Ingolstadt
Eine bittere Pille

Die Zahl der Apotheken nimmt auch im Raum Ingolstadt ab In Eichstätt ist die Situation stabil

02.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:52 Uhr

"Apotheken sind nicht zuletzt ein sozialer Treffpunkt", sagt der Ingolstädter Apotheker Christian Pacher. Er sieht die flächendeckende Versorgung in Gefahr, weil immer mehr seiner Kollegen schließen. - Foto: Greiner

Ingolstadt (DK) Ein Apothekensterben herbeizureden, wäre zu viel. Aber ihre Zahl geht bundesweit zurück, 2017 auf 19 748. Das bedeutet 275 weniger als 2016 und den tiefsten Stand seit 1987. Der Trend macht vor der Region Ingolstadt nicht Halt, wo es fast in allen Landkreisen weniger Apotheken gibt.

Am Freitag meldete sich der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Friedemann Schmidt, zu Wort und wies auf diese negative Entwicklung hin. Auch der Trend zur Eröffnung von Filialen - Apotheker in Deutschland dürfen neben ihrem Hauptgeschäft bis zu drei Zweigniederlassungen in enger räumlicher Nähe betreiben - schwäche sich ab. Ein Rückgang, der Schmidt besorgt. Wenn so viele Apotheker keine Perspektive mehr sehen, liege das neben dem Wettbewerb "an den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. Derzeit haben wir eine flächendeckende Versorgung. Wenn wir uns aber auf Dauer bei rezeptpflichtigen Medikamenten einen unsinnigen Preiswettbewerb mit ausländischen Arzneimittelversendern liefern müssen, wird das nicht mehr so bleiben", warnt er.

Die Stoßrichtung der Apotheker-Bundesvereinigung ist klar: Versandhändler müssen sich seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 nicht mehr an die einheitlichen Preise halten, die für Präsenzapotheken bei verordneten Medikamenten gelten. "Deshalb brauchen wir dringend ein Gesetz, das wieder einheitliche Preise bei rezeptpflichtigen Medikamenten herstellt. Möglich wird das über ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln", sagt Schmidt.

Einheitliche Preise bei rezeptpflichtigen Medikamenten wünscht sich auch die bayerische Landesapothekerkammer. "Die Zahl der Apotheken ist auch in Bayern gesunken", erklärt ihre Sprecherin Martha-Henriette Binder - allein in den vergangenen fünf Jahren von 3347 auf 3179. Noch funktioniere die Versorgung der Bevölkerung. "Das gilt auch für den Nacht- und Notdienst." Das Netz dürfe aber nicht weiter ausgedünnt werden, wenn das so bleiben soll. Laut Erhebung der Landesapothekerkammer ging die Zahl der Apotheken in Ingolstadt zwischen 2007 und 2017 von 33 auf 31, im Kreis Neuburg-Schrobenhausen von 22 auf 21, und im Kreis Pfaffenhofen von 29 auf 26 zurück. Im Raum Eichstätt und Aichach-Friedberg blieb die Zahl mit jeweils 24 konstant.

"Es geht nicht darum, Pfründe zu verteidigen", macht Christian Pacher als Sprecher der Ingolstädter Apotheker deutlich. Er möchte nur gleiche Bedingungen für alle und sieht "die Nahversorgung in großer Gefahr. Besonders kleinere Apotheken in Vororten oder auf dem Land seien von einem gewissen Grundumsatz abhängig. "Mit dem Internethandel kommen aber immer weniger Kunden. Das kann auf Dauer die Existenz gefährden - es wird sich wie in vielen Bereichen entwickeln: Die Kleinen werden nach und nach zumachen, und die Großen noch größer werden." Zwei der fünf Großhandlungen, die deutsche Apotheken mit Nachschub versorgen, seien bereits in der Hand amerikanischer Kapitalunternehmen. "Am Ende werden einige wenige die Preise diktieren, auch im Online-Handel."

Die Entwicklung werde besonders die flächendeckende Nahversorgung betreffen, "ich sehe sie in großer Gefahr", sagt Pacher. Er bedauert das nicht nur, weil die Menschen weniger fachkundige Beratung erhalten. "Apotheken sind soziale Treffpunkte, auf dem Land gibt es doch kaum noch Bäckereien oder Metzgereien. Auch das wird verloren gehen."

"Die Städte werden weniger betroffen sein, aber in der Fläche kann die Entwicklung zum Problem werden", schließt sich Apotheker Thomas Fentner aus Eichstätt an. "Die Zahl der Apotheken ist zwar in unserem Kreis gleich geblieben, aber wie es dem einzelnen geht, ist die andere Frage." Sein Kollege Michael Feistner, Sprecher für die Apotheken im Raum Pfaffenhofen, spricht ein anderes Thema an: "Es ist inzwischen gar mehr so einfach, genug qualifiziertes Personal zu finden."

Apotheker Nicolaus Weigl aus Neuburg sieht das dicke Ende erst noch kommen: "Wenn die Apotheker meiner Generation einmal in Rente gehen, werden sie kaum jemanden finden, der ihnen den Laden abnimmt, weil die Ertragslage völlig unklar ist. Das Risiko will kein Käufer übernehmen. Es gibt inzwischen so viele Auflagen, die durchaus sinnvoll sein mögen, aber viel Zeit und Geld kosten", sagt der 68-Jährige. "Manchmal bleibt dem Selbstständigen nicht mehr Ertrag als ein angestellter Apotheker erhält. Die Apothekerei macht immer noch sehr viel Spaß, aber die Umstände und Bürokratie erschweren es einem gewaltig."