Eine Fünfer in Mathe und viele Tränen

23.07.2009 | Stand 03.12.2020, 4:47 Uhr

Ingolstadt (DK) Ein Euro für Bildung – wenn jeder Ingolstädter diese Summe geben würde, dann wäre ein Projekt auf Jahrzehnte gesichert, das schon vielen Kindern aus nicht so begüterten Familien geholfen hat: den Fünfer im Mathe loszuwerden, nicht sitzen zu bleiben oder den Quali zu schaffen.

In diesem Schuljahr wurde die Aktion "Ein Euro für Bildung" vom Jugendmigrationsdienst aus Mitteln der Bürgerstiftung finanziert. 5000 Euro standen zur Verfügung. Zur Abschlussrunde im Stadtteiltreff im Augustinviertel hatte Karoline Schwärzli-Bühler nicht nur alle Beteiligten eingeladen, sondern auch Stiftungsreferent Helmut Chase. Der bearbeitet ehrenamtlich alle Förderanträge, die an die Bürgerstiftung herangetragen werden. Immerhin werden pro Jahr 60 000 Euro ausgeschüttet – eine Menge Geld für wohltätige Zwecke. Doch in der Regel wird jedes Projekt nur einmal bedacht.

Hilfe für Alleinerziehende

Vielleicht wird diesmal eine Ausnahme gemacht? Denn was die Eltern und Jugendlichen bei diesem Treffen erzählten, ging wirklich unter die Haut und sagte mehr aus als jede Evaluation. Eine Mutter brach sogar in Tränen aus, die mehr als alle Worte ihre Dankbarkeit ausdrückten. Jeden Samstag seien ihre beiden Söhne zu den privaten Unterrichtsstunden gegangen, ihr Ältester habe jetzt sogar den Quali geschafft, der Jüngere mache endlich Fortschritte in Mathe. "Ich als allein erziehende Mutter kann mir keine Nachhilfe leisten. Deshalb hoffe ich, dass es nächstes Schuljahr weitergeht."

Beeindruckend auch der Auftritt von drei Gymnasiastinnen: Schaparei besucht die 12. Klasse am Apian-Gymnasium und gibt ehrenamtlich Nachhilfe in Mathe und Physik. Ohne ihre Hilfe wäre Mirella fast durchgefallen: "Ich hatte drei Fünfer – aber bei der letzten Mathe-Schulaufgabe war ich Klassenbeste", erzählt das Mädchen stolz. "Jetzt möchte ich mich revanchieren und anderen helfen." Auch Stefanie hat sich dank Schaparais Unterstützung in Mathe von einer Fünf auf eine Zwei verbessert.

Und so meldeten sich einer nach dem anderen zu Wort: Inci Cavgin, deren Sohn die Abschlussprüfung bei Audi geschafft hat, Cemil Karaman, dessen kleine Tochter Berra jetzt endlich besser Deutsch kann und in die dritte Klasse kommt oder die 19-Jährige Violetta, die erst seit vier Jahren in Deutschland lebt und trotzdem die Fachoberschule schaffen will. "Ich gehe jeden Samstag zu Tanja, und sie hilft mir, die Sprache zu lernen."

Oft geht es für die jungen Migranten nur darum, das Lernen zu lernen, sich im deutschen Schulsystem zurechtzufinden, sich gezielt auf Prüfungen vorzubereiten. "Wir sind deshalb auch keine Konkurrenz zu Nachhilfeinstitutionen und bieten auch keine Hausaufgabenbetreuung im herkömmlichen Sinne an", betont Mehmet Celik vom Jugendmigrationsdienst. "Unser Ziel ist, dass die Jugendlichen selbstständig werden."

Schüler und Studenten helfen bei "Ein Euro für Bildung" mit, sogar eine Lehrerin, die zwei Kinder betreut, oder Veronika Dick, die bei der Stadt Ingolstadt arbeitet und einfach etwas anderes neben dem Beruf machen wollte. Außerdem weiß sie aus eigener Erfahrung, wie schwer es Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien haben: "Ich ging in die zweite Klasse, als wir nach Deutschland kamen, und hatte null Sprachkenntnisse. Damals gab es keine Hilfe, und das war schon schwierig." Veronika Dick unterstützt einen zwölfjährigen Buben, der aus Taiwan stammt, bei den Hausaufgaben.

Freiwillige gesucht

Dass viele Menschen Bedenken haben, sich ehrenamtlich zu engagieren, kann die junge Frau nicht nachvollziehen. "Diese Stunde am Samstag, die schafft man locker. Mittlerweile hab’ ich mich auch schon mit der Familie angefreundet und freu’ mich auf die Besuche." Freuen würde sich der Jugendmigrationsdienst über neue Freiwillige für das Projekt – und natürlich auch über Spenden für "Ein Euro für Bildung".