonkurrenz aus dem Unterdorf erneut zu. An der Hallenwand, wo der Märchenkönig herablächeln sollte, zeigt nun stattdessen eine nette Kalenderdame unverhüllt ihre Reize. Was beim Fest zu der Idee führt, die Oberdorfer Kerwamoidla sollten doch selbst einmal einen solchen Kalender erstellen lassen. Denn hier "gibt es die schöneren Moidla". So sagen es mehrere OKB-Vertreter, unabhängig voneinander nach den Vorzügen der hiesigen Kirchweih gefragt. Dann muss es ja wohl stimmen.

Seit 1982 wird sie in der jetzigen Form gefeiert. Auch der Auftritt des diesjährigen Plotzpaars ist lange geplant - schon 2015 wussten Harlas und Jarsen Bescheid, dass sie heuer auserkoren sind. Was aber nicht der Regelfall ist, in manchen Jahren fällt die Entscheidung auch erst kurz vor dem Fest. Die Tänze in diesem Jahr begeistern jedenfalls alle. Das Gelingen feiern die Paare nach dem Auftritt im Gartenhäuschen der Kummerers, bevor abends die Party in der Halle weitergeht. Am nächsten Tag treibt auch noch der Kerwabär sein Unwesen.

Jürgen Leykamm