Neuburg
Eine Geburt in Corona-Zeiten

Im Krankenhaus durfte Vicky Müller-Toùssas Mann ihr beistehen - Kein Besuch von Sohn Mavi erlaubt

30.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:26 Uhr
Wieder daheim: Vicky Müller-Toùssa und Maik Müller genießen die erste Zeit als vierköpfige Familie mit den Söhnen Mavi und Lion intensiv. Über Glückwünsche und Geschenke, die immer wieder am Gartenzaun hängen, freut sich die Familie ganz besonders. −Foto: Hammerl

Neuburg - Zuerst kam die Panik, dann das Vertrauen.

Hochschwanger durch die Corona-Krise - das war eine besondere Herausforderung. Dennoch fällt Vicky Müller-Toùssas Bilanz positiv aus. Am 20. April hat sie ihren zweiten Sohn bekommen.

Lion, 2890 Gramm leicht, 52 Zentimeter lang, ist pumperlgesund und munter. "Ich möchte in dieser schwierigen Zeit eine schöne Geschichte erzählen", so die 38-Jährige, die werdenden Müttern Mut machen will, indem sie ihnen sagt, "es sind zwar nicht deine Bezugspersonen im Krankenhaus, aber das Personal gibt sich unglaublich viel Mühe". Sie sei verstanden und mit Sensibilität behandelt worden, so dass sie überraschend gut mit den vergleichsweise einsamen Tagen im Krankenhaus klar kam. Ehemann Maik Müller fand es zwar auch schade, dass der zweieinhalbjährige Mavi nicht mit ins Krankenhaus durfte, glaubt jedoch, Besuch habe Vor- und Nachteile. Einerseits sei es schade, sein Glück nicht gleich teilen zu können, andererseits hätte seine Frau mehr Ruhe zur Erholung gehabt.

Mavi hat sich auf das Brüderchen gefreut und es gut angenommen, obwohl er seine Mama fünf Tage lang nicht sehen durfte. Das war das Schwierigste, auch für seine Mutter, die andererseits sehr dankbar dafür ist, dass ihr Ehemann sie besuchen und vor allem, dass er sie die ganze Zeit, schon Stunden vor der Geburt, im Krankenhaus begleiten durfte. Auch ohne Corona war die Schwangerschaft nicht leicht gewesen, langanhaltende, starke Übelkeit hatte ihr schwer zu schaffen gemacht und war erst mit einem neuen Medikament in Griff zu bekommen gewesen. "Ab da konnte ich die Schwangerschaft genießen", erzählt sie, "doch dann ging es mit Corona los. "

Als erstes durfte Mavi nicht mehr in die Kinderkrippe. Dann prasselten Informationen aus den Krankenhäusern auf die Hochschwangere ein. Väter dürften nicht mit zur Geburt, hieß es. In dem Punkt gab ihre Hebamme sofort Entwarnung mit der Aussage, dass Väter im Neuburger Krankenhaus bei der Geburt anwesend sein und später drei Stunden täglich auf Besuch kommen dürften, Geschwisterkinder allerdings nicht. Trotzdem begann die Neuburgerin über Alternativen nachzudenken, weil andere Krankenhäuser im Umland das strenger handhabten und sie fürchtete, dass auch die Klinik St. Elisabeth sich da noch anpassen würde.

So nahm sie Kontakt zum Geburtshaus in Ingolstadt auf. "Aber ist es schwierig, dort vier Wochen vor der Geburt anzufragen, ohne eine Hebamme zu kennen", berichtet sie, "und eine Hausgeburt nach einem Kaiserschnitt macht sowieso keiner. " Hinzu gekommen wäre die Fahrt nach Ingolstadt, weshalb sie die Idee schnell fallen ließ. "Dann habe ich darauf vertraut, dass Maik hier in Neuburg mitgehen darf", sagt die ausgebildete Schauspielerin und verrät lachend, dass sie sich bereits herzzerreißende Szenarien ausgemalt hatte, in denen sie sich im Krankenhaus an ihren Mann festklammern und nicht von ihm trennen lassen würde. Zum Glück blieb ihr und dem Krankenhauspersonal eine solche Szene erspart. Maik Müller durfte sie während der fast achtstündigen Wehenzeit unterstützen, was ihr "unglaublich viel Stress abgenommen hat". Als dann doch Vollnarkose und ein Kaiserschnitt notwendig waren, war es für die Gebärende eine große Erleichterung, zu wissen, dass das Neugeborene gleich nach der Geburt dem Papa übergeben würde. "Ich bin unglaublich dankbar, dass uns das in der Klinik St. Elisabeth ermöglicht wurde", betont Müller-Toùssa. Natürlich sei es eine Einschränkung gewesen, während der Wehen nicht im Gang spazieren gehen zu dürfen, sondern die ganze Zeit im Zimmer zu verbringen. Viel wichtiger aber war ihr, das nicht allein durchstehen zu müssen, zumal vier Frauen mehr oder weniger gleichzeitig in den Wehen lagen und die Hebamme entsprechend wenig Zeit für jede Einzelne hatte.

Auch das Wochenbett ließ sich anders an als nach Mavis Geburt. Nach dem ersten euphorischen Tag folgte der Blues, weil die Besucher ausblieben - Eltern, Bruder und Freunde durften nicht kommen. Fotos, Videos und Chats waren nur bedingt ein Ersatz. "Du hältst dein Kind im Arm und kannst natürlich nicht dauernd mit dem Handy spielen", sagt Müller-Toùssa. Den kurzen, durch die Hormonumstellung bedingten Wochenbettblues nach der ersten Geburt hatte sie damals schnell überwunden - auch dank der vielen Besucher und der Möglichkeit, spazieren zu gehen, Körperkontakt und Umarmungen zu genießen, was sie wunderbar ablenkte. Nun ging ihr besonders ihr älterer Sohn ab, so dass sie bei der Visite auf die Frage, wie es ihr gehe, schließlich ehrlich "nicht gut" antwortete. "Sie haben mich sofort ernst genommen und Krankenhausseelsorgerin Angelika Heimisch geholt", erzählt Müller-Toussa. "Die Frau ist der Wahnsinn, sie hat mir unglaublich viel geholfen und mich aufgefangen. " Geholfen haben auch gute Bekannte, die Vicky Müller-Toùssa schon im Vorfeld rieten, sie solle die Situation annehmen, egal, wie sie sich entwickle. Selbst wenn der Ehemann nicht mit ins Krankenhaus gedurft hätte, es sei wichtig, das zu akzeptieren. Damit habe sie sich zunächst schwergetan. "Doch nachdem ich das mit dem Annehmen verinnerlicht hatte, war es auf einmal leichter, da war es gut", sagt sie rückblickend und zieht eine positive Bilanz, "auch wenn es nicht dasselbe ist wie Umarmungen, das Spüren anderer Menschen, ihre Mimik und Gestik aufzunehmen. "

Ein akzeptabler Ersatz ist der Kontakt zu Freunden und Verwandten über soziale Medien. Auch jetzt, wo die Familie zu Hause glücklich vereint ist, finden Freunde Ersatzwege, um Kontakt zu halten. Immer wieder hängen am Gartenzaun Geschenke und Glückwünsche, die vorbeigebracht werden - kontaktlos. "Man ist kreativer und findet einen Weg", freut sie sich, "es ist nicht dasselbe wie persönlich, aber total toll. "

SZ