Schrobenhausen
"Eine Anlage einmaliger Geschlossenheit"

Helmut Eikam hielt beim Katholischen Frauenbund einen Vortrag über die Entstehung der Plattensiedlung

10.05.2019 | Stand 02.12.2020, 14:00 Uhr
Beim Frauenfrühstück des Katholischen Frauenbunds Schrobenhausen spracht Helmut Eikam über die Plattensiedlung. −Foto: Müller

Schrobenhausen (SZ) Vor gut 60 Teilnehmerinnen an einem Frühstück des Katholischen Frauenbundes Schrobenhausen hat Helmut Eikam einen Vortrag über die Entstehung der Plattensiedlung gehalten.

Er betonte, dass dieses Siedlungsprojekt zu den bedeutendsten und herausragendsten Projekten des sozialen Wohnungsbaus in ganz Bayern in der unmittelbaren Nachkriegszeit gehörte. Mit einem überwältigenden Einsatz eigener Arbeitskraft und gemeinschaftlicher Mithilfe an dem Gesamtprojekt, auch für jeweils andere Bauinteressenten, sei es gelungen der großen Zahl von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, die in den Jahren 1945 bis 1947 die Einwohnerzahl in Schrobenhausen zunächst annähernd verdoppelt hatte und die dauerhaft immerhin zirka 30 Prozent der Gesamtbevölkerung auch später noch gestellt hat, ein Dach über dem Kopf zu geben und Ihnen eine neue Heimat zu schaffen.

Ein Vergleich mit einem Siedlungsprojekt gleicher Art in Waiblingen ergab, dass die Plattensiedlung für einen monatlichen Finanzierungsbetrag von 35 DM ein Häuschen verschaffte, während in Waiblingen dafür 130 DM aufgewendet werden mussten.

Nach geographischen Überlegungen, wie es denn wohl zu der Bezeichnung "Platte" gekommen sein möge, ob dies gegebenenfalls die flache Stelle nach dem steilen Anstieg bis auf die Höhe der heutigen Umgehung der B300 und vor dem erneuten steilen Anstieg auf die Anhöhe, wo das Wasserreservoir liegt, bezeichnen solle, beschrieb der Referent, dass die Plattensiedlung mit einer Gesamteinwohnerzahl von gut 800 Leuten in den ersten fünf Bauabschnitten erstellt wurde. Insgesamt wurden es dann sieben Bauabschnitte und weit mehr als 1000 Menschen, die dort Wohnung bezogen. Die ersten planerischen Arbeiten wurden im Verlauf des Jahres 1948 vorgenommen und dann wurden im Verlauf des Jahres 1949 in einem ersten Bauabschnitt, für den sich schon 281 Siedlungswillige gemeldet hatten, 24 Doppelhäuser errichtet. Infolge der anhaltenden Wohnungsnot kamen dann immer weitere Bauabschnitte hinzu. Eikam beschrieb, dass die angekommenen Vertriebenen zunächst in Massenunterkünften eine vorübergehende Bleibe erhielten, wie beispielsweise in der alten Turnhalle (heutige Stadthalle), im Bräumichl-Saal und im Saal des Stiegelbräus, bevor sie dann in Privatwohnungen untergebracht werden konnten.

Aus der Schrobenhausener Zeitung von 1949 zitierte Eikam den seinerzeitigen Vorsitzenden der "Siedlergemeinschaft Miteinander-Füreinander Schrobenhausen und Umgebung e. V. ", Alfred Glatz, der mit einer vierköpfigen Familie in einem elf Quadratmeter großen Zimmerchen in Dreilinden untergebracht war und beschrieb die eigene Situation seiner Familie, die in einem Dachzimmerchen ebenfalls auf einer Fläche von nur zwölf Quadratmetern leben musste.

Außerdem zitierte er Charlotte Hartmann, die ebenfalls als Frau mit Fleiß, Einsatz und Eifer ihre Eigenleistungen für das Bauprojekt auf der Platte erbrachte und die ihren Fleiß damit begründete, dass sie "nur an das Loch in Sandizell zu denken brauche, wo sie in einem Raum zusammengepfercht waren und sechs Personen nachts auf Ratzenjagd gehen mussten - und schon fiel ihr die Arbeit leichter".

Der Referent beschrieb dann die für den ersten Bauabschnitt insgesamt erforderlichen Mittel, die einer Kalkulation zufolge, sich auf 950000 DM belaufen sollten. Von diesem Betrag wurden dann 730000 DM eingespart, dadurch, dass von Seiten der Stadt Schrobenhausen kostenloses Bauholz geliefert wurde, dass die Stadt an die Siedler kostenlos Sand und Kies lieferte, dass zum Teil Maschinen, soweit überhaupt solche vorhanden waren, kostenlos überlassen wurden, dass die Sägewerksarbeiten kostenlos vorgenommen wurden, dass insbesondere aber alle Arbeitsleistungen für die Errichtung des Baus, vom Ausheben des Kellers, was mit dem Spaten und der Schaufel geschah, bis zur zum Aufrichten des Dachstuhls von den Siedlern selbst in Eigenleistung erbracht wurde. Wobei jeweils alle Siedler für die Bauarbeiten eine gewisse Stundenzahl zu leisten hatten, die ursprünglich mit 1800 Stunden angegeben wurden, dann angehoben wurde auf 3000 Stunden und dann im Falle der bereits erwähnten Charlotte Hartmann sich bereits auf 4000 Stunden belief, die diese überaus fleißige Frau für sich und ihre anderen Siedler erbrachte.

Als großes Problem im Zusammenhang mit der Errichtung der Siedlung bezeichnete Eikam die Finanzierung. Im Zuge der Währungsreform sei die Geldmenge sehr begrenzt gewesen und damit auch die Gewährung von Krediten an Privatpersonen und auch an privatrechtliche Vereine problematisch, schwierig und nahezu unmöglich. Daher musste die Trägerschaft von der Stadt Schrobenhausen übernommen werden beziehungsweise durch die Oberbayerischen Heimstätten. Für diese Institutionen wurden Kredite gewährt.

Bemerkenswert sei auch das Vertrauen gewesen, das jeder der einzelnen Siedler seinen Mitbewerbern entgegengebracht hat. Die Kosten für das einzelne Haus hätten sich, hätte ein Unternehmer die Bauleistungen erbracht, auf mindestens 28000 DM belaufen. Unter Berücksichtigung der Zuwendungen der Stadt Schrobenhausen und insbesondere der umfangreichen Eigenleistungen ergab sich stattdessen für die Siedlungswilligen ein Betrag von 9000 DM, für den ein Siedler sein Häuschen erhielt.

Abschließend zitierte der Referent aus einem Schreiben der Ortsplanungsstelle für Oberbayern aus dem Oktober 1954, in dem diese Stelle die Gestaltung der Siedlungsanlage wird, lobend erwähnt mit den Worten: "Die Siedlung der Oberbayerischen Heimstätte an der Aresinger Straße stellt eine Anlage einmaliger Geschlossenheit und Großzügigkeit dar, wie sie in weitem Umkreis nicht mehr zu finden ist. Die Angerbildung erfolgte in Anlehnung an Vorbilder alter Dorfanlagen im schwäbisch-oberbayerischen Grenzgebiet, deren Reiz immer wieder von neuem Bewunderung erregt. So viel hier erinnerlich, wurde die andersartige Grünfläche der Siedlung auch noch längere Zeit nach deren Erstellung als Wiese genutzt. Der jetzt sehr reizvolle Blick auf die mit besonderem städtebaulichen Geschick angeordneten Gebäude würde verloren gehen, und das harmonische Siedlungsbild würde zerstört, der effektive Gewinn bestünde aber nur in drei Bauplätzen, würde man diesen Anger beseitigen und bebauen. "