"Ein Wahnsinns-Glücksgefühl"

21.07.2008 | Stand 03.12.2020, 5:44 Uhr

Für 255 Lebensretter aus fünf Landkreisen stiegen vom Sportplatz in Münster bei Rain genauso vieleLuftballons. - Fotos: Stark

Münster/Neuburg (DK) Ein Prozent ist der Wert, der Brigitte Lehenberger antreibt. Ein Prozent aller Menschen, die sich für eine Stammzellentransplantation registrieren lassen, rettet Leben – statistisch gesehen. Also wirbt die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) unermüdlich um weitere Registrierungen.

Aber nicht die Statistik steht für sie im Mittelpunkt, sondern die Menschen. So trafen sich nun in Münster bei Rain auf Lehenbergers Initiative hin rund 50 Stammzellenspender aus den angrenzenden Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen, Donau-Ries, Aichach-Friedberg, Dillingen und Augsburg, stellvertretend für die mittlerweile 255 Spender.

Eingebettet war die Veranstaltung im Festzelt in die 60-Jahr-Feier des SV Münster. Der Verein hatte Lehenberger gerne den Raum zur Verfügung gestellt: "Durch sie ist Münster das Zentrum der DKMS in der Region", lobte die Vereinsvorsitzende Bettina Fetsch. Ein Viertel der etwa 1000 Bewohner hat sich mittlerweile registrieren lassen.

Durch die jüngsten Typisierungsaktionen, unter anderem für den siebenjährigen Florian Hartmann aus Münster (kleines Bild) oder Lucia aus Stadtbergen ist die Zahl potenzieller Spender in den fünf Landkreisen um 20 000 auf mehr als 40 000 gestiegen.

"Man muss eigentlich nur sechs Stunden Zeit investieren, um ein Leben zu retten", sagte Oliver Fiß aus Schrobenhausen. Er spendete seine Stammzellen vor sechs Jahren einem Schweizer, der nach wie vor gesund ist. Eine Woche vor Entnahme der Stammzellen wurde Fiß ein körpereigener hormonähnlicher Stoff gespritzt, der die Produktion der Zellen anregte. "Das wirkte wie eine Grippe auf mich, ich konnte aber normal arbeiten." Dann wurden die Stammzellen aus seinem Blut gefiltert und dem Patienten verabreicht.

Mehr als Alter, Konstitution und Familienstand seines genetischen Zwillings kennt Fiß nicht, der Datenschutz in der Schweiz lässt das nicht zu. Anders in Deutschland: Dort ist zwei Jahre nach der Transplantation ein persönlicher Austausch möglich.

Vorher zur Wahrsagerin

So lernte Elfriede Preschl aus Rohrenfels 2000 die ältere Frau aus der Nähe von Stuttgart kennen, der sie 1998 Stammzellen aus ihrem Knochenmark gespendet hatte. Bei der ersten Spende – an einem Freitag, dem 13. – war Preschls Angst noch groß. Die Bedenken zerstreute erst eine Wahrsagerin. Aus dem hinteren Beckenknochen wurden ihr dann mit Hilfe von Punktionsnadeln Zellen entnommen. Drei Wochen war sie krankgeschrieben, "aber wenn man jemandem helfen kann, ist das egal. Ich hatte danach ein Wahnsinns-Glücksgefühl", erinnerte sich Preschl.

Als die Frau 2002 erneut erkrankte, litten sie gemeinsam – und Elfriede Preschl spendete zum zweiten Mal. Sollte es einen weiteren Rückfall geben, wäre sie sofort wieder zur Stelle.

Tanja Stadler aus Burgheim hofft, dass für sie keine Spende mehr nötig ist. Vor fast zwei Jahren erfuhr die 25-Jährige, dass sie Leukämie hat – "wie ein Schlag ins Gesicht" sei die Diagnose gewesen. Dass die Chemotherapie nicht anschlug und sich dann niemand fand, dessen Gewebemerkmale zu 100 Prozent mit ihren übereinstimmen, waren die nächsten Schocks. Schließlich versuchten die Ärzte es mit dem Knochenmark ihres älteren Bruders – nur 50 Prozent Übereinstimmung –, und es funktionierte. Jetzt arbeitet sie wieder.

Inzwischen kann nur jedem fünften Leukämie-Patienten kein Spender vermittelt werden, Tendenz sinkend. "Wegen diesen tollen Ergebnissen engagiere ich mich", sagte Brigitte Lehenberger. "Ich habe da meinen Platz gefunden."