Rohrbach
Eine Kirche sagt leise Servus

Evangelischer Gebetsraum in Rohrbach wird entwidmet - Gläubige gehen eher nach Wolnzach in die Kirche

09.07.2021 | Stand 14.07.2021, 3:33 Uhr
Bild aus besseren Zeiten: Pfarrer Michael Baldeweg feierte im Rohrbacher Gebetsraum beispielsweise Kindergottesdienste zu Fasching. Am 25. Juli wird der Raum entwidmet. −Foto: Evangelische Kirche, Archiv

Rohrbach - Die Tage des evangelischen Kirchenraums im Dachgeschoß des Rohrbacher Kindergartens Löwenzahn sind bald Geschichte. "Die evangelische Kirchengemeinde Pfaffenhofen gibt ihren Gottesraum in Rohrbach auf", teilt Pfarrer Michael Baldeweg mit. "Ich möchte aber, dass dieser Raum nicht einfach zugesperrt wird. Dieser Raum soll würdevoll entwidmet werden."

Vieles, was derzeit im Kirchenraum steht, bleibt auch. Die Stühle zum Beispiel schenkt die Kirchengemeinde der politischen Gemeinde. Das Klavier dagegen wird für einen geringen Obolus abgelöst. Wenn das jetzige Kindergartengebäude saniert ist, wird der Kirchenraum dann ein Kulturraum. Das hat sich der Arbeitskreis Kultur gewünscht und das ist auch schon beschlossen. "Wenn die Sanierung des Kindergartens abgeschlossen ist, dann planen wir, in dem dann bestehenden Kulturraum geistliche Angebote - auch Gottesdienste - zu gestalten jenseits der Konfessionen für alle Interessierten. Aber es wird keinen regelmäßigen sonntäglichen Gottesdienst mehr geben: Das ist vorbei!" Jetzt hat man eine wunderschöne Kirche in Wolnzach "und einen sehr guten Gottesdienstbesuch, was hier in Rohrbach zum Schluss leider nicht mehr so war", erzählt Pfarrer Baldeweg.

1980er: Die Idee eines eigenen Raums

In der Vergangenheit ist in Rohrbach nie jeden Sonntag ein evangelischer Gottesdienst gefeiert worden. Unter Pfarrer Adolf Daut hat bis zu seinem Ruhestand 1983 monatlich ein Gottesdienst im Rathaus und in einem Klassenzimmer der Schule stattgefunden. Unter seinem Nachfolger Pfarrer Ludwig Scherer wurde die Idee geboren, einen eigenen Raum für die evangelischen Gemeindeglieder anzumieten, als Kirchenraum zu gestalten und darin dann Gottesdienste abzuhalten. 1990 war es dann so weit: Im neu gebauten Haus der Sparkasse wurde der Kirchenraum durch den damaligen evangelischen Dekan aus Ingolstadt, Helmut Jehle, geweiht. Auch der damalige katholische Ortspfarrer Bruno Feß und der damalige Bürgermeister Alois Abel waren zu dieser Weihe anwesend.

Umzug in den Kindergarten Löwenzahn

Als 1998 absehbar wurde, dass die Sparkasse ihre Räumlichkeiten selbst benötigen würde, bot der damalige Bürgermeister Dieter Huber der evangelischen Gemeinde einen Raum im Keller des Kindergartens Löwenzah an. Dankbar wurde dieses Angebot angenommen. "Aber es dauerte nicht lange, dann wurde der Kindergarten umstrukturiert - und wir wurden gefragt, ob wir bereit wären in den ersten Stock zu wechseln", erinnert sich Pfarrer Baldeweg, der zum damaligen Zeitpunkt schon seit 1993 für Rohrbach zuständig war. Im Jahr 2000 wurde der derzeitige Kirchenraum bezogen. Es fanden dort über die Jahre viele gut besuchte Gottesdienste statt und es war einiges los: Erwachsenen- und Kindergottesdienst, Kirchenkaffee, Kinderbibeltage, Gemeindefeste, sogar eine Kinderdisko gab es. Bis dann in Wolnzach die neue Kirche gebaut und 2008 eingeweiht wurde. "Ab da verlagerte sich das Geschehen immer mehr und mehr nach Wolnzach. Zuerst eher langsam, fast unmerklich und dann immer deutlicher", so Pfarrer Baldeweg.

Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Pfaffenhofen, zu der Rohrbach gehört, umfasst drei Viertel des Landkreis Pfaffenhofen. Da gibt es nicht in jedem Ort eine eigene evangelische Kirche. Deswegen sind die Gemeindeglieder nicht so ortsbezogen. "Aber überall, wo ein Pfarrer selbst wohnt, entsteht selbstverständlich ein engerer Kontakt zu den Leuten." Pfarrer Baldeweg meint dazu: "Hätte ich 1993 damals in Rohrbach ein Haus oder eine Wohnung gefunden, und hätte die Kirchengemeinde bei ihrer Suche in Rohrbach einen Bauplatz gefunden, würde die evangelische Auferstehungskirche vielleicht heute in Rohrbach stehen."

Ständiges Hin und Her mit Wolnzach

Denn im Gegensatz zur deutlich in die Jahre gekommen evangelischen Kirche in Wolnzach, dem Holzkisterl in der Kellerstraße, einer Montagekirche in Holzständerbauweise, war der Rohrbacher Kirchenraum fast schon luxuriös. Es gab mehrere Toiletten, eine Küche mit Spülmaschine, mehrere nutzbare Räume. Und die Rohrbacher waren sehr aktive Gemeindeglieder. "Es war eine gute und bewegte Zeit", erinnert sich Pfarrer Baldeweg. "Da war einiges geboten in Rohrbach, da war was los." Aber man war trotzdem eingeengt. Wenn etwa an Heiligabend ein Krippenspiel gezeigt wurde, baute man in Rohrbach auf, führte das Krippenspiel auf und danach wurde alles abgebaut, in Wolnzach wieder aufgebaut und dort nochmals gespielt. "Viel Aufwand, sehr viel Aufwand, ja Stress für die Helfer", so Pfarrer Baldeweg.

Schleichender Prozess ab 2008

Und dann gab es plötzlich ab 2008 in Wolnzach eine neue Kirche mit Platz für bis zu 350 Leute im erweiterten Zustand. "Es verlagerte sich viel nach Wolnzach und das war dann für die Helfer ein ganz anderes arbeiten. Dadurch hat sich in Rohrbach das Angebot im Laufe der Zeit ausgedünnt." Die Leute blieben aus oder fuhren nach Wolnzach.

Der schleichende Prozess zog sich mehrere Jahre so hin. Doch etwa ab 2016 musste der verantwortliche Kirchenvorstand sich Gedanken machen, was mit dem Kirchenraum in Rohrbach passieren soll. Wenn in Wolnzach um 10 Uhr Gottesdienst war, kamen um die 50 Leute, in Rohrbach waren es dann um 11 Uhr oft nur zwei oder drei, manchmal auch gar keiner. Das war für alle, die die Gottesdienste vorbereitet und hielten, nicht lustig.

Im März 2019 gab es dann eine Gemeindeversammlung im Kirchenraum, zu der besonders die Rohrbacher Evangelischen eingeladen waren. Gemeinsam überlegte man, was tun. Und man hat sich auf eine Probephase geeinigt: Statt zweimal im Monat sonntags gab es einen Samstagabend- und einen Sonntagsgottesdienst. "An anderen Orten der Gemeinden lief das ganz gut, aber in Rohrbach lief es nicht", erzählt Pfarrer Baldeweg. Von Pfingsten 2019 bis Pfingsten 2020 sollte die Probephase dauern. Und dann kam Corona und seitdem ist der Kirchenraum verwaist, er ist dicht. "Die Abstandregeln konnten nicht eingehalten werden, die Besucher hätten draußen vor der Türe sitzen müssen, das ging nicht und machte keinen Sinn!"

Corona und Entscheidung zum Neubau

Corona hatte auch zur Folge, dass es keine Auswertung der Probephase gab. "Ganz persönlich schmerzt mich, dass die Gemeindeglieder nicht mehr zu Wort kamen, denen dieser Kirchenraum besonders am Herzen lag. Denn ich habe das Gefühl, dass sie sich stiefmütterlich behandelt fühlen, etwas links liegengelassen, nicht ernst genommen", befürchtet Pfarrer Baldeweg.

In diesem Zeitraum wurde auf politischer Ebene der Bau eines neuen, katholisch geführten Kindergarten beschlossen sowie die Renovierung des Gebäudes vom Kindergartens Löwenzahn. "Ab September 2022 ist dann dieses Gebäude dicht und wir sind dann sowieso raus", stellt Pfarrer Baldeweg fest. "Unser Raum ist somit für uns verloren; und das war der entscheidende Impuls umzusetzen, was unweigerlich anstand. Er hat unseren Abschied besiegelt." Und diesen Abschied gilt es jetzt zu gestalten. Nicht sang- und klanglos, nicht beiläufig. Das würde der Vergangenheit nicht gerecht und entspräche auch nicht den Empfindungen der Menschen. "Und außerdem ist der Abschied vom Kirchenraum kein Ende, sondern eine Veränderung. Ich bin gespannt, was nach der Sanierung des Gebäudes alles möglich sein wird." So das Fazit Baldewegs.

PK

? Der Termin für die Verabschiedung von und aus dem Kirchenraum ist am Sonntag, 25. Juli um 18 Uhr. Dazu gibt es kein liturgisches Formular, keine Vorschrift. Es kann nach den örtlichen Gegebenheiten gestaltet werden. Pfarrer Michael Baldeweg will sich an der Einweihung orientieren. Gebäude oder Raum, Altar, Taufbecken, Klavier werden jeweils mit einem Votum eingeleitet, dann folgt ein biblischer Text, ein Gebet und der Segen, in Analogie zur Weihe dieser Einrichtungsgegenstände und des Hauses.

Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes zur Entwidmung des Kirchenraumes übernimmt Martin Pause. Inwieweit sich Gemeindeglieder einbeziehen lassen, weiß man noch nicht. Es hängt von den Corona-Bedingungen ab. Aber es wird auf alle Fälle geladene Gäste geben. Bürgermeister, Geschwister aus der katholischen Gemeinde, die aktiven und ehemaligen Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher, engagierte Gemeindeglieder, besonders die langjährige Mesnerin, Sigrid Pinne. Auch Hans Dollinger, der bereits den ersten Kirchenraum in der Sparkasse 1990 mitgestaltet hat und dessen Kunstwerke - Taufbecken, Vasen und Kerzenständer - noch heute den Kirchenraum prägen.

era