Ein Ständchen für alle Marias dieser Welt

13.12.2019 | Stand 02.12.2020, 12:23 Uhr
  −Foto: Nicolas Armer

Maria Fehrenbacher sitzt gespannt auf ihrem Sofa in der Seniorenresidenz Am Schloß in Stein.

Erst eine Woche zuvor ist die 83-Jährige eingezogen, und ihre Zwillingstöchter haben eine Überraschung angekündigt. Mit einem Catering habe sie gerechnet, erzählt die alte Dame später. Doch als dann plötzlich dieser adrette junge Mann mit einem weißen Hemd unter Hosenträgern (Foto: Armer/dpa) vor ihr stand, ahnte sie: "Das wird jetzt aufregend. " Der Gast stellt sich vor als Hans Kittelmann, Tenor im Staatstheater Nürnberg. Dort spielt er gerade die männliche Hauptrolle im Musical "West Side Story". Als Tony singt er die Arie "Maria", in der der Name der Angebeteten 27 Mal vorkommt.

Als sie das hört, klatscht Maria Fehrenbacher lachend in die Hände. "Sie haben hier fünf Marien vor sich", sagt eine der Freundinnen, die Fehrenbachers Tochter eingeladen hat, zu Kittelmann. Sie sind an diesem Samstagnachmittag ins Seniorenheim gekommen, weil sie nicht nur den Zweitnamen, sondern auch die Liebe zur Oper teilen.

So wie Kittelmann Maria Fehrenbacher mit dem Ständchen den Einzug in die Seniorenresidenz versüßt, möchte er bis Ende der Spielzeit im Juni 2020 noch vielen anderen Marias eine Freude bereiten. Sechs solcher Maria-Auftritte hat er bereits hinter sich. Kittelmann sang in den vergangenen Wochen unter anderem für eine 99-Jährige, bei einer Hochzeit und bei einem Nachmittagstreff.

Weil ihn in der Oper der Orchestergraben vom Publikum trenne, sei er auf die Idee gekommen, die Arie für Marias im privaten Umfeld zu singen. "Ich bin gespannt, an welche Orte es mich noch führen wird", sagt der Tenor. Für das Ständchen kann sich jeder bewerben, der einer Maria eine Freude machen möchte. Bewerbungen nimmt das Staatstheater Nürnberg entgegen.

Fehrenbacher hat ihre Überraschung noch nicht ganz verwunden, da schlägt Kittelmann auch schon die Stimmgabel, und alle lauschen konzentriert. Als ihr Name immer wieder den Raum erfüllt, legt Fehrenbacher die Hand aufs Herz. "Das war eine tolle Überraschung, das tut mir im Herzen gut", bedankt sie sich. Mit einem Kaktus in der Hand singt Kittelmann "Mein kleiner grüner Kaktus" als Zugabe und Fehrenbacher singt den Refrain lachend mit. Das Lied erinnere sie an ihre Eltern, erzählt sie. Vier oder fünf sei sie gewesen, da hätten sie es auf dem Grammophon gespielt und mitgesungen, "dann wurde alles zerbombt".

Eine von Fehrenbachers Töchtern las im Opern-Newsletter von der Aktion, dass Tenor Kittelmann Marias ein Ständchen singt. Das perfekte Geschenk für die Mutter, in deren Leben klassische Musik eine große Rolle spielt.

Jasmin Siebert, dpa