Ingolstadt
Eine Frage der Schulpflicht

Das Ordnungsamt kann disziplinlose Schüler mit einem Verwarnungsgeld belangen - 2017 war das 500-mal der Fall

01.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:45 Uhr

Zehn Euro: Dieser vom Absender anonymisierte Bußgeldbescheid kursiert im Internet. - Foto: Facebook

Ingolstadt (sic) Internetnetzwerke liefern viele Vorteile und Unterhaltung, aber auch gigabyteweise Schmarrn, Falsches und unbedingt Löschenswertes. Ständig wird sich volltönend (oft auch verletzend) aufgeregt. Empörung schaukelt sich hoch bis zur Hysterie. Ein Sturm der Entrüstung, der diese Woche losgebrochen ist und einen Bezug zu Ingolstadt hat, lohnt der Erwähnung, denn es scheint, dass viele Betroffene oder potenziell Betroffene nicht wissen, was dahintersteckt.

Auf Facebook zieht derzeit ein abfotografiertes und anonymisiertes Verwarnungsschreiben des Ingolstädter Ordnungsamts seine Kreise. Eine Jugendliche, die eine Schule im Süden der Stadt besucht, wird dazu aufgefordert, zehn Euro Bußgeld zu bezahlen, weil sie zwischen September 2017 und Februar 2018 sechs Mal zu spät zum Unterricht erschienen ist. Insgesamt fehlte sie 26 Minuten. Für das Amt ist das eine Ordnungswidrigkeit nach . 56 Ordnungswidrigkeitsgesetz.

"Unmöglich. Nicht zu fassen. Das ist ja wohl Kindergarten!", tönt es in den Kommentaren. Es gibt aber auch Zustimmung wie: "Völlig richtig!". Oder: "Das sollten sie bei uns in der Arbeit auch mal einführen!" Offenbar ist nicht jedem klar, dass dieses Prozedere üblich ist. Denn es besteht bis zum Ende der neunten Klasse Schulpflicht, und die hat der Staat durchzusetzen. Deshalb darf das Ordnungsamt chronische Zuspätkommer und Schulschwänzer (die im Behördendeutsch Unterrichtsvermeider heißen) mit einem Verwarnungsgeld belangen.

Das Staatliche Schulamt Ingolstadt ist nicht an diesen Verfahren beteiligt, aber dessen Leiter Edmund Rieger kann den Hintergrund erklären: Nach Artikel 119, Absatz 1, des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG) müssen alle Schüler regelmäßig am Unterricht sowie an Schulveranstaltungen teilnehmen. "Wer zu spät kommt, stört den Unterricht." Die Schulen hätten die "Pflicht nachzuforschen, was da los ist", sagt der Schulamtsdirektor. Das gelte genauso für Schulschwänzer. "Unentschuldigtes Fehlen muss aufgelistet werden. Die Schulen entscheiden dann nach eigenem Ermessen, ob sie diese Fälle dem Ordnungsamt melden. Da gibt es für sie keine Vorschriften."

Rieger betont: "Unentschuldigtes Fehlen und Zuspätkommen sind grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit. Letztendlich sind die Eltern beziehungsweise die Erziehungsberechtigten dafür verantwortlich. Diese und nicht die Kinder können vom Ordnungsamt mit einem Bußgeld dafür zur Verantwortung gezogen werden." Dies passiere im Regelfall aber nur bei "notorischen Schwänzern, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind".

Die Schulen arbeiten laut Rieger mit dem Jugendamt und anderen Organisationen "in einer konzertierten Aktion daran, wie man Schulvermeidern unterstützend begegnen kann". Dabei seien die unentschuldigt Fehlenden nur eine Teilmenge. "Das Problem ist vielschichtiger, als die Öffentlichkeit das wahrnimmt. Grundsätzlich stehen dabei Ursachenforschung und Hilfestellung durch Fachdienste im Vordergrund", so der Schulamtsdirektor.

Im Jahr 2017 hat das Ordnungsamt 500 Bußgeldverfahren gegen Schüler eingeleitet - verteilt über alle Schularten und mit Wiederholungsfällen, so Michael Klarner, der Sprecher der Stadt. Insgesamt gibt es in Ingolstadt rund 20 000 Schüler. "Der Rahmen reicht von 5 bis 1000 Euro." Die Höhe des Bußgelds hänge davon ab, wie oft und wie lang ein Schüler geschwänzt hat, und ob er oft zu spät kommt. Es sei auch "ein Klassiker", wenn Eltern schon einen Tag vor Ferienbeginn mit ihren Kindern eine Urlaubsreise antreten. "Deshalb wird da auf Flughäfen kontrolliert."

Das Unterrichtsgesetz legt fest, dass ein Verstoß gegen die geforderte "regelmäßige Teilnahme" am Unterricht eine Ordnungswidrigkeit ist: "Wenn die Disziplinarmaßnahmen der Schule nicht mehr greifen, kann sie diesen Fall dem Ordnungsamt melden. Das leitet dann ein Bußgeldverfahren ein." Als letztes Mittel müsse die Polizei Schwänzer zur Schule bringen. Aber auf diese Amtshilfe hat das Ordnungsamt laut Klarner noch nicht zurückreifen müssen.