Kelheim
Ein Stück Heimatgeschichte

Tagebücher schildern das gesellschaftliche Leben in Kelheim während des Ersten Weltkriegs

29.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

Spannende Fundstücke: Vor einiger Zeit entdeckte der Pfaffenhofener Kreisarchivpfleger Willihard Kolbinger (Mitte) die Tagebücher seines Großvaters. Die Aufzeichnungen verarbeitete er in einem Geschichtsband, den die Stadt Kelheim kürzlich herausgab. Über das Werk freuten sich der Kelheimer Stadtarchivar Wolf-Heinrich Kulke (l.) sowie der Bürgermeister der Kreisstadt Horst Hartmann (r.). - Foto: Kienle

Kelheim (DK) Die Stadt Kelheim hat ein Buch herausgegeben, in dem ein Stück Heimatgeschichte auf besondere Art geschildert wird. Es handelt von den Erlebnissen, die der Kelheimer Josef Kolbinger während seiner Jugend und in der Zeit des Ersten Weltkriegs in seinen Tagebüchern festgehalten hat.

Der Bäckergeselle und Kaufmann Josef Kolbinger führte über viele Jahre seines Lebens Tagebuch. Der Kelheimer, der im September 1872 in der ehemaligen Donaumühle am Hohenpfal geboren wurde, hielt in seinen Notizheften nicht nur Eindrücke und Erlebnisse seiner Jugendzeit fest, sondern schilderte unter anderem auch die Geschehnisse vor und während des Ersten Weltkrieges in Kelheim – unter anderem auch die Vorbereitung der Männer auf den Kriegseinsatz im Jahr 1914. Josef Kolbinger wurde selbst eingezogen und musste zuerst an der Westfront und später an der Ostfront als Soldat dienen. Da Kolbinger bei Kriegsbeginn bereits 42 Jahre alt war, wurde er vor allem als Postmann eingesetzt. Er selbst tauschte sich ebenfalls über viele Briefe mit seinen Verwandten in Kelheim aus, die er während des Krieges nur in seinen Heimaturlauben sah.

„In seinen Tagebüchern hielt er daher nicht nur das Geschehen an der Front fest, sondern auch das damalige Gesellschaftsleben in seiner Heimatstadt“, erklärt der Kelheimer Stadtarchivar Wolf-Heinrich Kulke. Die Geschichte der Kreisstadt werde durch Kolbingers Aufzeichnungen sehr authentisch geschildert. „Seine Tagebucheinträge haben nun die Veröffentlichung eines kleinen lebendigen Geschichtsbandes von Kelheim ermöglicht“, berichtet Kulke.

Das Projekt kam dabei im Frühjahr des vergangenen Jahres durch Willihard Kolbinger, den Enkel des Tagebuchverfassers, ins Rollen: „Er hat uns den Vorschlag gemacht, die Tagebücher seines Großvaters für einen geschichtlichen Band aufzubereiten“, erzählt der Kelheimer Bürgermeister Horst Hartmann (SPD). Die Stadt sei daraufhin gleich bereit gewesen, ein solches Werk herauszugeben. „Das Thema war auch deswegen sehr interessant, weil sich im vergangenen Jahr der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal gejährt hat“, erklärt Hartmann.

Willihard Kolbinger hatte die Tagebücher seines Großvaters vor einiger Zeit im Nachlass seines Vaters entdeckt. „Für mich ist klar gewesen, dass ich die Bücher auf jeden Fall aufarbeite. Die Frage war letztlich nur, ob ich es für mich privat mache oder auch gleich für die Stadt Kelheim“, erläutert der 78-Jährige.

Kolbinger fasste die Aufzeichnungen seines Großvaters von 1889 bis 1918 allerdings nicht in einem Text neu zusammen, sondern übertrug die Schilderungen, die Josef Kolbinger in Sütterlinschrift in verschiedenen Heften festgehalten hat, in Textdateien. Dennoch war es keine reine Abtipparbeit: „Die Erinnerungen meines Großvaters habe ich für das Buch aus mehreren Notizbüchern, aus einer separaten Nachschrift, von seinen Aufzeichnungen auf verschiedenen Zetteln sowie aus Briefen zusammengetragen“, berichtet Willihard Kolbinger. Einige Passagen fasste der Kreisarchivpfleger und ehemalige Kulturreferent der Stadt Pfaffenhofen auch zusammen. „Manche Ortsangaben musste ich zudem mit Wander- und Ortskarten nachrecherchieren.“ Trotz des Aufwands habe ihm die Arbeit sehr viel Spaß gemacht, betont der Enkel von Josef Kolbinger.

Für das Werk suchte Kulke anschließend noch 30 historische Fotos und Abbildungen der damaligen Zeit aus dem Archiv heraus, um das Buch anschaulich zu bebildern. „Dadurch ließen sich in das Buch noch ein paar Anekdoten von anderen Bürgern aus Kelheim einstreuen“, erzählte der Stadtarchivar.

Das 100 Seiten starke Werk mit dem Titel „Tagebücher des Josef Kolbinger – Bäckergeselle und Kaufmann“ kann inzwischen für fünf Euro im Buchhandel erworben werden. Für alle Interessierten fand gestern eine Lesung mit Willihard Kolbinger in Kelheim statt.

Das Buch verkaufe sich bislang richtig gut, berichtet Kulke. „Spannend ist, dass den Bürger Josef Kolbinger viele der älteren Einwohner Kelheims noch persönlich kannten“, erklärt der Stadtarchivar. Der Verfasser der Tagebücher sei im Jahr 1965 gestorben.

Das Buch, dass nun mit einer Auflage von 400 Stück von der Stadt Kelheim herausgegeben wurde, stellt den ersten Band einer Schriftenreihe zur Kelheimer Heimatgeschichte dar. „Die Reihe soll künftig unregelmäßig erscheinen“, erläutert Kulke. Welches Thema jetzt aufgegriffen werden soll, ist bislang noch ebenso unklar wie der zeitliche Rahmen, in dem das nächste Buch erscheinen wird. Der Stadtarchivar verrät allerdings: „Es gibt schon viele Ideen für einen zweiten Band.“