Neuburg
Ein wahrer Historienroman

Steffen Kopetzky liest im Stadttheater aus seinem Werk "Risiko" – Die Thematik ist aktueller denn je

02.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:28 Uhr

Steffen Kopetzky las aus seinem viel gelobten Historienroman „Risiko“ - Foto: Heumann

Neuburg (DK) Steffen Kopetzky, Pfaffenhofener Autor mit längst internationaler Reputation, stellte am Geburtstag von Ernst Toller und von dessen in Neuburg ansässigen Nachlass-Gesellschaft dazu eingeladen seinen seit dem Erscheinen im März vielbesprochenen Roman „Risiko“ im Stadttheater vor.

Das waren gut eineinhalb Stunden geballten Geschichtsunterrichts, mit einigem Charme und Witz präsentiert, literarisch quasi abgefedert, aber dennoch erst mal zu verdauen. Auf 700 Seiten behandelt dieser den Ersten Weltkrieg aus einer gemeinhin wenig beachteten, durch die jüngsten Kriegs- und Terror-Ereignisse spätestens seit Paris ungleich aktueller gewordenen Perspektive. Gleich vorweg die Warnung oder auch Empfehlung: Wer die ganzen schauerlichen Mittelalter-Schinken schätzt oder gar für Literatur hält, wird an Kopetzkys Roman nur mäßig Freude entwickeln – oder anders formuliert: All jenen sei das Buch dringlichst empfohlen, um zu erfahren, was ein Historienroman wirklich ist.

Wenn wie gesagt der Blickwinkel auch ein anderer ist, schafft es Kopetzky, ganz nah und mit großem Ernst an der Zeit dranzubleiben. Dazu hat er detailverliebt irrsinnig viele Fakten zusammengetragen, das meiste an seinem Buch ist historische Wahrheit. Aber deshalb wird daraus alles andere als eine langatmige oder gar langweilige Faktensammlung. Kopetzky ist nämlich auch ein guter Fabulierer und ein kurzweiliger Erzähler obendrein, was die wenigen, die am Dienstag kamen, ganz ohne eigene Leseanstrengung genießen durften. Und als solcher hat er auch noch eine Liebesgeschichte eingebaut, die freilich reine Fiktion, aber allemal dankbares Roman-Futter ist. Wie übrigens auch die Hauptfigur des Buches, ein Bayer aus München-Giesing, der als Marine-Funker mit einer deutschen Expedition auf halbem Weg zwischen Konstantinopel und Kabul ziemlich versandet. Dass diese Kunstfigur ständig unter Zahnweh leidet und wohl nicht nur deshalb schließlich auch noch heroinsüchtig wird – da ist schon etwas viel eingepackt worden.

Diese merkwürdige Expedition aber hat es tatsächlich gegeben. Max von Oppenheim und Oskar Niedermayer sind historisch belegte Figuren, Protagonisten eines der kühnsten deutschen Kriegspläne überhaupt, mit damals schon islamistischer Propaganda die arabische Welt gegen Briten, Franzosen und Russen aufzubringen. Man kann’s glauben: Schon vor über hundert Jahren wurde in Berlin und in arabischer Sprache eine Zeitschrift „El Dschihad“ herausgegeben, den ideologischen Nährboden für das ganze Unterfangen zu bereiten. Mit dem Emir von Afghanistan wollte man schließlich sogar noch die Briten in Indien treffen.

Ganz plötzlich stößt man in dem Historienroman auf Umstände und Geschehnisse, die gegenwärtiger kaum sein könnten – oder, um eine Formulierung des Autors zu verwenden, wie sich der „Fingerabdruck der Geschichte“ heute wieder abzeichnet. Der Hoffnung auf eine schnelle Lösung widerspricht Kopetzky aus seiner Faktenkenntnis erst recht, hat am Ende des Ersten Weltkrieges die „Willkür des Imperialismus“ die „Welt in eine Schieflage“ gebracht. Die Folgen davon sind nur zu virulent.