Ingolstadt
Eine "labile Persönlichkeit"

Für drei Überfälle mit einem Messer kommt ein 32-Jähriger mit einer milden Strafe davon

29.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:59 Uhr

Ingolstadt/Pfaffenhofen (DK) Es klingt nach Schwerkriminalität, drei Raubüberfälle in wenigen Monaten in der Pfaffenhofener Innenstadt, doch bei näherer Betrachtung zeichnete sich in dem dazugehörigen Prozess am Ingolstädter Landgericht doch ein anderes Bild von dem 32-jährigen Täter ab. So kam die 5. Strafkammer mit dem Vorsitzenden Richter Thomas Denz auch zu einer vergleichsweise milden Strafe und verhängte am Montag zwei Jahre und zehn Monate Gefängnis.

Der Verurteilte aus der Region war im Oktober 2014 und Februar 2015 in drei Geschäfte in Pfaffenhofen marschiert und hatte dort mit vorgehaltenem Messer einige wenige hundert Euro erbeutet. Dabei wirkte er auf seine Opfer teils sehr nervös, er habe sogar gezittert, beschrieben vor Gericht überfallene Mitarbeiterinnen, die den Auftritt des Mannes gut verkraftet hätten. Alle bis auf eine Frau aus einem Fastfood-Lokal, die noch immer leide, so sagte sie. Bei der belasteten Frau habe er das Messer damals aber gleich weggesteckt und die Dame sogar umarmt, so sagte der Angeklagte, der auf alle Prozessbeteiligten genauso reumütig wie auch gutmütig wirkte.


Mit tränenerstickter Stimme bat der geständige 32-Jährige das Gericht um die Chance, "zu zeigen, dass ich es packe". Die Überfälle, so ist auch die Strafkammer überzeugt, hatte er eben nicht begangen, "um sich Luxusgüter anzuschaffen" (Verteidigerin Marion Reisenhofer) oder eine Drogenkarriere zu finanzieren. Er wollte mit dem Geld seine Tochter bei der Ex-Frau unterstützen, dazu sei er mehr oder weniger gedrängt worden. Er sei eben sehr schwer gewesen, den Kontakt zu halten. "Ein uneigennütziges Motiv, das ist auch selten", so Reisenhofer.

Sogar Ankläger Gerhard Reicherl war aufgefallen, dass die Ex-Frau "nicht die untergeordnete Rolle gespielt hat". Der Staatsanwalt sah bei ihr sogar eine Mitschuld. "Das ist aber natürlich keine Rechtfertigung" - und die Taten als bewaffnete Raubüberfälle seien keine Lappalien. Reicherl beantragte vier Jahre Gefängnis, wobei er dem Angeklagten die Geständnisse hoch anrechnete. Normalerweise liegt die Mindeststrafe für einen Überfall mit Waffe bereits bei fünf Jahren Haft.

Verteidigerin Reisenhofer sah strafrechtlich aber nur minderschwere Fälle verwirklicht. Bei der ersten Tat sei der 32-Jährige zum Beispiel ohne Maske, also recht dilettantisch, vorgegangen. "Wie doof ist der denn?", könne zurecht die Frage des Volksmundes lauten.

Den 32-Jährigen prägte ein bewegtes Leben. Nach dem Tod der Mutter habe der Straßenbauhilfsarbeiter massiv gesoffen. Eine stabile Phase während der Ehe mit Geburt der Tochter wurde dann jäh beendet, als eine Affäre der Ehefrau und der Rauswurf aus der Wohnung ihn aus der Bahn warfen. Selbsttötungsversuche, stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie und immer wieder Rückfälle zogen sich weiter durch. Ein vom Gericht bestellter psychiatrischer Gutachter konnte eine bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung) nicht ausschließen, sodass eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten anzunehmen war. Richter Denz sprach von einer "labilen Persönlichkeit".

"Vielleicht ist es vermessen, vielleicht auch nicht", leitete Reisenhofer ihren Gedanken ein, der in dem Antrag einer Bewährungsstrafe (zwei Jahre Haft, die dann noch einmal ausgesetzt werden könnten) mündete. Er habe versucht, allen Schaden wieder gutzumachen, sich persönlich entschuldigt und auch Geld an die Opfer gezahlt, soweit diese das wollten. Immerhin lägen die Taten auch schon fast fünf Jahre zurück und ihr Mandant sitze seit acht Monaten in Untersuchungshaft. Das soziale Umfeld passe jetzt. Seine Schwester und auch der alte Betreuer würden ihn unterstützen.

Die alte Umgebung wollte die Kammer aber gerade nicht mehr nach der Haftentlassung, sagte Denz. "Sie müssen aus dem blöden Sog, der Sie in den letzten Jahren umgewälzt hat, rauskommen." Auch "aus dem Trott der Therapiebedürftigkeit", da sich der Angeklagte von einer Maßnahme in die nächste gehangelt habe. Denz riet zu einer Art Betreutes Wohnen in einer Einrichtung. Das könne der Verurteilte in den nächsten Monaten vorbereiten. Sollte er sich gut führen, käme er vielleicht in neun Monaten (nach der Hälfte der verhängten Strafe) zur Bewährung auf freien Fuß. Für den Richter ist klar: "Wir sind überzeugt, diese Taten passen nicht zu ihrer Persönlichkeit." Aber mit Blick auf die Opfer könne es keine Bewährungsstrafe geben.
 

 

Christian Rehberger