Neuburg
Ein Schmuckstück in der Oberen Altstadt

<DK-XY_trifft>BESUCH AM DENKMAL:</DK-XY_trifft> Das Graf-Verri-Haus in der Herrenstraße hat eine besondere Geschichte

02.06.2021 | Stand 23.09.2023, 18:58 Uhr
In neuem Glanz erstrahlt mittlerweile die Fassade des Graf-Verri-Hauses an der Herrenstraße. Rund drei Jahre lang haben die detailreichen Sanierungsarbeiten dort angedauert. −Foto: privat

Neuburg - Wer in Neuburg durch die Obere Altstadt spaziert, der kommt an vielen historischen und altehrwürdigen Häusern vorbei, die noch bis heute einen besonderen Charme versprühen.

Auch in der Herrenstraße A99 ist ein solches Schmuckstück zu finden, das vielen Bürgerinnen und Bürgern wohl besser unter dem Namen Graf-Verri-Haus bekannt ist.

DIE ANFÄNGE

Wann genau das Gebäude entstand, ist nicht bekannt. "Die Schwierigkeit liegt nämlich darin, dass im Kataster meist nur die Eigentümer wiedergegeben werden", erklärt der ehemalige Stadtheimatpfleger Roland Thiele. Er vermutet allerdings, dass das Haus spätestens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut worden ist und damals noch anders - als in der heute bekannten Form - aussah. Laut dem Häuserbuch von Karl Adam, das durch Thiele laufend ergänzt wird, war das Haus um 1727 in Besitz von Simon Hammel, Eisenkrämer und Bürgermeister. Er betrieb dort die Gastwirtschaft "Zum weißen Lamm". "Die Obere Altstadt war das Viertel der Reichen und Schönen - der Adeligen und (Hof)-Beamten", weiß der ehemalige Stadtheimatpfleger. "Wer was ist und wer was hat, der wohnt in der Oberen Stadt" lautete damals ein Spruch. Dazu zählten auch die Wirte, die in Sachen "Ansehen und Vermögen auch an der oberen Spitze" standen. Zudem gehörte Hammel dem Inneren Rat der Stadt an. Danach wechselte das Anwesen noch mehrmals den Besitzer, gehörte unter anderem von 1786 bis 1792 Sigmund Graf von Spreti, der bereits in größere Umbauten des Hauses investierte.

DER NAMENSGEBER

Schließlich kaufte Josef Askanius Graf von Verri della Bosia das Areal. Der Name Graf-Verri-Haus ist wohl den Neuburgern selbst zu verdanken. Früher wurden Gebäude häufig nach den Eigentümern oder Bewohner benannt, wie Thiele berichtet. Dann wurden die Stadtviertel Neuburgers zunächst durch Buchstaben eingeteilt. "Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Hausnummern eingeführt. " Letztlich bekam das Anwesen die Adresse Herrenstraße A 99. Graf von Verri war Hauptmann beim kurpfalzbayerischen Regiment und heiratete 1785 Leopoldine Freiin von Jungwürth, die Tochter des Neuburger Hofkammerpräsidenten. Auch er baut das Gebäude wiederum gründlich um.

DAS BESONDERE

Der Bau in seiner heutigen Form setzt sich aus einem Vorderhaus, zwei Zwischenteilen und einem Rückgebäude zusammen. Aus dem 17. Jahrhundert dürften die noch bestehenden gewölbten Flure und das steinerne Treppenhaus stammen. In manchen Zimmern der Geschosse ist nach wie vor klassizistischer Deckenstuck in Kreisen, Quadraten oder Rosetten zu finden. Auch die Türgerüste und Ofennischen sind aus dieser Zeit. Im hinteren Bereich des Anwesens schließen sich die innere und die mittlere Stadtmauer an, die Anfang des 16. Jahrhunderts gebaut wurde, um auf der zwischen den Mauerteilen aufgefüllten Terrasse beispielsweise Geschütze aufstellen zu können. "Ende des 18. Jahrhunderts war das vorbei und die Terrassen wurden verpachten oder verkauft", erklärt Thiele. Und so wurden dort am Graf-Verri-Haus um 1786 ein Rundbau mit Salettl und ein Garten angelegt. Als Traum bezeichnet Roland Thiele dieses Salettl - vom italienischen "Saletta", was so viel wie "Sälchen" bedeutet. "Das ist ein zweistöckiges Gartenhaus, das im Inneren mit Stuck versehen ist", berichtet der ehemalige Stadtheimatpfleger. "Dort hat ein Teil des Adelslebens stattgefunden, zum Beispiel wurde da Kaffee getrunken. "

DIE EIGENTÜMER

Dass das Haus über Jahrzehnte hinweg, teilweise jährlich, in andere Hände übergeben wurde, war in früheren Zeiten nicht unüblich, wie auch Thiele bestätigt. "Familien waren damals selten immer am gleichen Ort, somit blieben auch Häuser selten in deren Besitz. " Ausnahmen seien beispielsweise Fischer oder Lehensleute gewesen. "Da konnte das eher in der Familie gehalten werden, weil der älteste Sohn automatisch erbte. " 1966 kaufte schließlich der gebürtige Neuburger Benedikt Schabacker das Anwesen, das bis heute seinen Nachkommen gehört. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er allerdings in München, wo er eine Schreinerlehre machte, die Meisterschule besuchte und als Selbstständiger tätig war. Seine Frau hegte aber den Wunsch, in der Rente in die Heimat zurückzukehren. So schaffte Schabacker im Graf-Verri-Haus eine neue Bleibe für seine Familie. Die Neuburger Altstadt zeigte sich zu dieser Zeit grau in grau - Haus für Haus in desolatem Zustand reihte sich aneinander. Doch Schabacker hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Gebäude nach und nach auf Vordermann zu bringen. Mit viel Eigeninitiative, Idealismus und Geld brachte er die Wohnungen gemäß dem damaligen Stand der Technik und des Wohnbedürfnisses in Schuss. Freilich war Schabacker geschickt und leistete selbst viel, dennoch engagierte er auch ortsansässige Handwerker, die Arbeiten übernahmen.

HEUTZUTAGE

Renovierungs-, Restaurierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen fallen insbesondere in sehr alten Gebäuden regelmäßig an. Von 2017 bis 2019 ist die Fassade an der Herrenstraße restauriert worden. Gemeinsam mit einem erfahrenen Stuckateur wurde die klassizistische Ansicht Stück für Stück rekonstruiert und wiederhergestellt. Auch viele kleine Details, wie die Lorbeerstränge oder die kleinen rosafarbenen Rosen über den Fenstern sind erneuert worden. Denn die Verzierungen aus Gips waren wetterbedingt dem Zerfall geweiht. Jetzt sind sie witterungsbeständig und wurden in aufwendiger Handarbeit einzeln in selbstgefertigte Silikonformen gegossen. Und wer die Fassade noch ein wenig genauer betrachtet, der entdeckt in der zweiten Fensterreihe rechts außen einen kleinen aufgemalten Raubvogel. Im letzten Schritt sollen bald wieder die bauchigen Stabgitter an den Fenstern im Erdgeschoss sowie die halbhohen Brüstungsgitter im ersten Stock angebracht werden.

DK

Luisa Riß