Schernfeld
Ein Standbein zum Überleben

Marke "Altmühltaler Lamm" sichert Schäfern ein Einkommen - und dem Naturpark die typische Landschaft

10.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:57 Uhr
Hermann Redl
Hüteschäfer Alfred Eichhorn. Die Schäferei wird bereits in der dritten Generation betrieben. −Foto: Redl

Schernfeld (EK) Von wegen Idylle.

365 Tage im Jahr kennen Alfred und Maria Eichhorn (fast) nur eins: Schafe. In dritter Generation betreiben sie ihre Schäferei am Rande der Gemeinde Schernfeld. Die vierte steht mit Sohn Johannes und Tochter Barbara bereits in den Startlöchern. Zum Glück, sagt Alfred Eichhorn. Der 56-Jährige ist froh, dass mit den Kinder die Tradition bewahrt bleibt.

Dass die Eichhorns ihrem Gewerbe auch weiterhin nachgehen können, verdanken sie auch der Marke "Altmühltaler Lamm". Das Qualitätssiegel für heimisches Lammfleisch aus dem Naturpark Altmühltal gibt es seit nun 22 Jahren. Entstanden auf Initiative der Schäferbetriebe zwischen Weißenburg und Kelheim und gegründet auf dem eigens dafür ins Leben gerufenen Verein der Hüteschäfer, hat sich die Marke über die Jahre zu einem festen Bestandteil des Speiseplans örtlicher Gastronomiebetriebe und vieler Privathaushalte entwickelt.

Zwischenzeitlich hat es das Fleisch der den Sommer über auf den Mager- und Trockenrasen der Altmühltalhänge grasenden Tiere zudem in die Regale größerer Lebensmittelketten geschafft. Beispiel Rewe. Der Handelskonzern gehört seit kurzem ebenfalls zu den Abnehmer Eichhorns - dort wird es unter dem Siegel "Qualität aus Bayern" verkauft.

Damit die Qualität stimmt, wird der Schernfelder Familienbetrieb jährlich zertifiziert - und zwar gleich von jeder Siegel-Vergabestelle extra. Bei der Marke Altmühltaler Lamm haben sich alle beteiligten Schäfer, Metzger und Gastronomen dem staatlichen Kontrollprogramm durch die Gesellschaft für Qualitätssicherung in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft (QAL) angeschlossen und unterwerfen sich klaren Produktions- und Verarbeitungsrichtlinien.

Dies ist nur eine der Auflagen, die für das "Altmühltaler Lamm gelten". So müssen zudem über die Hälfte der Flächen, die von den Schäfern im Naturpark Altmühltal beweidet werden, wertvolle Areale für den Naturschutz sein. Auf diesen Flächen dürfen Pflanzenschutzmittel, Stickstoffdünger, Gülle und Klärschlamm nicht verwendet werden. Ein schonender Umgang mit dem Tier ist weiterhin oberstes Gebot. Beim "Altmühltaler Lamm" werden die Tierzahlen pro Fläche nach oben begrenzt. Auch beim Transport zum Schlachthof darf die Fahrtzeit von einer Stunde nicht überschritten werden.

Dass diese Zertifizierung mit Kosten bis zu knapp 1000 Euro im Jahr verbunden ist, lässt Schäfer Eichhorn noch gelten. Aber die in seinen Augen "immens hohen Kosten" der Fleischbeschau, die bei jedem Schlachten anfallen, wurmen ihn: Pro Lamm zwischen zehn und 15 Euro muss er, wenn er die Tiere schlachtet, an den Landkreis Eichstätt abgeben - ein Betrag, der in anderen Regionen oder bei anderen Schlachttieren Eichhorn zufolge nicht in dieser Höhe erhoben wird. Bei einer Menge von bis zu 1000 Lämmer, die im Eichhorn'schen Schlachthaus jährlich ihr Leben lassen, kommen da pro Jahr deutlich über 10000 Euro alleine für die Fleischbeschau zusammen.

Doch trotz der hohen Auflagen ist die Marke "Altmühltaler Lamm" für die Eichhorns ein Standbein zum Überleben. "Das ,Altmühltaler Lamm' ist immer noch ein Nischenprodukt, das uns Einkommen sichert", so Eichhorn. Keine Rolle bei der Sicherung des Lebensunterhalts spielt Eichhorn zufolge die Wolle der reinrassigen Merinoschafe. "Die Kosten der Schur und die Einnahmen durch den Verkauf der Wolle gehen gerade so auf. "

Eine in etwa gleich starke Einkommensquelle wie der Verkauf des Lammfleischs sind die Ausgleichszahlungen, die die Eichhorns für ihre Arbeit als Landschaftspfleger erhalten. Denn die Schafhaltung ist für den Erhalt der wertvollen Trocken- und Magerrasen des Altmühltals unabdingbar. Nur durch die Beweidung mit Schafen und Lämmer werden diese artenreichen Flächen offen gehalten und vor der Verbuschung geschützt. Wären die wolligen Vierbeiner nicht, würden die Jurafelsen in wenigen Jahrzehnten von Büschen und Bäumen verdeckt - und die wertvollen Lebensräume von Silberdistel, Enzian oder Schwalbenschwanz würden verschwinden. Und damit auch das für das Altmühltal typische Landschaftsbild.

Gut fünf Monate im Jahr gehen die Schafe und Lämmer ihrer "Arbeit nach". Dann sind sie an den Hängen des Altmühltals und der Seitentäler unterwegs, fressen auf den kräuterreichen Wiesen und Weiden. In dieser Zeit heißt es für den Schäfer, täglich mit den Tieren in der Natur unterwegs zu sein, darauf zu achten, dass die Vierbeiner gesund bleiben und ihren Nachwuchs ungehindert bekommen können.

Vor allem in der sogenannten Lammzeit ist der Schäfer gefordert. Denn dann werden innerhalb von vier Wochen die Lämmer geboren. Bei einer Herde von etwa 500 Mutterschafen heißt dies, dass in einem engen Zeitraum etwa 200 Lämmer hinzukommen. Und jedes der Jungtiere muss der Mutter zugeordnet werden. Bei gleichzeitigen Geburten und vor allem, wenn dann auch noch Zwillinge geboren werden, ist dies nicht immer leicht. Wenn sich nämlich eines der Tiere nach der Geburt von der Mutter entfernt hat, fehlt die "Mutter-Kind-Beziehung"; das junge Lamm wird nicht mehr angenommen und droht zu verhungern.

Diese sogenannten Problemlämmer müssen dann besonders gehegt und gehätschelt werden. Sie werden entweder durch Milchaustausch aufgezogen oder, und da ist die Schäferei Eichhorn derzeit in der Erprobungsphase, von einer Milchkuh versorgt. "Das lässt sich bislang sehr gut an", sagt Alfred Eichhorn.

Zwei Herden mit jeweils etwa 500 Muttertieren hat die Schäferei Eichhorn. Während die Tiere in den Sommermonaten auf der Weide sind, überwintert ein Teil von ihnen in dem großen Stall bei Schernfeld, ein anderer bleibt auf der etwa 85 Kilometer vom Betrieb entfernten Winterweide bei Siegenburg/Abensberg. Für die Schäfer heißt dies, dass sie ihre Tiere in der Zeit füttern müssen. Auf 20 Hektar baut Alfred Eichhorn vor allem (genfrei) Soya und Getreide an, auf 40 Hektar Gras. Alles wird an die Tiere verfüttert.

"Schafe halten keinen Winterschlaf," sagt Alfred Eichhorn. Für ihn und seine Familie heißt dies Arbeit an 365 Tagen im Jahr.

Warten auf den Wolf

Schernfeld (hr) "Jeden Tag kann ein Wolf bei uns durchziehen", sagt Alfred Eichhorn. Es sei zwar kein Rudel zu erwarten, aber er rechne jederzeit mit einem einzelnen Tier, das auf eine seiner Herden treffen kann. Schon jetzt arbeitet Eichhorn deshalb mit verstärkten Pferchzäunen und einer stärkeren Ladung an elektrischer Energie, mit der die Zäune zudem gesichert werden. Und: Alfred Eichhorn hat sich bereits zwei junge Herdehunde zugelegt. Die sollen sich allmählich an seine Schafe gewöhnen - und die Schafe sich an die Hunde. Der Schäfer geht davon aus, dass die Schutzhunde bald zum Einsatz kommen werden.

Wie generell mit dem Wolf umgegangen werden soll, dazu will sich Eichhorn nicht festlegen. Da sei die Politik gefordert, meint er. Doch: "Der Schutz der Schafherden vor dem Wolf kostet Geld, das nicht nur die Schäferei aufbringen kann. "

Hermann Redl