"Eine hohe Vielfalt anstreben"

Philipp Schönfeld im Gespräch

02.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:56 Uhr
Philipp Schönfeld, Leiter für "Urbanes Grün" an der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim. −Foto: Foto: privat

Philipp Schönfeld von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau über Erfahrungen mit Klimabäumen

Herr Schönfeld, das Land ächzt gerade unter der Hitze und Dürre.Wie geht es unseren heimischen Stadtbäumen?

Philipp Schönfeld: Den heimischen Stadtbäumen geht es derzeit durch die außergewöhnlich lange Trockenheitsperiode sehr schlecht. Sie leiden per se schon unter schlechten Standortbedingungen: eingeengter Wurzelraum, verdichteter Boden und damit verbunden Luft- und Wassermangel, höhere Temperaturen durch die Wärme-Insel Stadt, Schadstoffe, Hunde-Urin, mechanische Beschädigungen an Wurzel und Krone. Mit der außergewöhnlich langen Trockenperiode, ähnlich wie 2015, sind sie überfordert. Hinzu kommen neue Schädlinge und Krankheiten, die von den steigenden Durchschnittstemperaturen profitieren - zum Beispiel der Eichenprozessionsspinner.

Können die Versuchsbäume aus Asien oder Amerika diesem Sommerwetter besser trotzen?

Schönfeld: Gerade im Moment zeigt sich, dass die ausgewählten Baumarten aus Asien, Amerika und Südosteuropa besser mit Hitzeperioden und langen Zeiten ohne Niederschläge zurechtkommen. Das liegt unter anderem daran, dass an ihren Heimatstandorten heute schon die Klimabedingungen herrschen, die bei uns für die kommenden 20, 30 oder 50 Jahre vorhergesagt werden. Es muss aber dabei darauf hingewiesen werden, dass die Auswahl der "richtigen" Baumart allein nicht ausreicht. Für die jungen Bäume muss eine ausreichend große und den Regelwerken entsprechende Baumgrube mit Baumsubstrat vorbereitet werden. Nach der Pflanzung müssen sie über drei bis fünf Jahre gepflegt werden, auch mit regelmäßiger Wässerung, damit sie sich etablieren können.

Der Klimawandel ist ja Anlass für das Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021". Verraten Sie uns bitte, wie es in den drei Versuchsgebieten gerade läuft.

Schönfeld: Die Versuchsbäume sehen an allen drei Versuchsstandorten in Würzburg, Kempten und Hof/Münchberg derzeit gut und vital aus. Lediglich der Eisenholzbaum ist kürzlich bewässert worden - zum ersten Mal in diesem Sommer. Die Beobachtungen im Jahr 2015 haben gezeigt, dass die Versuchsbäume ihr Laub nicht vorzeitig abgeworfen haben, sondern im Gegenteil im Herbst ihr Laub länger behalten haben als in anderen, weniger heißen Jahren.

Welche Bäume werden auf lange Sicht aus unserem Stadtbild verschwinden, welche neuen erscheinen? Und was hat das für Auswirkungen auf Insekten?

Schönfeld: Bergahorn, Sommerlinde und Rosskastanie werden unter den derzeitigen Bedingungen aus unseren Innenstädten verschwinden. An günstigeren Standorten im grünen Randbereich der Städte werden sie sich unter Umständen weiter einsetzen lassen. Auch die heimische Esche, die derzeit durch das Eschentriebsterben dezimiert wird, ist am Verschwinden. Die Untersuchungen zur Biodiversität haben gezeigt, dass die fremdländischen Baumarten sehr wohl in deutlichem Maß durch Insekten und Spinnen besiedelt sind. Ich behaupte, dass ein halbtoter und vorzeitig entlaubter heimischer Straßenbaum für die Fauna schlechtere Lebensbedingungen bietet als ein voll belaubter fremdländischer Baum. Wichtiger als die Frage, ob die Baumarten heimisch oder fremdländisch sind, ist das Ziel, auch bei den Straßenbäumen eine hohe Vielfalt anzustreben. Das fördert die Biodiversität und schützt auf der anderen Seite davor, dass bei plötzlich auftretenden Krankheiten oder Schädlingen größere Teile des Straßenbaumbestands ausfallen.

Wird sich unser Stadtbild verändern?

Schönfeld: Das Stadtbild wird sich für den Normalbürger nur wenig ändern. Ob an der Straße statt des gewohnten Spitz- oder Bergahorns dann neuerdings ein Italienischer Ahorn oder ein Feldahorn steht, wird wenig auffallen. Ähnliches gilt für Linden oder den Ersatz der Hainbuche durch die südosteuropäische Hopfenbuche oder den Ersatz von der Stieleiche durch die Zerreiche. Nur wenn wir beginnen würden, Laubbäume durch Nadelbäume zu ersetzen - potenziell geeignete Arten gäbe es durchaus - würde sich das Straßenbild in den Städten auffallend ändern.

Die Fragen stellte

Suzanne Schattenhofer
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