stadtgeflüster
Eine Karambolage kommt selten allein

15.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:14 Uhr

(reh) Klischees sind dazu da, um bedient und bestätigt zu werden - und am besten geht das im automobilen Großstadtdschungel.

Frauen können nicht einparken und Karten lesen, Männer müssen immer auf dem Bleifuß stehen und wollen das eigene Altern mit immer sportlicheren Autos überspielen. Je lichter das Haar oben wird, um so offener wird das eigene Fahrzeug. Mit diesen Sätzen füllen Comedians ganze Stadien - wenn auch vielleicht nicht in Ingolstadt. Denn hier ist Autofahren eine todernste Sache und die Wahl des fahrbaren Untersatzes von existenzieller Bedeutung.

Sogar die Schulen in der Schanz passen sich an die Lebenswirklichkeit ab. Die Grundrechenarten werden schon äußerst praxisnah gelehrt: "Wenn Albert zehn Q7 gebaut hat und drei davon nach China verschifft, wie viele Q7 stehen dann noch auf dem Parkplatz im Donaumoos? " So klingt es an Grundschulen. "Wenn die Produktionslinien im Monat X mit drei Sonderschichten und vier Ausfallschichten gefahren werden, wie viele Mitglieder muss die IG Metall mobilisieren, damit eine Auslastung von 90 Prozent erreicht wird? " Das ist dann schon was für weiterführende Schulen.

Aber eigentlich wollen wir auf etwas anderes hinaus: den Straßenverkehr und die Gefahren desselbigen in Ingolstadt. Stichwort Bleifuß. Die durchschnittliche PS-Zahl neuzugelassener Wagen steigt seit Jahren. Laut Kraftfahrtbundesamt liegt sie in Deutschland bei mehr als 150 PS - was in Ingolstadt ja schon jede bessere überdachte Zündkerze auf vier Rädern mitbringt. Die Schanzer dürften mehr als überdurchschnittlich motorisiert sein und damit einen weiteren Trend fördern: Bei den Fahrzeugen mit 250 bis 300 Pferdestärken hat im Bundesgebiet genau ein Fünftel im Durchschnitt einen Unfallschaden pro Jahr. Vorsicht ist dabei übrigens vor Berliner Mercedes-Fahrern geboten. So lässt sich eine wichtige Erkenntnis aus dem großen Karambolage-Atlas herausfiltern, der gerade von der Generali-Versicherung herausgegeben wurde. Nicht nur auf dem politischen Parkett, sondern auch auf den Straßen der Bundeshauptstadt kracht es so häufig wie sonst nirgends im Bundesgebiet. Und meistens eben mit schwäbischen Fabrikaten und Männern am Steuer.

In Ingolstadt ist das nicht so, wie man sich allein nur aus Klischeegründen vorstellen kann; aber nicht nur deshalb. In unserer schönen Großstadt dominiert natürlich eine andere Marke die Karambolagenstatistik. Und zwar deutlich. Wer jetzt aber an die vielen jungen Leute denkt, die mit ihren werksgelieferten und für andere junge Menschen unbezahlbare Boliden des Nächtens über die Altstadtpflaster oder die Ausfallstraßen donnern, der denkt verkehrt. Das tun sie offenbar mit weniger Schaden, als es sich Ottonormaltanker vorstellen kann. Die Modelle unseres heimischen Autobauers landen bei der Schadenhäufigkeit (Kategorie Kasko-Schäden) in Ingolstadt mit 10,5 Prozent auf Rang zwei. Bei den Haftpflicht-Schäden ist es sogar nur Rang neun! In beiden Kategorien dominiert tatsächlich Renault (13,3 und 10,1 Prozent), selbst wenn man das kaum glauben mag. Aber wie man aus Ingolstädter Sicht sagen kann: Wenigstens liegen hier nicht auch schon wieder Mercedes und BMW vor uns. . .