Salzburg
Eine makabre Komödie

Uraufführung von Theresia Walsers "Die Empörten" als letzte Schauspielpremiere der Salzburger Festspiele

19.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:15 Uhr
Bizarre Situation: Behördenleiter Pilgrim (André Jung) und Bürgermeisterin Corinna Schaad (Caroline Peters) versuchen sich in Schadensbegrenzung vor der Kommunalwahl. −Foto: Walz

Salzburg (DK) In Irberstheim, einem - trotz einer Umwelt verschmutzenden Fabrik - idyllischen Schweizer Bergdorf mit viel Landwirtschaft und Tourismus, hat Corinna Schaad seit Jahren bereits den Posten der Bürgermeisterin inne.

Kompetent und resolut ist sie, eine Powerfrau, deren Redeschwall und Arbeitseifer keine Grenzen kennen. Die ideale Vorlage für Caroline Peters, die diese Rolle einer in jeglicher Beziehung selbstbewussten Egozentrikerin und Karrierefrau, die alles voll im Griff hat, bravourös ausfüllt.

Pech nur für die Reputation dieser so taffen Bürgermeisterin, dass ihr Halbbruder Moritz, der die heimischen Berge noch nie geliebt hat und auch sonst ein Eigenbrötler ist, Selbstmord beging. Mit seinem Auto ist er in eine Gruppe von Ausländern gerast und hat dabei einen im Dorf angesehenen Bürger, den Afghanen Achmed, tödlich verletzt. Und das mitten im Wahlkampf, den Corinna Schaad mit Feuereifer bestreitet. War's tatsächlich ein Unfall, ein Suizid oder doch ein Attentat? Die Gerüchteküche brodelt, zumal Moritz kurz vor dem Crash mit seinem Auto noch die Kampfparole der Al-Qaida "Allah Akbar" ausgestoßen haben soll.

Kein Aufsehen erregen, sondern vertuschen lautet natürlich die Maxime der Bürgermeisterin und ihres zweiten, ebenso aufgeregten Bruders Anton (Sven Prietz) vor den Wahlen, weshalb Moritz in der historischen Rathaustruhe deponiert wird, in der angeblich bereits Martin Luther vor seinen Verfolgern versteckt, Hitlers Leiche zwischengelagert und Stalins Schnurrbart aufbewahrt wurden. Natürlich ist dies alles das gefundene Fressen für die rechtspopulistische Bürgermeisterkandidatin Elsa Lerchenberg als eiskalte, mit reichlich Gestik und schriller Stimme ausgestattete Volksaufwieglerin (Silke Bodenbender), die über die bevorstehende Islamisierung Europas schwadroniert und über Recht und Ordnung in Rage sich redet, während hinter dem Rathaus-Panoramafenster die vorbeiziehenden Alpen (Bühnenbild: Florian Etti) ganz symbolisch unwirtlicher und die Berggipfel immer schroffer werden.

Eine ebenso groteske wie bizarre Situation, bei der Pilgrim, der Behördenchef im Rathaus (herrlich skurril: André Jung), die Bürgermeisterin und ihr zweiter Bruder, beflügelt von der Nähe des bevorstehenden Wahltermins und des reichlichen Alkoholgenusses, bei ihren Vertuschungsmanövern sich zunehmend verheddern, während die muslimische Witwe des von Moritz in den Tod mitgerissenen Opfers mit frommen Sprüchen und Beschwichtigungen abgespeist wird.

Eine makabre Komödie hat Theresia Walser mit ihrem neuesten Stück "Die Empörten" geschrieben und doch zu viele Klischees und noch mehr aktuelle Themen - von der Inflation von Politikphrasen und dem geringen Bezug der Politiker zu den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Wähler über den Aufwind für die Rechtsextremen in ganz Europa bis zu den Problemen der Integration von Ausländern - hier hineingepackt oder nur angerissen.

Wenigstens hat der Regisseur Burkhard C. Kosminski, Intendant des Schauspiels Stuttgart, dies alles ebenso flott wie mit viel Situationswitz im Salzburger Landestheater inszeniert. Heftiger, aber kurzer Applaus des Premierenpublikums für ihn, die Schauspieler und das Produktionsteam, aber auch einige kernige Buhs für die anwesende Autorin.

ZUM STÜCK
Theater:
Landestheater Salzburg
Regie:
Burkhard C. Kosminski
Bühne:
Florian Etti
Kostüme:
Ute Lindenberg
Dauer:
Zwei Stunden
Weitere Aufführungen:
22., 23., 25., 27 und 29. August
Kartentelefon:
(0043) 662-8045-500