München
Ein Szenario wie aus einem Horrorfilm

Studentin tötet ihren Freund beim Sex mit einer Handkreissäge: Jetzt muss sie zwölfeinhalb Jahre ins Gefängnis

19.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

Versteckte ihr Gesicht vor den Kameras und vor den Eltern des Ermordeten: die Angeklagte Gabriele P. im Landgericht München. - Foto: Stäbler

München (DK) Weil sie ihren Freund beim Sexspiel mit einer Kreissäge getötet hat, muss eine Studentin für zwölfeinhalb Jahre in Haft. Anders als von vielen Beobachtern erwartet, wertet die zuständige Strafkammer am Landgericht München die Tat als Totschlag, nicht als Mord.

Gabriele P. hat ihren Körper zum Richtertisch gewendet, die braunen Haare hängen wie ein Sichtschutz an ihrer Wange herunter. Nicht einmal während dieses letzten Prozesstags geben die dichten Locken den Blick auf die Augen der Angeklagten frei; und nicht einmal dreht sich die 32-Jährige zur Nebenklägerbank um - dorthin, wo die Eltern von Alexander H. sitzen, den sie vor neun Jahren beim Sexspiel umgebracht hat.

"Die Tötung mit laufender Kreissäge ist skurril und bizarr, und sie erfüllt die Voraussetzungen eines Horrorszenarios", sagt Richter Michael Höhne bei der Urteilsbegründung. Und dennoch wertet seine Kammer die Tat nicht als heimtückischen Mord, wie es die Anklage gefordert hat. Vielmehr schließt sie sich der Argumentation der Verteidigung an und verurteilt Gabriele P. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten.

Die Angeklagte nimmt das Urteil regungslos zur Kenntnis. Im Jahr 2001 ist sie mit Alexander H. zusammengekommen, kurz darauf zieht das Paar in ein Häuschen mit Garten, das ihrer Familie gehört. Dort wohnen die beiden im Dachgeschoss, während sie zwei Zimmer im Parterre vermieten. Gabriele P. studiert seinerzeit soziale Arbeit, ihr Freund dagegen ist meist daheim, spielt Computer, trinkt Alkohol und kifft. Immer häufiger habe es Streit gegeben, so der Richter. Dazu kommen die sexuellen Vorlieben von Alexander H.: Sadomaso, Fesselspiele und Sex mit mehreren Frauen. Gabriele P. habe diese Vorlieben "nur bedingt geteilt", sagt Richter Michael Höhne, "aber sie nahm sie hin".

Am Tattag im Dezember 2008 sind die Angeklagte und ihr Freund allein im Dachgeschoss. Wie des Öfteren zuvor lässt sich Alexander H. im Sexspiel ans Bett fesseln und streift sich eine abgeklebte Schwimmbrille über - ist also "völlig arglos und auch völlig wehrlos", erklärt der Richter. In diesem Moment greift Gabriele P. zu einer neben dem Bett abgestellten Handkreissäge, schaltet sie an und drückt sie gegen den Hals ihres Freundes. Das Sägeblatt durchtrennt zwei Wirbel und das Schlüsselbein; binnen Sekunden ist Alexander H. tot. Nachdem sie erfolglos versucht hat, die Leiche zu zerstückeln, bedeckt die Studentin den toten Körper mit Tüchern und zieht kurzerhand ins Erdgeschoss um. Der Verwesungsgeruch sei den Mitbewohnern nicht aufgefallen - "wegen Kleintierhaltung, dem Cannabis und der Vernachlässigung von Hygienestandards", sagt der Richter.

Erst ein halbes Jahr nach der Tat entdeckt der neue Freund von Gabriele P. die Leiche während ihres Urlaubs. Doch statt zur Polizei zu gehen, stellt er erst seine Lebensgefährtin zur Rede und bittet danach einen Bekannten um Hilfe. Zu dritt verscharren sie den Leichnam im Garten - dort, wo das Paar später in einer freien Zeremonie nach buddhistischem Ritus heiratet.

Erst Jahre danach fliegt die Tat auf, als der Freund betrunken auf einer Party von einem "dunklen Geheimnis" erzählt, das über dem Haus liege. Über mehrere Ecken gelangt diese Nachricht zur Polizei, die Anfang 2016 das Anwesen von Gabriele P. durchsucht. Im Garten finden die Ermittler die Leiche - auf dem skelettierten Kopf ist immer noch die Schwimmbrille.

Direkt nach der Festnahme gesteht die Studentin die Tat, zum Motiv aber macht sie auch im Prozess ungenaue oder widersprüchliche Aussagen. Zudem gibt sie an, keine Erinnerungen an die Geschehnisse zu haben. In einer Erklärung sagt sie: "Mir ist unbegreiflich, wie es zu meiner Tat gekommen ist. Ich soll etwas erklären, was ich selbst nicht verstehe." Auch dem Gericht sei es nicht möglich gewesen, ein griffiges Tatmotiv zu finden, erklärt Richter Michael Höhne. "Als kleinster Nenner bleibt ihre Unzufriedenheit über ihre Beziehung und ihre Gesamtsituation."

Mit ihrem Urteil folgt die Kammer der Verteidigung, die im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft keine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert hat. Verteidigerin Birgit Schwerdt gibt sich hinterher "sehr zufrieden" und sagt: "Ich denke nicht, dass wir in Revision gehen." Inwieweit die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Einspruch erheben wird, lässt sie gestern offen.

Derweil teilt der Anwalt der Nebenkläger mit: "Das Urteil ist für die Eltern zu akzeptieren." Sie würden "keinerlei Rache- oder Hassgefühle" empfinden. An einem der vorangegangenen Prozesstage hat die Mutter von Alexander H. sogar den Kontakt zu Gabriele P. gesucht. Als beide in einer Situation vor dem Richtertisch stehen, ergreift die Frau die Hand der Angeklagten - die Hand, die ihren Sohn getötet hat.