Ingolstadt
Eine kleines Häuschen der großen Ingolstädter Geschichte

Vor 100 Jahren bauten französische Kriegsgefangene eine Gartenhütte

22.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:24 Uhr
  −Foto: Brandl, privat

Ingolstadt (mbl) "Jetzt ist das Haus Geschichte.

" Mit diesen feierlichen Worten nahm Karoline Brenner jetzt von einem Miniaturhäuschen Absachied, das bis vor einigen Monaten im Garten der 94-jährigen Ingolstädterin stand. Jetzt hat das gut 100 Jahre alte kleine Haus im Stadtmuseum eine neue Heimat gefunden.

Das Besondere an der winzigen Gartenlaube, die ein bisschen wie ein Puppenhaus wirkt und vermutlich aus einer alten Munitionskiste gebaut wurde: Der Großvater von Karoline Brenner, Michael Göttner, beaufsichtigte als Wärter Mitte des Ersten Weltkriegs französische Kriegsgefangene im Umfeld des Kavalier Hepp - unter ihnen Charles de Gaulle, einst General und später Präsident der Fünften Französischen Republik. "Aus Dankbarkeit dafür, dass Göttner die Gefangenen menschlich behandelte, bauten sie ihm das Miniatur-Gartenhaus", erzählt Gerd Riedel, Sachgebietsleiter im Stadtmuseum, aus den Überlieferungen. Ob der berühmte französische Staatsmann tatsächlich unmittelbar am Bau des Modellhauses beteiligt war, sei zwar nicht absolut belegbar, da eine entsprechende Signatur fehle, so der Geschichtslehrer Maximilian Schuster, der den Kontakt zwischen Familie und Museum herstellte. Für das Stadtmuseum sei es dennoch ein "bemerkenswerter Neuzugang", wie Riedel sagt. "Wir haben hier nur wenige Objekte aus dem Ersten Weltkrieg, deshalb ist das Häuschen ein besonderes Glück für uns und zudem ein außergewöhnliches Zeugnis der Ingolstädter Stadtgeschichte. "

Das Haus, das sich zum größten Teil noch im Originalzustand befindet (lediglich das abnehmbare Dach und die Balkonbrüstung wurden im Laufe der Jahrzehnte erneuert), steht nun in einer Vitrine im Raum für Kriege und Belagerungen. Karoline Brenner, die von ihrem Sohn im Rollstuhl zur Übergabe ins Stadtmuseum gebracht wurde, war während ihres Berufslebens acht Jahre als Buchhalterin beim DONAUKURIER beschäftigt, wie sie selbst erzählte. Viele Episoden ihres Lebens hat sie in mehreren Tagebüchern festgehalten, von denen sie einige Bände mitgebracht hatte. Darunter auch ein Schwarzweißfoto aus dem Jahr 1933, auf dem das Häuschen im Garten der Familie zu sehen ist, die damals noch in dem Festungsbau lebte. Mit darauf abgebildet sind ihre Eltern und Großmütter. Karoline Brenner war damals neun Jahre alt.