Eichstätt
Eine große Burg für eine kleine Stadt

Eichstätt erwarb 1880 die "Veste Willibald" um 3300 Mark - Aufbewahrung lokalhistorischer Schätze

19.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:08 Uhr
  −Foto: Ettle Josef, Ettle, Marlene, Eichstaett

Eichstätt - Vor 140 Jahren hat die Stadt Eichstätt vom Königlich bayerischen Militär-Ärar die überwiegenden Teile der Willibaldsburg zum Preis von 3300 Mark gekauft.

Gerade einmal zwei Jahrzehnte konnten sich die Magistraträte, Gemeindebevollmächtigten und Bürger als stolze Schlossherren fühlen. Schon im Jahr 1900 wurde die Anlage auf der Eichstätter Bergeshöhe "verscherbelt", um 10000 Mark an das Königreich Bayern. Die Stadt konnte das monumentale historische Bauwerk der Fürstbischöfe schlicht und einfach nicht erhalten.

Der Auszug aus einem Protokoll im Stadtarchiv vom 5. März 1880: "Beschließt das Collegium der Gemeindebevollmächtigten einstimmig, den Magistrat der Stadt Eichstätt zu ersuchen, sofort die nötigen Schritte zur Erwerbung der Willibaldsburg als Eigentum der Stadt Eichstätt einzuleiten. " Vorstand des Gremiums war Anton Zitzmann, Protokollführer Johann Emslander. In einem "Bedingnisheft" wurden die Details zur Ersteigerung der geschichtsträchtigen Immobilie festgelegt. Danach blieben die Soldaten auf der Burg, nämlich im abgeschlossenen östlichen Teil, der Schellenbergbastion, in der sich auch die Kapelle Maria Magdalena und das ehemalige Militär-Spital befanden. Das große Torhaus mit der Zufahrt zur Burganlage blieb ebenfalls Kaserne. Die Stadt erwarb im Wesentlichen den Gemmingenbau mit den beiden Türmen, und das so genannte Alte Schloss, den Schaumbergbau, in dem die Burgschänke ist, ferner das Zeughaus und die große Stallung beim heutigen Bastionsgarten. Stadteigentum wurden verschiedene Gärten, auch der neue Schlossgarten und alle Grundstücke rings um die "ehemalige Veste Willibald".

Die Verhandlungen führten der königlich bayerische Notar Joseph Kain aus Eichstätt, der königlich bayerische Kasern-Inspektor Friedrich Schmidt und seitens der Stadt Bürgermeister Georg Fehlner sowie Rechtsrat Karl Schneider.

75 Meter tiefer BrunnenDer städtische Baurat Julius Velhorn hat die Liegenschaft auf dem Bergsporn über Eichstätt beschrieben. Danach gehörten dazu: "Das Hauptgebäude mit den beiden Türmen, im ganzen mit 21 Zimmern. " Es handelt sich um den "Gemmingenbau", in dem die Fürstbischöfe bis 1730 wohnten. Darin brachte die Stadt das "Lokalhistorische Museum", das heutige Ur- und Frühgeschichtliche Museum des Historischen Vereins, als zentrales Geschichtsmuseum des Landkreises unter; allerdings war die Einrichtung damals um vieles größer. In diesem Bau ist der 75 Meter tiefe Brunnen; er diente der Trinkwasserversorgung der Soldaten und der anderen Burgbewohner. "Eine über zwei Meter breite Stiege führt in das obere Stockwerk", notierte Velhorn.

Weiter heißt es in dem Baumeister-Papier, das im Stadtarchiv liegt: "Im Parterre des Nordflügels und Entresol (Zwischengeschoß) befinden sich sieben gewölbte Gelasse, im ersten Stock sind drei Säle. Diese Räume haben eiserne Öfen, sie wurden bei Einquartierungen von Soldaten benutzt. " Die hohen Öfen produzierte das Hüttenwerk Obereichstätt; dazu liegen Zeichnungen und eine Rechnung vor. In diesem der Stadt zugewandten Gebäudeflügel ist heute als Abteilung des Staatsarchivs das Notariatsarchiv für die Regierungsbezirke Oberbayern, Schwaben und Niederbayern untergebracht. "Der Bau zwischen den Türmen vis a vis dem Tiefen Tal ist ebenfalls für die Unterbringung von Soldaten geeignet, darin lassen sich aber auch Wohnungen einrichten", bemerkte Julius Velhorn. Die Dächer aus Juraplatten und Kupferblech taxierte der Fachmann "als ganz gut". Seit 1976 beherbergt der Bau, wie auch der Südflügel, das Jura-Museum und im oberen Stock das Ur- und Frühgeschichtliche Museum. Hinzu kam das Staatsarchiv mit der Sammlung von Notariatsurkunden von Oberbayern, Niederbayern und Schwaben.

Die Gärten und die Flächen auf den Bastionen wurden als Feld genutzt, nämlich zum Anbau von Kartoffeln und sogar Getreide. Äpfel, Zwetschgen und Weichsel konnten die Stadtgärtner rund um die Burg auch ernten.

Drei Meter dickes MauerwerkIn der Beschreibung heißt es weiter: "Das Mauerwerk ist in der Hauptsache gut und massiv, im Souterrain (Kellergeschoß) drei Meter stark. " Die Holzkonstruktion des Daches stufte Velhorn als gut ein. Festgelegt wurde in dem Ersteigerungsvertrag, dass das Gebäude "wegen seines historischen Charakters weiterhin zu konservieren ist, die Bedachungen und die Umfassungsmauern in gutem Zustand zu halten sind. " In der Urkunde ist zu lesen, dass die Stadt ausdrücklich die Verpflichtung übernimmt, für die Instandhaltung der Burganlage zu sorgen. Die Vertreter der Kommune unterschrieben zahlreiche Festlegungen der Denkmalpflege und der Renovierung. In der Hoffnung, dies auch stemmen zu können, hatten sie sich gründlich verschätzt.

Viel Freude hatten die Stadtväter mit ihrem neuen Besitz gewiss nicht. An der weitläufigen Anlage gab es ständig etwas zu reparieren. Das belegen verschiedene Dokumente in den Akten. So schrieb am 11. März 1896 der Schutzmann Joseph Schneider an den Magistrat: "Ich bringe aufgrund Mitteilung von Burgwart Joseph Burckhard zur Anzeige, dass das Dach auf dem Hauptgebäude der Willibaldsburg sich in ganz ruinösem Zustande befindet. " Notiz von Bürgermeister Karl Schneider: "Ist für Abhilfe zu sorgen. " Das klingt simpel, hat aber bestimmt ein Loch in den Stadtsäckel gerissen. Öfter ist es vorgekommen, dass von der Burgmauer Steine ins Tal fielen und Gebäude der Hofmühl beschädigten. Reparaturbedürftig waren auch die Fenster.

Allerhand Ärger hatte schon der vorherige Nutzer, das königliche 1. bayerische Armeekorps. So wurde geklagt, dass Schüler "in die Burg eindringen und Schäden anrichten". Sie würden die Bastionen erklimmen und sich selbst in Gefahr bringen. In den Räumen würden sie rauchen und Stroh verbrennen. Ein Brief ging an die Katholische Knabenschule mit der Bitte, die Lehrer sollten entsprechend auf die Buben einwirken.

Über den Kauf der Burg durch die Stadt wurde in den bayerischen Zeitungen berichtet. So gingen im Rathaus mehrere Anfragen von Firmen und Institutionen ein, die Interesse an der Anmietung von Räumen zeigten. Zu einem Abschluss kam es nicht. Jedoch wurde dem Militär zugestanden, bei Manövern Soldaten im städtischen Teilbereich unterbringen zu dürfen, anstatt sie in Privatwohnungen einzuquartieren. Ebenso wurde Vorsorge getroffen beim Ausbruch der Cholera Räume mit Kranken belegen zu können.

Staat kaufte die Burg zurückIm August 1900 schloss die Stadt mit dem Bayerischen Staatsärar einen Vertrag über den Verkauf der Willibaldsburg, außer dem südöstlichen Teil, der ohnedies im Besitz des bayerischen Militärs war. Geschichtsschreiber Oskar Freiherr Lochner von Hüttenbach: "Endlich erbarmte sich die königliche Regierung und kaufte die Burg zurück. " Im EICHSTÄTTER KURIER ist im Mai 1900 zu lesen: "Die wenig leistungsfähige Stadt kann auf Dauer die Unterhaltung der Burg, der Zierde des Altmühltals, die zu den größten und schönsten in Bayern zählt, nicht leisten. Es besteht Gefahr, dass diese in absehbarer Zeit zusammenfällt. " Der Preis betrug 10000 Mark. Eingeschlossen waren alle Gebäude, Anlagen und Wege um die Burg. Festgeschrieben wurde noch, "im Falle der Veräußerung des Objekts hat die Stadt das Vorkaufsrecht". Bürgermeister war da bereits Edwart Mager, der sicher froh war, das große historische Bauwerk angebracht zu haben - und es in guten Händen zu wissen. Von einem Vorkaufsrecht schwärmte da in Eichstätt niemand mehr.

EK