Gerolsbach
Eindrücke aus erster Hand für "schwierige Abwägung"

24.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:55 Uhr

Im Gänsemarsch durchs Getreidefeld: Im Vordergrund Heinrich Pommé mit dem wertvollen Flächennutzungsplan unter dem Arm.

Gerolsbach (SZ) Eine knappe Stunde sah sich gestern der erste Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München in Gerolsbach das Gebiet an, auf dem als Baugebiet Steinleiten IV zwei Häuser gebaut werden könnten. Wie das Urteil ausfällt, ist aber weiterhin unklar.

UB-Chef Stefan Maurer – er hatte gegen Steinleiten IV Normenkontrollklage eingereicht – hatte den kürzesten Weg zum Treffpunkt: Er wohnt ja in der Jahnstraße, in direkter Nachbarschaft zum geplanten, neuen Baugebiet, in dem Angelika Weiland und ihre Schwester Michaela Obeser auf dem Grund ihrer Familie zwei Einfamilienhäuser errichten möchten (und mit dem auch ein Maurer-Grundstück überplant würde). Das Problem dabei: Die Bebauung käme noch ein wenig näher an die Hügelkuppe heran, was mit dem bayerischen Landesentwicklungsprogramm (LEP) nicht so leicht in Einklang zu bringen ist. Die Gemeinde argumentiert dagegen, mit dem neuen Mini-Baugebiet könne endlich an dieser Stelle eine vernünftige Ortsrandeingrünung geschaffen werden – die bisherige, die den Übergang von Steinleiten III in die freie Landschaft darstellen soll, sei ja nicht so gelungen.
 
Eindruck gewinnen
 
Vor einer "schwierigen Abwägung" sah dann auch Vorsitzender Richter Helmut König seinen Senat. Deshalb habe er auch Wert darauf gelegt, zusammen mit seinen beiden Beisitzern nach Gerolsbach zu fahren, um "einen allgemeinen Eindruck von den örtlichen Verhältnissen zu bekommen". Er sei schon der Ansicht, dass die Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplans alle Belange, die von Bedeutung sind, erkannt habe; die Frage sei nur, ob sie auch richtig abgewägt worden seien. König hatte bereits vor zwei Monaten bei der ersten Verhandlung am VGH in München darauf verwiesen, dass man die im LEP genannten Ziele mit Vorsicht genießen müsse. Aber auch "wenn es keine Ziele sein sollen, dann sind es zumindest Grundsätze", präzisierte König gestern, und diese Grundsätze müssten abgewogen werden.
 
Weizen? Getreide!

Wobei offensichtlich auch König diese Abwägung nicht so leicht fiel. Zusammen mit Vertretern der Gemeinde, Stefan Maurer, den Anwälten beider Seiten sowie Angelika Weiland und ihrer Familie umrundeten die Richter weitläufig das für Steinleiten IV vorgesehene Areal. Am Waldrand blickte König übers Feld auf Maurers Doppelhaus, das das Ende von Steinleiten III darstellt. "Viel sagen kann man da jetzt nicht. Wir müssen das auf uns wirken lassen", meinte der Vorsitzende Richter, der danach beim Diktat eine kleine Wissenslücke im landwirtschaftlichen Bereich offenbarte: " . . . sind die Häuser zum Teil durch den Weizen – ist das überhaupt Weizen? Schreiben Sie ,Getreide – verdeckt . . ."

Auf dem Rückweg zur Jahnstraße, ungefähr da, wo einmal die Streuobstwiese am Rande von Steinleiten IV hinkommen könnte, blieb König erneut stehen und ließ festhalten, dass der Nordostrand von Steinleiten III gut eingegrünt sei, während an der Nordwestseite die Häuser noch ganz zu sehen seien. "So schlecht schaut das eigentlich gar nicht aus", fand der Jurist. "Aber auch nicht perfekt", konterte Bürgermeister Martin Seitz. "Haben Sie überall perfekte Eingrünungen", fragte nun König. "Wir arbeiten daran", ließ ihn Seitz wissen. Vor ein paar Jahren, kam Angelika Weiland wieder aufs Thema zurück, seien hier nur "ein paar kümmerliche Sträucher" gestanden. Steinleiten IV würde mit einem breiten Grünstreifen und noch dazu einer Streuobstwiese in die Landschaft übergehen.
 
Keine Bauplätze mehr
 
Zurück bei den Autos, durfte Verwaltungsleiter Heinrich Pommé den Flächennutzungsplan, dessen einziges Originalexemplar er schon die ganze Zeit mitgeschleppt hatte, auf der Motorhaube des Bürgermeisterautos ausbreiten. König suchte freie Bauplätze, doch Seitz winkte ab: "Spruchreif im Ortsbereich Gerolsbach ist momentan gar nichts." Nur private Plätze gebe es; die Gemeinde könne jungen Familien, die gerne bauen würden, derzeit keine Angebote machen. Und weil die Frage der vorhandenen Bauplätze für das Urteil durchaus von Bedeutung sein könnte – wenn es genügend freie Plätze gäbe, müsste die Gemeinde ja nicht unbedingt auch noch Steinleiten IV ausweisen –, entspann sich zwischen Bürgermeister Seitz und UB-Chef Maurer ein kurzer, giftiger Dialog um Prognoseflächen, Einheimischenmodelle und andere verwandte Stichworte. "Ein kleines Geplänkel noch . . .", winkte Helmut König milde lächelnd ab.

In den nächsten zwei, drei Wochen will der erste Senat des VGH nun über den Eilantrag zu Steinleiten IV entscheiden, teilte der Vorsitzende Richter mit – "dann wissen Sie nicht endgültig, aber zumindest vorläufig, wie das Gericht die Sache sieht". Dann könne bei Bedarf eine weitere mündliche Verhandlung am VGH in München angesetzt werden, allerdings frühestens im Oktober.