Laisacker
Ein Traumberuf mit vielen Seiten

Ob Lexika, Bibel oder Märchenband: Heike Jakob aus Laisacker bindet und restauriert Bücher

25.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:34 Uhr

Löcher in einem alten Buch bedürfen des restauratorischen Geschicks von Heike Jakob. Buchbinden ist körperliche Arbeit: Richtig viel Kraft braucht die 46-Jährige, um die Schneidemaschine zu bedienen - Foto: Hammerl

Laisacker (SZ) Ihr Herz gehört der Restaurierung. Mit der zweieinhalbjährigen Ausbildung zum Geprüften Buchbinder für Restaurierarbeiten hat sich Heike Jakob ein zweites Standbein geschaffen.

Ob Bibel oder Heiligenlegenden, alte Lexika und Wörterbücher, ob Koch- oder Märchenbücher – sie alle sind bei der Buchbinderin in Laisacker in guten Händen. Aber natürlich erledigt die 46-Jährige auch reguläre Buchbinderarbeit akkurat mit ihren geschickten Händen – und mit Augenmaß. „Gutes Augenmaß gehört dazu. Ob es gerade ist, muss man sehen. Ich kann ja nicht jedes Mal nachmessen“, sagt sie. Sorgfältig pinselt sie den zugeschnittenen Leinenstreifen gleichmäßig mit Kleber ein, setzt die Pappdeckel auf, drückt zu, dreht und wendet ihr Werk, schneidet zu. Einige geübte Handgriffe und fertig ist die Mappe. Sie soll Rezepten in Klarsichthüllen einen optisch ansprechenden Aufbewahrungsort bieten.

Eine Routinearbeit, die die Buchbinderin nebenbei erledigt, während sie erzählt, was den Reiz ihres selten gewordenen Berufes ausmacht: „Es ist sehr abwechslungsreich, wir haben ein breites Spektrum.“ Da sind Fachzeitschriften für Ärzte und Anwälte, die am Jahresende zu einem ansehnlichen Jahresband gebunden werden. Oft werden Diplom-, Fach- oder Bachelorarbeiten zum Binden gebracht, Fotoalben, von Hochzeiten oder Geburtstagen, Gästebücher oder Familienchroniken. Und da sind die besonderen Dinge, kunstvolle Speisekarten für gehobene Restaurants und gelegentlich mal ein wertvoller Prachtband.

Ein Höhepunkt war zum Beispiel ein Holzdeckelbuch, das sie für einen Berliner Theaterverein als Gästebuch herstellte. Auf dem Neuburger Schlossfest ist sie ebenso wie auf Mittelaltermärkten ein gern gesehener Gast. Denn bei der Buchbinderin gibt es viel zu sehen – sie führt ihr Handwerk vor.

Buchbinden ist eine alte Kunst. Für große Auflagen sind Industriebuchbinder zuständig, die heute Medientechnologe Druckverarbeitung heißen. Acht Jahre lang hat Jakob als Industriebuchbinderin gearbeitet, was überhaupt nicht vergleichbar mit der handwerklichen Arbeit sei. „Wenn ich mal 25 gleiche Bücher binde, dann ist das viel“, sagt Jakob. „Meist sind es Einzelstücke oder kleine Serien.“ Nach dem Realschulabschluss hatte sie zwar bereits eine Lehrstelle in einer Apotheke, entschied sich dann aber für die Buchbinderei, weil sie „etwas Handwerkliches machen“ wollte. Sie bewarb sich um eine ausgeschriebene Stelle in Höchstädt und nach einer Schnupperwoche stand fest, dass sie ihren Traumberuf gefunden hatte.

Das Brot des Buchbinders ist hart verdient, aber Jakob würde es jederzeit wieder machen. „Es ist eine zeitaufwendige Arbeit, man kommt auf keinen hohen Stundenlohn“, warnt sie Schüler, die bei ihr Praktikum machen. Wenn die dann antworten, sie wollten trotzdem Buchbinder werden, dann „kann ich das gut verstehen“. Bücher waren schon immer ihre Leidenschaft. Am liebsten restauriert sie alte Exemplare, klebt herabhängende Buchrücken wieder an und gespaltene Holzdeckel wieder zusammen, flickt Löcher oder ergänzt Stellen, die von Mäusen an- oder abgenagt wurden. Dass ergänzt wurde, soll nach heutiger Auffassung der Restauratorenarbeit sichtbar sein. Die sogenannte Hausenblase, die Schwimmblase des Störs – „die kostet ein Vermögen“ – hilft bei der Restaurierung von Pergament, aus hochgiftigen Bärlappsporen stellt sie Holzkitt für Holzbuchdeckel her – so muss es in der Alchimistenküche vergangener Jahrhunderte zugegangen sein. Fehlstellen im Papier rückt Jakob mit Japanpapier und Weizenstärke, bevorzugt der haltbareren japanischen Sorte, oder mit Hautleim zu Leibe. Und mit dem Skalpell, mit dem sie die Ränder glatt schabt und Unebenheiten beseitigt. Es gibt weiteres aus der Medizin entliehenes Werkzeug, zum Beispiel den sogenannten Heidemannspatel des Zahnarztes. Dass Jakob ein halbes Jahr in einem Zahnlabor gearbeitet hat, bevor sie sich komplett selbstständig machte, verwundert da kaum. Die Bleisäckchen zum Beschweren stammen aus dem Taucherbedarf. Typisches Buchbinderwerkzeug dagegen ist das Falzbein, das heute noch aus Knochen besteht, aber auch in flexibler Ausführung in Teflon zu haben ist. 70 Quadratmeter groß ist die in Holzständerbauweise errichtete Werkstatt, die Jakob im April 2011 in Laisacker eröffnet hat. Pappschere, Stapelschneider, Fadenheftmaschine, Deckenrunde, Klebebinder, Heißpräge und Spindelpressen in verschiedenen Größen reihen sich aneinander. Es ist kühl im Raum, meist leistet der Buchbinderin nur ihr Hund Gesellschaft. Aber allein ist sie nicht inmitten all der geliebten Bücher.