Erkertshofen
Eine "Anton-begeisterte" Pfarrei

Mit dem Bau der Antoniuskapelle in Erkertshofen häufte sich der Taufname des Heiligen – Anfänge nur vage bekannt

11.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:12 Uhr

Die im Jahr 1785 neu erbaute Antoniuskapelle; die Aufnahme stammt etwa aus dem Jahr 1910 vor dem im Jahr 1914 abgeschlossenen Neubau. - Foto: Repro Kögler/Staatsarchiv Nürnberg

Erkertshofen (EK) Manches von dem, was zur Geschichte der Antoniuskapelle bei Erkertshofen als gesichert galt, hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Es fehlen zeitnahe Zeugnisse.

Erste Anhaltspunkte gibt Pfarrer Matthias Lachermeyer, der 1781 nach Erkertshofen gekommen war. Schon in den Anfangswochen fiel ihm die altersschwache, dem heiligen Antonius geweihte Kapelle am Waldrand westlich des Dorfes auf, um die sich niemand kümmerte. Bei seinen Nachforschungen unter den ältesten Ortsansässigen hatte er mit dem 75-jährigen, früheren Wagnermeister Richard Gabler Glück, dessen Aussagen er in einer Erinnerungsnotiz (Pro memoria) festhielt und im Pfarrarchiv hinterlegte: „Jene Capellen... habe Johannes Leithner, Maurer alhier, um das Jahr 1711 oder 1712 aufgerichtet, und seye er Gabler als ein Bub von 5 bis 6 Jahr alt öfters hinunder gelofen, und habe ihme Leithner zugesehen: aber ob vor Zeiten ein Capelln aldorth allschon gestanden, oder der Leithner solche ganz neu dahin gebauet habe, wisse er nicht.“

Damit war das Baujahr in etwa ermittelt. Die Bemerkung am Schluss, die den Verfasser einer umfangreichen Pfarrchronik von Erkertshofen, Pfarrer Johann B. Distelberger (1888 – 1902 in Erkertshofen), zur vagen Spekulation verleitete, man könne „nicht unschwer der Mutmaßung Raum geben, es sei an diesem Platze ursprünglich eine Klause gewesen“, verfolgte Lachermeyer nicht weiter.

Zu Recht, denn es gibt in der ganzen Umgebung keinerlei Anhaltspunkte für einen Eremiten und dessen Behausung, die eine solche Annahme stützen könnten, anders etwa in St. Egid (Pfarrei Raitenbuch). Viel wichtiger war für Lachermeyer, dass sich nun die Errichtung der Kapelle an einem Namen festmachen ließ. So merkte er – vielleicht etwas vorschnell – beim Sterbebucheintrag von Johann Leitner, der am 6. Dezember 1742 mit „97 Jahren“ gestorben war, an: „Dieser hat die Antoniuskapelle erbaut.“ Beim Alter scheint der seinerzeitige Pfarrer zu hoch gegriffen zu haben, denn nach den Emsinger Taufmatrikeln wurde er dort am 2. Februar 1662 geboren und lebte somit eher 79, tatsächlich aber 80 Jahre.

Ein kurzer Abstecher in die nicht uninteressante Genealogie des Stammes Leitner sei in diesem Zusammenhang erlaubt. Der Vater Christoph Leitner, von Beruf Zimmermann, ein katholischer Auswanderer aus – nach eigener Aussage – „Menser (= Mondsee) im Landl ob der Enns“ heiratete 1658 die Bauerntochter Kunigunde Köppl von „Hörl“ (= Herlingshard) und versuchte sich in Emsing häuslich niederzulassen. Von den vier dort geborenen Buben lernten die beiden ältesten das Maurerhandwerk, ein damals nördlich von Eichstätt rarer Berufszweig.

Martin Leitner fand 1697 in Wörmersdorf – wo im gleichen Jahr dessen Vater Christoph bettelarm starb – eine neue Heimat und wurde zum Stammvater eines im 18. Jahrhundert bedeutenden Maurergeschlechts, das im Auftrag und nach den Plänen des bischöflichen Hofbaumeisters Gabrieli unter anderem die Kirchenbauten in Esselberg, Gungolding, Hirnstetten und Weigersdorf ausführte. Der zweitälteste Sohn, unser Johann Leitner, heiratete 1686 in Erkertshofen in ein kleines Anwesen ein (HsNr. 14, alte Zählung), und verdiente sich als Dorfmaurer, der auch einige Gesellen beschäftigte, seinen Lebensunterhalt. Mit zwei seiner Söhne, die als Maurer in die Fußstapfen des Vaters traten, starb Mitte des 18. Jahrhunderts in Erkertshofen der Stamm Leitner vorläufig aus.

War aber dieser Maurer Johann Leitner, dem der kleine Richard Gabler bei der Arbeit zuschaute, wirklich der Erbauer der Antoniuskapelle, „Erbauer“ im Sinne von „Stifter“ und „Auftraggeber“? Für Pfarrer Josef Maier stand es 1915 in einem Schreiben an das Bezirksamt Hilpoltstein jedenfalls außer Zweifel, „dass ein armer Maurer aus Devotion das Gebäude aufführte“, und seither hat sich an dieser Überzeugung nichts geändert. Der Bau einer Kapelle, nicht viel größer vielleicht als die früher üblichen Backöfen, dürfte damals für einen noch so mittellosen Maurer, auch was die Materialbeschaffung anbelangt, keine große Affäre gewesen sein. Die Kosten weiterer Handwerker ließen sich durch Gegenleistungen ausgleichen, auch der unentgeltlichen Überlassung des Platzes durch die Gemeinde dürfte sich für diesen frommen Zweck niemand widersetzt haben.

Die Bedenken liegen auf einer anderen Ebene. Eine Kapelle draußen in der Flur war in damaliger Zeit für Erkertshofen und die ganze Umgebung ein Novum. Auch mit dem Heiligen, Antonius von Padua, konnten die Leute wohl kaum etwas anfangen.

Vor 1710 wurde in Erkertshofen kein einziges Kind nach ihm getauft, und ab 1712 entwickelt sich dieser Name zu einem Renner, der sich während der nächsten fünf Jahrzehnte hinter den allseits geläufigen Johann und Josef den dritten Rang erobert und den Kirchenpatron Ägidius weit abgeschlagen in einen fast bedauernswerten Schatten stellt. Erklären lässt sich dies am ehesten dadurch, dass kirchlicherseits bei den Leuten für diesen Heiligen Stimmung gemacht und für ihn als volkstümlichem „Helfer in der Not“ geworben wurde, wofür am ehesten der Ortspfarrer infrage kam. Und da gaben sich in Erkertshofen ab 1708 tatsächlich gleich drei Pfarrer mit dem Vornamen Anton hintereinander sozusagen „die Klinke in die Hand“. Der letzte, Anton Rapp, blieb vier Jahre. Mit ihm erhielt die bisherige Frühmesse Erkertshofen nicht nur den ersten Pfarrer, sondern ihm ist es auch zuzutrauen, dass er sich mit einer Kapelle zu Ehren seines Namenspatrons ein bleibendes Denkmal setzte. Als er 1714 nach Kaldorf wechselte, wandelte sich auch dort bei der Namengebung das Bild von einer bis dahin Anton-losen in eine Anton-begeisterte Pfarrei.

Ob aber Maurermeister Johann Leitner doch ein Antoniusverehrer war? Keinen seiner fünf Söhne aus zwei Ehen ließ er auf diesen Namen taufen. Dass er bei der sicher auf Wohltäter-Basis errichteten Kapelle unentgeltlich arbeitete, ist nicht von der Hand zu weisen. Gesichert ist nur, dass er sie aufmauerte.

Kehren wir zu Pfarrer Lachermeyer zurück. Dieser hat drei Jahre nach den ersten Recherchen seine Pfarrkinder so weit, dass sie bei einem Neubau der Kapelle mitmachen. Im Mai 1784 schildert er dem Generalvikar deren Zustand, „so ziemlich ruinos, dass eine Ausbesserung nit wohl möglich ist“, und sucht um Erlaubnis nach, „solche Cappelen neu herstellen zu lassen“, nachdem „nit nur alhiesige, sondern die umligende Pfarr Gemeinden, ja gewisse Persohnen aus Eichstätt selbsten auf die Vorbitt S. Antonii schon vile Gnaden und Gutthaten von Gott erhalten haben und alles von den Gutthätern herbei geschaffen werden solle“.

Im August des Folgejahres kommt er mit einem neuen Anliegen, „wie mehrere Liebhaber, Pflegkinder und Verehrer S. Antonii de Padua verlanget, das er in der vorm Jahr ganz neu hergestellten Capelln ein so ander H. Mess ex voto lesen solle“. Er wolle daher „gehorsamst anfragen, ob er diesem andächtigen Begehren folg leisten dörfe“, da „die Capelle weder benedicirt multo minus consecrirt“ sei.

Nach erhaltener Erlaubnis zur Benediktion fand schließlich am Sonntag, 25. September 1785, unter Assistenz der Nachbarpfarrer von Titting und Wachenzell im Rahmen eines feierlichen Hochamts die Einweihung statt. Aus der früheren „Figur“ – so die damalige Bezeichnung für eine Feldkapelle – war eine geräumige, echte „Capelln“ geworden, in der neben einem Altärchen mit dem von Pfarrer Lachermeyer selbst gemalten Bildnis des Heiligen auch noch ein Tragaltar (Portatile) Platz hatte, der für jede Messfeier extra hergeschafft werden musste.

Natürlich gab das neue, fromme Werk auch der Verehrung des Heiligen neuen Aufschwung, was sich nicht zuletzt in der Namengebung der Buben ablesen lässt. Nach einer zehnjährigen Flaute setzte 1785 ein wahrer Antoni-Boom ein. Auch die Zahl der Besucher nahm zu, auch solcher, die es auf den Opferstock abgesehen hatten. Ein Jahr nach Weggang von Pfarrer Lachermeyer (1788) wurde das Schloss „gewaltsam erbrochen“. Vom Täter keine Spur. Pfarrer Hoegg schätzte zehn Gulden Diebesgut und meinte nur: Er habe den Opferstock wieder herrichten lassen und einstweilen „bezahlet, bis der hl. Antoni wieder ein Geld bekommet. Getröste mich also.“ Beim nächsten Pfarrerwechsel (1792) nahm der Schulmeister und Mesner Dominikus Fürsich „eigenmächtig“ und „keckmüthig“ das Opferstock-Geld mit und wollte es nicht mehr herausrücken.

Infolge der erlangten Messlizenz stieg die Wertschätzung der Kapelle enorm. Für Reparaturen und Verschönerungen gab es immer Spender, so auch 1824, als der erste Kreuzweg angeschafft wurde, allerdings „ohne damit verbundenem Ablass“, sondern „damit die Kapelle mehr mit Bildern geschmückt werde“. (Diese Aufwertung wurde erst dem zweiten Kreuzweg zuteil, den Pater Timotheus vom dafür privilegierten Franziskanerorden 1884 benedizierte.)

In den Folgejahren brach man auch mit einer jahrhundertealten Tradition und wählte als Ziel der Markusprozession (25. April) statt Emsing die Antoniuskapelle. Schon im ersten Jahr nach seinem Amtsantritt bat 1860 Pfarrer Georg Senz um die Erlaubnis für eine feierliche Sakramentsprozession am Sonntag vor oder nach Antonius (13. Juni), die jedes Jahr – auch von der politischen Gemeinde – neu beantragt werden musste, bis sie 1876 für alle Zukunft „agendenmäßig“ gestattet wurde.

Eine Generalrenovierung, bei der auch das alte Antoniusbild ersetzt wurde, erfolgte 1890. Als dieses am Ostermontag gesegnet wurde, war laut Pfarrer Distelberger der Andrang so groß, dass „keine 3 Personen mehr im Dorf waren, die nicht den Antonius geschaut hätten. Alle freuten sich.“

Wie groß muss da erst die Freude gewesen sein, als 14 Jahre später die neue Kapelle geweiht wurde und man ungefähr vier Wochen danach (10. Juli) dem zur Visitation anwesenden Eichstätter Bischof voller Stolz erklären konnte, dass die Planidee für dieses gelungene Werk von Professor Jakob Angermeier, Hauptkonservator am Amt für Denkmalpflege in München, stammt.

1913/1914 wurde die Erkertshofener Kapelle von Grund auf neu und deutlich größer gebaut und im August 1914 geweiht. Knapp 100 Jahre später, Anfang Juli 2014, wurde die Kapelle ein Raub der Flammen. Vor allem die Ausstattung war davon betroffen. Schaden: deutlich über 50 000 Euro. Nach umfassenden Renovierungsarbeiten wurde die Kirche erst Ende Mai 2015 wieder gesegnet – rechtzeitig zum Antoniusfest m Wochenende.