Riedenburg
Einblicke in das Herz des Waldes

Inventur der Forstflächen erfolgt alle zehn Jahre - Erkenntnisse über Biotopbäume und Totholz

04.05.2021 | Stand 08.05.2021, 3:34 Uhr
Vom Spessart bis ins Hochgebirge ist der Forsttechniker Michael Schramm mit seinem Team unterwegs, um mit moderner Technik die Entwicklung des Waldes während der vergangenen zehn Jahre zu dokumentieren. −Foto: Erl

Riedenburg/Kelheim - Wenn beispielsweise ein Elektrohändler Inventur macht, dann nimmt er seine Waren aus dem Regal und zählt nach, ob der Bestand mit seinen Listen übereinstimmt. Wenn in einem Wald Inventur gemacht wird, ist die Bestandsaufnahme naturgemäß nicht ganz so einfach. Doch auch auf Tausenden von Hektar Wald wollen die Förster und Betriebsleiter wissen, was so alles im grünen Tann steht und wächst und vor allem: wie viel davon kann nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit genutzt werden.

So eine Inventur steht heuer für den Staatswald im Forstbetrieb Kelheim an und auch die Waldflächen rund um Riedenburg werden analysiert. Die Männer, die alle notwendigen Daten und Messungen dazu erheben, sind bereits seit März auf den rund 18000 Hektar Waldflächen unterwegs. Ihre Hilfsmittel sind nicht Regale und Strichcodes, sondern GPS-Sonden, Satellitenfotos, Computer und immer noch das Maßband.

"So eine Inventur erfolgt alle zehn Jahre. Schließlich müssen wir wissen, wie der Gesamtzustand des Waldes ist, was im Laufe der Jahre heranwächst, wie sich die Baumarten entwickeln und was durch Stürme, Borkenkäferschäden oder reguläre Holzernte abgegangen ist", erläutert die Betriebsleiterin Sabine Bichlmaier zum Hintergrund für diese Herkulesaufgabe.

Der Fachmann für diesen genauen Blick auf das Herz und in die Eingeweide des Waldes ist der Forsttechniker Michael Schramm, seit dem Jahr 1986 ist er mit seinem Team vom Spessart bis ins Hochgebirge in dieser Mission unterwegs. Mit sieben Kollegen will er bis zum Herbst eine genaue Bestandsanalyse erheben. Allen diesen Fachleuten ist bewusst, dass die Waldentwicklung über Jahrzehnte und Jahrhunderte andauert und entsprechend langfristig ist ihr Verfahren angelegt.

Bereits seit 1986 werden Markierungen im Abstand von 150 Metern im Waldboden vergraben, die ein Gitternetz über die gesamte Staatswaldfläche ergeben und die alle zehn Jahre mit Hilfe von Detektoren und Satellitenmessungen wieder aufgesucht werden. Auf der gesamten Waldfläche des Forstbetriebs Kelheim müssen Schramm und seine sieben Kollegen exakt 4913 solche Messpunkte aufsuchen, die Gegebenheiten dort exakt dokumentieren und die Veränderungen zur letzten Messung vor zehn Jahren erfassen. Auch Biotopbäume und ökologisch wichtiges Totholz werden so in einem exakt 12,62 Meter langen Radius um den Messpunkt herum dokumentiert. Etwa eine Arbeitsstunde rechnet Schramm für jeden dieser Messpunkte ein.

Natürlich sprechen ihn Spaziergänger immer wieder an, wenn er mit GPS-Sonde, Tablet, vollbepackter Arbeitsweste über der orangen Signaljacke und Detailplänen auf Papier mitten in den Wäldern steht. "Da nehme ich mir gerne etwas Zeit und erkläre den Leuten, wie wir hier eine wichtige Planungsgrundlage für die naturnahe Bewirtschaftung und nachhaltige Nutzung unserer Wälder liefern", erzählt der Forsttechniker.

Sabine Bichlmaier weiß natürlich um die Bedeutung dieser zeitaufwändigen Erhebung. "Auf der ganzen Welt gibt es kein vergleichbares präzises Verfahren zur Messung der Holzbestände und der Holzvorräte. Nur mit diesen Daten kann im Rahmen einer für das nächste Jahr anstehenden Forsteinrichtung festgelegt werden, was künftig nachhaltig genutzt werden kann", betont die Chefin.

Entsprechend der vorherigen Inventur stehen 5,5 Millionen Festmeter Holz auf der Forstbetriebsfläche. Trotz eines Zuwachses von 10,5 Festmetern je Hektar und Jahr wurden aber nur 8,5 Festmeter als Hiebssatz festgelegt. Auch Schadholzmengen aus Stürmen und Borkenkäferfraß sind auf diesen Hiebssatz angerechnet worden.

Für Bichlmaier ist die neue Inventur sehr spannend und sie ist neugierig darauf, was die Ergebnisse für die Zukunft aufzeigen werden. Denn die Herausforderungen durch den Klimawandel sind vor allem für die Förster gewaltig. "Wir haben Ziele, wie wir Naturschutz und die Erzeugung des wichtigen Rohstoffes Holz vereinbaren können. Diese Inventur hilft uns, dabei auch unsere Naturschutzziele zu erreichen, denn der Wald ist eine Abbildung unserer Gesellschaft", unterstreicht die Forstfrau. Sie steht bei diesem Satz unter dem Schirm mächtiger alter Eichen und Buchen und um sie herum sprießen Tausende junger Buchen aus dem Waldboden. "Der Klimawandel ist spürbar, aber wenn ich diese Vitalität sehe, glaube ich an die Kräfte des Waldes und der Natur", ist ihre Hoffnung für die Zukunft. Die akribische Inventur ist dabei eine Grundlage für die Nutzung und Pflege dieser Wälder in den nächsten zehn Jahren.

erv