Berchtesgaden
Ein scheuer Geselle

In Bayern gibt es nur rund 30 Luchse, mitunter auch im Kreis Eichstätt Illegaler Abschuss bei Schneizlreuth

08.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr

Berchtesgaden/Eichstätt (DK) Nun steht fest, was Experten bereits vermuteten: In Bayern ist erneut ein Luchs illegal getötet worden. Das bestätigte die Untersuchung eines im September entdeckten Kadavers. Im Freistaat gibt es nur ganz wenige der scheuen Raubkatzen - zeitweise auch im Raum Eichstätt.

Ein Baggerführer hatte den toten Luchs bei Arbeiten an einem See bei Schneizlreuth im Berchtesgadener Land aus dem Wasser gezogen, Kopf und Vorderläufe fehlten. Im Körper fanden sich Geschosspartikel, deren Herkunft das Landeskriminalamt jetzt zu klären versucht. Vermutlich hatte sich ein Jäger an dem Tier gestört und es erschossen. Der Luchs war zu Lebzeiten erfasst und auf den Namen "Alus" getauft worden. Rund zwei Jahre lang war er zwischen Österreich und Bayern hin- und hergewechselt.

"Es ist beschämend für eine Kulturnation, dass wir den frevelhaften Umgang mit dieser wunderbaren Tierart nicht in den Griff bekommen", sagt Norbert Schäffer. Er ist Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz, der das Ergebnis der Untersuchungen vorgestern bekannt gab. Weitere Luchse waren bereits in früheren Jahren im Kreis Cham getötet worden.

Raubtiere wie Bär, Luchs und Wolf entzweien die Menschen. Die einen freuen sich, wenn sie frühere Lebensräume zurückerobern, andere fürchten sie oder sehen sie mit Argwohn - mancher Jäger etwa, weil er darin Konkurrenz wittert. Inzwischen gibt es ein vom Landesamt für Umwelt getragenes "Netzwerk Große Beutegreifer", das die Rückkehr dieser Tierarten dokumentiert und eventuell durch sie verursachte Schäden erfasst und Betroffene auszahlt.

Die Vorbehalte gegen Raubwild sind oft groß, wie sich im Mai bei einem Vortrag vor fast 50 Jägern, Förstern und Interessierten im Kreis Eichstätt zeigte. Man müsse diese Tiere "nicht unbedingt lieben", hatte es sinngemäß geheißen - der Schutzstatus lasse aber keine andere Wahl, als sie zu akzeptieren. Begeisterung klingt anders.

Dabei richtet der Luchs so gut wie keinen Schaden an, selbst wenn er gelegentlich mal ein Reh reißt. "Das ist zu vernachlässigen", findet der Waidmann Helmut Reil, Kreisgruppenversitzender des Jägervereins Hubertus in Beilngries. Im vergangenen Februar, zur Ranzzeit, hatte er Paarungsrufe des Luchses gehört und im Sommer Trittspuren am Arzberg entdeckt. "Es gibt ihn sporadisch bei uns, aber er zieht weiter." Was seine Jägerkollegen betrifft, macht er eine klare Ansage: "Da höre ich eigentlich nichts Negatives, was den Luchs betrifft."

Rainer Ludwig aus Haunstetten (Kreis Eichstätt) war lange als Luchsberater beim Bund Naturschutz tätig und bestätigt Reils Worte: "Die meisten Jäger hier haben längst begriffen, dass der Luchs harmlos ist. Da ist die Vernunft eingekehrt. Sie fürchten sich viel mehr vor der Rückkehr des Wolfes."

Ludwig hat eine ganz persönliche Theorie dafür, warum die Raubkatze mit den Pinselohren nur zeitweise durchs Altmühltal streift und nicht heimisch wird, obwohl die Bedingungen ideal erscheinen. "Ein Reh zu reißen ist für den Luchs eine große Anstrengung, weil es ungefähr genauso viel wiegt wie er selbst. Normalerweise frisst er eine Woche an einer so großen Beute, aber bei uns gibt es sehr viel Schwarzwild. Die Sauen finden alles und putzen so ein totes Reh innerhalb einer Nacht samt Knochen komplett weg, da bleibt praktisch nichts mehr übrig. Dem Luchs wird das auf Dauer zu beschwerlich und er zieht deshalb weiter."

Dabei hatte es tatsächlich einmal ein Luchsweibchen gegeben, das zwischen Greding, Kinding und Beilngries sein Revier bezog, viereinhalb Jahre lang. "Das war Anfang der 2000er-Jahre, und es hat zweimal Junge aufgezogen", sagt Rainer Ludwig - bis es von heute auf morgen verschwand.

"Für das Altmühltal im Raum Eichstätt liegen uns keine gesicherten Nachweise vor, dass der Luchs hier dauerhaft heimisch wäre", erläutert die Biologin Sybille Wölfl als Leiterin des Luchsprojekts Bayern. Nach ihrer Schätzung dürfte es im gesamten Freistaat ohnehin nur rund 30 Raubkatzen dieser Gattung geben. Sie habe zwar immer wieder von angeblichen Beobachtungen nördlich von Ingolstadt gehört, "aber was uns fehlt, sind wissenschaftliche Beweise, die das belegen". Bilder von Fotofallen zum Beispiel oder mit der Kamera dokumentierte Trittspuren.

Was die Einstellung der Jäger betrifft, sind nach ihrer Erfahrung "fünf bis zehn Prozent sehr aufgeschlossen, wenn es um den Luchs geht, die überwiegende Mehrheit ist eher vorsichtig und unglücklich. Einige wenige sind nach dem Motto ,Wehret den Anfängen' radikal ablehnend". Zur letzten Kategorie gehört wohl auch der noch unbekannte Täter von Schneizlreuth.