Bertoldsheim
Eine große Flut an Argumenten

Überregionaler Hochwasserdialog in Bertoldsheim: Experten und Kritiker kommen zu Wort

25.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Bürgerprotest der Poldergegner: Die Bertoldsheimer und Marxheimer wehren sich gegen die Pläne des Umweltministeriums. - Fotos: Schanz

Bertoldsheim (szs) Wirksamer Schutzpuffer für die Unterlieger oder unnütze Zumutung für die Anlieger? Beim Thema Flutpolder scheiden sich die Geister. Das wurde auch beim gestrigen vierten und letzten überregionalen Hochwasserdialog in Bertoldsheim deutlich.

Während die Fachleute in ihren Referaten die allgemeine Polderproblematik aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchteten, nutzten die direkt Betroffenen das Treffen vor allem um Dampf abzulassen.

Draußen hatten sich rund 60 Demonstranten mit Schildern und Warnwesten versammelt. Im Verhindern von Großprojekten hat man nach dem Punktesieg im Kampf gegen die Stromtrasse in Rennertshofen schon Veteranenstatus. Jetzt also der Polder. „Ich wohne nur 200 Meter vom geplanten Damm entfernt, ich will nicht, dass mir mein Keller vollläuft“, schimpfte Egon Schiele mit Hinweis auf die bisher ungeklärte Frage, wie das Grundwasser rund um Bertoldsheim auf das Riesenbecken reagieren würde. „Die Experten reden immer über den akademischen Optimalfall, aber die Nützlichkeit für die Unterlieger ist nicht erwiesen“, sagte Robert Stuber. „Auch der Rückstau an der Stepperger Enge ist überhaupt nicht in die Pläne eingeflossen“, erklärte Josef Dettling. Am Ende drohe ein hausgemachtes zusätzliches Hochwasser für Stepperg und Hatzenhofen. Und Leo Schiller fasste die Meinung der Bertoldsheimer zusammen: „Das alles ist Schmarrn hoch drei.“

Drinnen im großen Saal ging es naturgemäß ruhiger zu. Doch auch hier sprach Rennertshofens Bürgermeister Georg Hirschbeck gleich zu Beginn seine Ablehnung deutlich aus. „Wir haben unseren Beitrag mit dem Riedensheimer Polder geleistet, dem wir ohne zeitliche Verzögerung voll zugestimmt haben. Aber zwei Polder in einer Marktgemeinde und fast 700 Hektar Landverlust sind nicht akzeptabel.“ Außerdem sei vom Hochwasserschutz für Rennertshofen bisher nie die Rede gewesen – trotz zweier Riesenbauwerke. In den Foren gehe es um theoretische Überlegungen. „Die Wassermassen sind schwer kalkulierbar. Bis jetzt konnte ich nicht überzeugt werden, dass das Hab und Gut geschützt werden kann.“ Daran änderte sich bis zum Ende der Tagung auch nichts, denn ein Grundwassermodell für Bertoldsheim gibt es bisher nicht.

„Es geht heute darum, alle auf einen gemeinsamen Informationsstand zu bringen“, erklärte Christoph Leeb, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt, den Sinn und Zweck der Tagung, der vierten und letzten in dieser Form. Moderator Franz Tragner machte noch einmal die bisherigen Ergebnisse klar. Deichrückverlegung, Renaturierung von Flussläufen, dezentrale Regenrückhaltung: All diese Dinge seien sinnvoll. Bei einer Jahrhundertkatastrophe – und nur darum geht es bei hundertjährlichen Hochwassern – helfe nur ein gesteuerter Flutpolder, der die Spitze der höchsten Welle kappen kann.

Gestern standen besonders die Folgen für die Land- und Forstwirtschaft im Fokus. So berichtete der Passauer Bauer Robert Schnellhammer aus eigener Erfahrung davon, was mit dem Boden passiert, wenn er überspült wird. Schadstoffkontamination der Böden, Bodenleben nach Überflutungen, die Auswirkungen auf verschiedene Baumarten: Es ging um Spezialthemen. Viele Wortmeldungen in den Diskussionsrunden drehten sich wiederum um Kritik an Details einzelner geplanter Polder. Gehaltvoll war die Kritik an den ökologischen Ausgleichsflächen für Poldergebiete: So entnimmt man doppelt Flächen aus der Landwirtschaft.

Wie geht es nach dem Dialog jetzt weiter? „Ich hoffe, die Ergebnisse werden ans Ministerium weitergeleitet“, sagt Peter von der Grün, der Sprecher der Bürgerinitiative Bertoldsheim. „Ich war insgesamt positiv überrascht, dass auch kritische Stimmen unter den Referenten waren“, erklärte er und zog insgesamt ein positives Resümee der Dialogveranstaltungen: „Die vielen Fragezeichen, die wir vor der Vortragsreihe hatten, sind noch da, sind vielleicht sogar mehr geworden, aber es hat uns alle auf ein viel höheres Informationsniveau gehoben.“