Dollnstein
Eine Betonkuh, die täglich Futter braucht

Die Biogasanlage von Josef Kerner erzeugt Strom für 1700 Haushalte im Jahr - Nicht gerade beliebt

26.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:54 Uhr
In die Landschaft gestellt: die große Haube der Biogasanlage beim Dollnsteiner Weiher. −Foto: Redl

Dollnstein (EK) Er ist wahrlich nicht der beliebteste Mitbürger. Das weiß Josef Kerner. Und dennoch ist er von seinem Tun überzeugt. Kerner hat vor 14 Jahren eine Biogasanlage zwischen Dollnstein und Ried errichtet, mit der er im Jahr etwa sechs Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt.

Die Anlage in unmittelbarer Nähe zur Dollnsteiner Freizeitanlage Weiher und Skigebiet sowie fast direkt am Einstieg zum sogenannten Jägersteig, einem bei Wanderern beliebten Steig durch das Naturwaldreservat Beixenhart, macht sich zweifelsohne etwas monströs aus. Eine riesige Kuppel dominiert schon von Weitem das Landschaftsbild, gewaltige Halden aus gepresstem Gras und Mais sind sichtbar, und dann und wann weht auch ein leichter Geruch nach Vergorenem durch die Luft. Am Eingang zu der (noch nicht eingegrünten) Anlage fällt ein Schild ins Auge: "Hausverbot" steht darauf geschrieben, darunter fünf Namen, für die das Verbot ausdrücklich gilt. "Die haben mich und meine Frau immer wieder provoziert und belästigt", sagt der 48-Jährige, der inzwischen aus dem väterlichen Anwesen mitten im Dorf in sein direkt neben der Anlage errichtetes Wohnhaus gezogen ist.

Mit der Biogasanlage, so sagt Kerner, habe das Hausverbot direkt nichts zu tun. Da gehe es eher um Zwistigkeiten mit der Jägerschaft. Indirekt allerdings, so ist seinen Äußerungen zu entnehmen, haben die verbalen Scharmützel, auf die das Hausverbot zurückgeht, doch ihren Ursprung in den Ideen von Kerner, die seit Generationen mit der Familie verbundene Landwirtschaft auch an die nächsten Generationen weiterzugeben. Und mit seinem doch irgendwie brachialen Bruch mit der herkömmlichen Bewirtschaftung der Felder und Wiesen und der Haltung von Tieren zur Milch- oder Fleischproduktion sowie dem Begehen völlig neuer Wege hat sich der gelernte Landwirtschaftsmechaniker nicht nur Freunde in seinem Dorf gemacht.

"Das Unmögliche denken, um das Mögliche zu erreichen."

Motto von Josef Kerner

 

 

Neben dem nicht zu übersehenden Eingriff in das Landschaftsbild war es in den Anfangsjahren der Energiewirtschaft Josef Kerner GmbH, wie der Betrieb heißt, mit seinen 2,5 Vollzeitbeschäftigten und vier Mitarbeitern auf 450-Euro-Basis vor allem der Geruch, mit dem die Anlage die Menschen nicht nur in Dollnstein, sondern auch in der weiteren Umgebung mehr als nur belästigte. "Zum Teil unzumutbar und bestialisch" sei dieser gewesen, räumt Kerner ein. Das sei aber auch seiner damaligen Unerfahrenheit und dem relativ bescheidenen Wissen über das Funktionieren einer derartigen Anlage geschuldet gewesen. 2008 ging das sogar so weit, dass der Kernersche Betrieb zum Leidwesen der Bevölkerung so gewaltig zum Himmel stank, dass sich eine Bürgerinitiative bildete, Unterschriften gesammelt wurden und das Landratsamt als Immissionsschutzbehörde kurz davor stand, den Betrieb zu schließen. "Ich stand knapp vor der Pleite", erinnert sich Kerner.

Nach und nach, mit der Unterstützung eines Biologen und einigen Investitionen, bekam der inzwischen zum Landwirtschaftsmeister ausgebildete Kerner die Anlage in Griff. Heute geht kaum noch eine Geruchsbelästigung von der Strom- und Wärmeerzeugungsstätte aus, wie auch Dollnsteins Bürgermeister Wolfgang Roßkopf bestätigt. Die Aufregung um den Gestank habe sich weitgehend gelegt, so Roßkopf. Das sollte auch so sein: "Von einer reibungslos funktionierenden Biogasanlage darf eigentlich kein Geruch ausgehen", sagt Kerner. Mit ihr sollen Strom und Wärme erzeugt werden - nachhaltig, regional, umweltschonend, wie er bekräftigt. Strom aus nachwachsenden Rohstoffen.

Heute erzeugt Kerner mit seiner Biogasanlage etwa sechs Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr, der in das Netz der N-Ergie eingespeist wird. Damit kann der Bedarf von 1700 Haushalten gedeckt werden - unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder Wind weht. Mit der in etwa gleich großen Menge an Wärme beheizt Kerner neben seinem eigenen Wohnhaus, dem Büro und den Aufenthaltsräumen in der Anlage auch eine Hackschnitzeltrocknungsanlage auf seinem Betriebsgelände. Und er versorgt das etwa 300 Meter entfernte Rohrdorfer Betonwerk, in dem Betonfertigteile hergestellt werden. Das in der Biogasanlage erzeugte Methangas wird dort durch ein Blockheizkraftwerk in Wärme umgewandelt, mit der die Trocknungsanlage des Betonwerks beheizt wird.

Um die Menge an Strom und Wärme produzieren zu können, verwendet Kerner Mais (55 Prozent), Gras (25 Prozent) und Ganzpflanzensilage (beispielsweise Futtergetreide), das größtenteils auf eigenen Flächen angebaut wird. Mit einer Anbaufläche von 55 Hektar hat Kerner 2004 die Anlage mit zwei Silos gestartet; 2010 konnte er die Anbaufläche durch Zupachtungen auf 220 Hektar vergrößern. Inzwischen musste er wieder reduzieren: Ein Teil der bisherigen Vertragspartner ließ den Kontrakt auslaufen und entschied sich für einen anderen Vertragspartner. Etwa 50 Hektar Anbaufläche hat Kerner dadurch verloren. Die Menge an Mais oder Gras muss er jetzt zukaufen. Am Pachtzins habe es nicht gelegen, so Kerner. Da seien wohl andere Gründe ausschlaggebend gewesen.

Denn der Ärger um den Betrieb ist noch nicht gänzlich verflogen. Vor allem in der Erntezeit zieht der Energiewirt den Groll einiger Dollnsteiner auf sich. Wenn der Mais auf dem Feld gehäckselt und auf seinem Betriebsgelände siliert werden muss, herrscht über Tage Hochbetrieb auf den Straßen in und um Dollnstein. Dann nämlich sind von Kerner angeheuerte Lohnunternehmen mit ihren riesigen Schleppern samt Hängern im Minutentakt unterwegs - sehr zum Unwillen von Teilen der Bevölkerung.

Für diesen Unmut bringt Kerner weniger Verständnis auf. Das sei auf wenige Tage im Jahr begrenzt, sagt er. Die Anlage, die heute sechs Gärsilos mit einer Gesamtfüllmenge von etwa 10500 Kubikmetern umfasst, ist gefräßig. 40 Tonnen Silage füttert Kerner täglich zu - 365 Tage im Jahr. Eine gewaltige Menge.

"2008 stand ich knapp vor der Pleite."

Josef Kerner

 

Der bei der Strom- und Wärmeerzeugung in der Biogasanlage anfallende "Abfall" wird wieder dem natürlichen Kreislauf zugeführt. Kerner vermeidet das Wort Abfall, er spricht von "Gärrest". Ein Stoff, der wertvolle Substanzen enthält und - in flüssiger wie fester Form - als Dünger auf den Feldern und Äckern Verwendung findet. Dadurch, so sagt Kerner, "kann ich auf die üblichen Düngemittel, wie sie in der Landwirtschaft Verwendung finden, verzichten". Auch was den Einsatz von sogenannten Unkrautvernichtern betrifft, hält sich der Energiewirt zurück: "Bei uns wird maximal ein Fünftel von dem ausgebracht, was ein normaler Bauer auf seine Äcker und Felder streut und spritzt." Ganz verzichten kann aber auch er nicht darauf - auch nicht auf das umstrittene Glyphosat, wie er einräumt.

Dennoch: Mit seiner etwas anderen Art der Landwirtschaft ist Josef Kerner überzeugt, einen nachhaltigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Immerhin 12000 Tonnen CO2 spart er eigenen Angaben zufolge jährlich durch seine Art der Strom- und Wärmeerzeugung ein.

"Das Unmögliche denken, um das Mögliche zu erreichen." Dieses Motto hat den Land- und Energiewirt sein Leben lang begleitet. Dass er dafür etwa 3,5 Millionen Euro investiert hat und jährlich weitere Tausende von Euro in seine Anlage steckt, hat ihn noch nicht davon abgehalten, sein Lebensmotto weiter zu leben. Kerner wird hartbäckig an der Verbesserung und Optimierung seiner Betonkuh feilen - auch wenn dies dem einen oder anderen Dollnsteiner nicht gefallen mag.

 

DATEN & FAKTEN

Biogas entsteht in Biogasanlagen durch den biologischen Abbau von Biomasse. Verwendet werden vor allem landwirtschaftliche Substrate wie Gülle und Stallmist oder Energiepflanzen (Mais, Roggen, Zuckerrüben), aber auch organische Reststoffe wie Rasenschnitt, Speisereste und Nebenprodukte der Lebensmittelherstellung. Bei der "Kerner Energiewirtschaft GmbH" in Dollnstein kommt vor allem Mais, Gras und Ganzpflanzensilage zum Einsatz. In luftdicht abgeschlossenen Gärbehältern - den "Fermentern" - wird mit Hilfe von Bakterien ein Vergärungsprozess angeregt und Biogas erzeugt. Dieses Gas wird beispielsweise in Blockheizkraftwerken zu Wärme oder zu Strom umgewandelt. Die eingesetzten Bakterien gleichen denjenigen, die auch im Verdauungstrakt einer Kuh vorhanden sind.

Die Entwicklung: Bis zum Jahr 2000 standen in Deutschland gut 1000 Biogasanlagen. Ende 2017 erzeugten über 9000 Anlagen knapp 33 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Biogasstrom jährlich und versorgten über neun Millionen Privathaushalte mit Strom - zuverlässig und erneuerbar ( Quelle: Fachverband Biogas ).

Im Kreis Eichstätt gibt es derzeit 44 Biogasanlagen ( Quelle: Landratsamt ). In ihnen wird Strom in einer Menge von etwa 238,4 Millionen Kilowattstunden pro Jahr erzeugt.