Riedenburg
„Eine herbe Enttäuschung“

Florian Oßner verteidigt trotz der Verluste der CSU das Direktmandat – Siegfried Lösch: „Ein trauriger Abend“

24.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Im Heimatort Velden bei Landshut gaben der CSU-Direktkandidat Florian Oßner und seine Frau Emmi ihre Stimmen ab. Oßner wird den Wahlkreis Kelheim-Landshut weiter in Berlin vertreten. −Foto: CSU

Riedenburg (rat/DK) Riedenburg wird auch in den kommenden vier Jahren von dem CSU-Abgeordneten Florian Oßner in Berlin vertreten. Doch es ist für den 37-Jährigen aus Velden bei Landshut und seine Parteifreunde ein bitterer Sieg. Denn die AfD holte im Landkreis Kelheim 14,9 Prozent und ist damit die zweitstärkste Kraft.

Wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale befindet sich Oßner bereits auf dem Weg von seinem Heimatort Velden zum Parteibüro in Landshut. „Uns ist heute Abend nicht zum Feiern zumute“, sagt der wiedergewählte CSU-Abgeordnete des Wahlkreises Kelheim und Landshut, der mit gut 43 Prozent sein Direktmandat zwar verteidigen kann, mit dem Ergebnis seiner Partei angesichts von weniger als 40 Prozent in Bayern jedoch alles andere als zufrieden ist. „Es ist eine herbe Enttäuschung für beide großen Parteien und ein Tag der Kleinen“, meint er. Das gute Ergebnis der AfD vor allem in Bayern habe der CSU geschadet, räumt der Bundestagsabgeordnete ein.

Oßners Blick richtet sich am Wahlabend schon auf eine aus seiner Sicht „äußerst schwierige Regierungsbildung“. Zwar habe der Wähler der Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den klaren Regierungsauftrag erteilt, „aber das wird die schwierigste Regierungsbildung in der Nachkriegsgeschichte“, lautet die Einschätzung des 37-jährigen CSU-Politikers. Und was ist mit der Jamaika-Koalition? Die Konstellation aus Union, Grünen und FDP will Oßner nicht ausschließen, auch wenn sie – wie für viele seiner Parteifreunde – nicht seine Traumkonstellation ist. Dennoch: „Alle demokratischen Parteien müssen sich jetzt an den Verhandlungstisch setzen, um eine tragfähige Lösung für die Zukunft Deutschlands zu finden.“

„Unser Ergebnis ist verheerend.“

Johanna Werner-Muggendorfer, SPD-Kreisvorsitzende

 

„Ich habe das schon so kommen sehen“, sagt Martin Neumeyer gut eine Stunde nach der Schließung der Wahllokale. Der CSU-Kreisvorsitzende ist selbstkritisch genug, mögliche Fehler bei der eigenen Partei zu suchen. „Das Herumlavieren gegen die Kanzlerin und dann die Umarmung mit ihr ist nicht gut angekommen.“ Der Kelheimer Landrat vermisste in diesem Wahlkampf vor allem „die Themen, die die Leute wirklich bewegen, also Flüchtlingspolitik, Integration und Familiennachzug“.

„Das ist ein sehr trauriger Abend für die Unionsparteien“, sagt der Riedenburger Bürgermeister Siegfried Lösch (CSU). Aufgrund der Umfragen habe er nicht mit einem derart schlechten Ergebnis gerechnet. Positiv sei nur, dass der christsoziale Direktkandidat Florian Oßner in Riedenburg 52 Prozent erreicht habe. „Wir müssen selbstkritisch feststellen, dass wir die rechte Flanke geöffnet haben“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende der Kreis-CSU. Die CSU sei offenbar im Sog der CDU zur Mitte gezogen worden. „Ich hoffe für meine CSU, dass sie vor der Landtagswahl im kommenden Jahr das Ruder herumreißen kann.“ Lösch schließt nicht aus, dass aufgrund des miesen Abschneidens seiner Partei in Bayern eine Debatte über Horst Seehofer beginnen könnte. „Er trägt als CSU-Vorsitzender die Verantwortung“, glaubt Lösch. Er fordert, die AfD-Wähler nicht zu verteufeln: „Sie fühlen sich einfach von der Union nicht mehr vertreten.“ Der Riedenburger CSU-Chef geht davon aus, dass „es nun auf eine Jamaika-Koalition hinausläuft“. Das würde jedoch schwierig, denn die Grünen seien „eine reine Verbotspartei“.

Auch der Abensberger Bürgermeister Uwe Brandl (CSU) sieht eine mögliche Jamaika-Koalition skeptisch: „Ich wage zu bezweifeln, dass diese Koalition auf Dauer hält“, sagt der designierte Präsident des deutschen Städte- und Gemeindebunds. Der „drastische Einbruch“ für die Unionsparteien sei leider zu erwarten gewesen. Die Bevölkerung habe auf die Flüchtlingsproblematik kritisch reagiert, hier hätte die Union klarere Akzente setzen müssen, bedauert Brandl.

„Das ist eine Watschn für die Demokratie“, sagt eine am Boden zerstörte Johanna Werner-Muggendorfer, als sie gestern kurz nach 20 Uhr von der Stimmauszählung aus ihrem Wahllokal nach Hause kommt. „Und unser Ergebnis ist verheerend“, schiebt die SPD-Kreisvorsitzende hinterher, die „allmählich keine Erklärung“ mehr für den schleichenden Niedergang der deutschen Sozialdemokratie findet.

Den Rückzug aus der großen Koalition in die Rolle der führenden Oppositionspartei im neuen Bundestag hält die SPD-Landtagsabgeordnete für die richtige Entscheidung. „Nur so können wir uns in der Opposition erneuern, neu aufstellen und uns auf unsere sozialen Themen konzentrieren.“ Mit oder ohne Martin Schulz? „Schulz hat die Partei hinter sich gebracht. In welcher Rolle auch immer, die Partei steht geschlossen hinter ihm.“

Bei den Liberalen knallen gestern kurz nach 18 Uhr natürlich die Sektkorken. Das ist im Landkreis Kelheim nicht anders als in Berlin. „Ich freue mich sehr, dass die FDP nun so deutliche Unterstützung erhalten hat und mit klarem Ergebnis wieder in den Bundestag einziehen kann. Nach den vier Jahren der außerparlamentarischen Opposition ist es uns nun durch konsequente Aufbauarbeit gelungen, die Wähler von freiheitlichen Zielen zu überzeugen“, sagt die FDP-Kreisvorsitzende Maria Raum.

Und wie geht es nun mit Lindner & Co. in Berlin weiter? „Ich erwarte mir, dass die FDP weiterhin klare Kante zeigt und eine deutliche liberale Handschrift im Bundestag vertritt.“ Bedeutet das auch eine Regierungsbeteiligung? Raum: „Nach momentanem Zwischenstand sieht es nach einer sogenannten Jamaika-Koaltion aus. Dies halte ich für ein spannendes Unterfangen.“

Beim anderen nun plötzlich von Angela Merkel benötigten Koalitionspartner hält sich der Jubel in Grenzen. Auch wenn Richard Zieglmeier, der Fraktionsführer der Grünen im Kelheimer Kreistag, glücklich über das erreichte Ergebnis ist, so ganz wohl ist ihm bei der möglichen schwarz-gelb-grünen Regierung dann aber doch nicht. „Es ist auf alle Fälle eine spannende Konstellation“, meint der Grüne aus Abensberg. „Es ist klar, ohne Kompromisse wird es nicht gehen, das gilt aber für alle Partner.“

Bei den niederbayerischen Grünen hofft Erhard Grundl, dass er mit Listenplatz acht den Sprung nach Berlin geschafft hat. Der 54-Jährige würde damit der Nachfolger von Thomas Gambke, der nicht mehr angetreten war. „Wir müssen den Rechtsruck bekämpfen“, fordert Grundl. Eine Jamaika-Koalition könne er sich vorstellen. In dieser Regierung gelte es aber für die Grünen, ihre Inhalte durchzusetzen. Andernfalls ließe sich dieses Projekt an der Basis nicht verkaufen. „Ich frage mich aber, ob die CSU überhaupt für eine Jamaika-Koalition zur Verfügung steht“, meint der Straubinger Stadtrat im Hinblick auf die bayerische Landtagswahl. Generell sei das Wahlergebnis ein „Weckruf, den jede bürgerliche Partei ernst nehmen muss“.

ANALYSE

Ein Ergebnis von 51,8 Prozent hat der CSU-Direktkandidat Florian Oßner in Riedenburg erreicht. Er lag damit in der Dreiburgenstadt bei den Erststimmen um rund acht Prozent besser als im Kreis Kelheim, wo er nur auf 43,4 Prozent kam. Zum Vergleich: Vor vier Jahren vereinigte Oßner im Kreis noch 58,3 Prozent der Erststimmen auf sich, in Riedenburg kam er 2013 sogar auf fast 65 Prozent. Der CSU-Politiker wurde im Juli 1980 in Vilsbiburg geboren. Er ist verheiratet und hat zwei kleine Kinder. | rat