Ein Weihnachtsmärchen für Daniel Klewer

20.12.2006 | Stand 03.12.2020, 7:12 Uhr

Nürnberg (DK) Der Held des Abends flüchtete wie ein Getriebener von der großen Fußballbühne. Schneller Schritt, stierer Blick – so steuerte er nach seinen Glanztaten als erster Spieler dem Kabinengang entgegen. Er wirkte ein wenig verstört, als er endlich dem erdrückenden Spielerberg entkommen war, der sich im Jubel am Dienstagabend kurz nach zehn Uhr vor der Fankurve im Nürnberger Frankenstadion über ihm aufgetürmt hatte.

Auf der Treppe zum Kabinengang riss er noch schnell seine Fäuste nach oben und brüllte der Haupttribüne einen Urschrei entgegen. Doch dann wollte Daniel Klewer mit seinen Gefühlen alleine sein. "In der Kabine musste ich erst einmal ein paar Freudentränen loswerden", sagte der Ersatztorhüter des 1. FC Nürnberg eine Weile später, nachdem er sich seelisch und körperlich gereinigt hatte. "Ich war einfach noch voller Emotionen."

Kein Wunder nach diesem Drama, in dem Daniel Klewer den 1. FC Nürnberg zum ersten Mal seit 15 Jahren ins Viertelfinale des DFB-Pokals gebracht hat. Das Spiel an sich war eigentlich zum Vergessen, denn über die zweistündige Spielzeit hinweg lieferte sich der Club in eisiger Kälte ein abscheulich-schlechtes Bayern-Derby mit dem abstiegsgefährdeten Zweit?ligisten aus Unterhaching. Allein das Elfmeterschießen erhob diesen Abend noch auf ein historisches Niveau.

Nicht einen, nicht zwei, nicht drei – gleich vier Elfmeter der SpVgg Unterhaching wehrte Klewer ab. Nur Babacar NDiaye bezwang den 1,92 Meter großen Schlussmann, der im finalen Akt mit den Fanblöcken im Rücken über sich hinaus wuchs. Von den anderen vier Versuchen der Spielvereinigung gingen immerhin drei als gute Schüsse durch. "Aber ich wusste, dass ich ein gutes Auge habe und dass ich mich auf meine Intuition verlassen kann", sagte Klewer.

"Eigentlich müssten wir dem Daniel 50 Prozent unserer Prämie abgeben", scherzte Ivica Banovic nach dem Strafstoß-Spektakel. Doch bei einer ehrlichen Analyse hätte sich der Nürnberger Matchwinner noch einen wesentlich größeren Anteil verdient. Einerseits waren seine vier Paraden nur deshalb nötig geworden, weil auch Mnari und Gresko scheiterten. Andererseits lässt er den Club im DFB-Pokal überwintern, obwohl die Schützlinge von Erfolgstrainer Hans Meyer im letzten Spiel des Jahres auf dem Zahnfleisch daherkamen. Was für den Helden des Abends natürlich nicht zutrifft. Denn Daniel Klewer erlebt die letzte Woche des Fußball-Jahres 2006 als ein einziges Weihnachtsmärchen: Ganze fünf Spiele hat er für den FCN bestritten, seitdem er im Sommer 2004 von Rostock nach Nürnberg gewechselt ist – das letzte davon im Februar 2005. Nachdem sich aber Club-Kapitän Raphael Schäfer am Samstag nach einer halben Stunde verletzte, rettete Ersatzmann Klewer erst den Heimsieg gegen Hannover und jetzt den Pokalsieg gegen Unterhaching.

Die Zwischenbilanz von Hans Meyer klang deshalb ziemlich zufrieden: "Wir haben eine sehr sehr gute Halbserie gespielt. Und wir sind auch mit drei schlechten Spielen im Pokal weitergekommen." Wer im Viertelfinale im Tor steht, ist natürlich noch offen. "Aber es ist schön zu wissen, dass der Torwart auf der Bank seine Sache so gut macht." Und was sagt der Ersatzmann dazu? "Es gibt keinen Kampf um die Nummer 1. Raphael ist der Kapitän." Aber der Held des Abends heißt Daniel Klewer.