Hilpoltstein
Ein Oscar für "Hands up"

ZellKultur erfreut sich bei fünfter Auflage einer ausverkauften Kulturfabrik Stargast aus England

22.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

Pantomamo ist von den Darstellern bei der Zellkultur begeistert und verleiht schon mal einen kleinen Oscar. - Foto: Leykamm

Hilpoltstein/Roth (lkm) Es war das erste kleine Jubiläum, dass die Veranstaltungsreihe "Hands up" feiern konnte: Zum fünften Mal trafen sich Hörbehinderte aus dem gesamten süddeutschen Raum, um sich auszutauschen und gemeinsam ein buntes Programm zu genießen. Initiator war auch diesmal Regens Wagner Zell, die zu dem Treffen im Rahmen ihrer Reihe ZellKultur eingeladen hatten.

Bei einem buchstäblich magischen Feuerwerk kamen am Nachmittag erst einmal die Jüngeren auf ihre Kosten. "Knallpurgas Reise zum Mond" nannte sich das artistische Märchen-Varieté, das zu Beginn in den Weltraum entführte - mit Seiltanz und Jonglage. Eine knappe Stunde lang gelang es Annette Will und Axel S, wie sich das Künstlerduo aus dem Raum Mainz nennt, die jungen Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Sie erzählten die Geschichte einer Hexe, die sich auf dem Weg zu dem besagten Erdtrabanten doch glatt verfliegt und auf einem merkwürdigen "Seilplaneten" landet. Doch der hat einiges zu bieten. Zum Beispiel abenteuerliche "Seilpflanzen", mit denen es sich toll jonglieren lässt. Und mit "interstellaren Äpfeln" einen geheimen Treibstoff, der dem defekten Besenantrieb der Gestrandeten wieder auf die Sprünge hilft. Die Geschichte wurde von den beiden Künstlern in Gebärdensprache erzählt und mit allerlei akrobatischen Kunststücken garniert. Damit auch alle Hörenden die Handlung verstehen konnten, lief ein Band synchron im Hintergrund mit. "Die Wirkung auf das Publikum war beeindruckend", so Peter Münch von Regens Wagner Zell. Viele Schwerstbehinderte hätten das Stück die gesamte Zeit konzentriert verfolgt.

Neben dem Stück rund um "Knallpurga" stand der Nachmittag im Zeichen verschiedener Workshops: Lokomotiven und Hexenfiguren konnten aus Recyclingmaterial wie Kronkorken gebastelt werden. Eine Fotowand stand bereit, um die Erinnerung an den Tag festzuhalten. Auch Heike Klier, die Chefin von Regens Wagner Zell, ließ sich dort mit Roths Bürgermeister Ralph Edelhäußer ablichten. Beide konnten am Abend 450 Gäste in der Kulturfabrik begrüßen an dem Klier als nette Reiseleiterin auftrat.

Dann schlug die Stunde von John Smith, ein gehörloser und international auftretender Komiker aus England. Hier traf britischer auf Gehörlosen-Humor, der sich durchaus von dem Hörender unterscheidet, wie Klier versichert. Zudem konnte Smith als Betroffener das eigene Schicksal auch ganz legitim humoristisch verarbeiten. Auf witzige Weise führte er Situationen vor Augen, die eigentlich nicht lustig sind: das alltägliche Ausgegrenztwerden Hörbehinderter. Die Hörenden bekamen dabei freilich ihr Fett weg. Wenn etwa Gehörlose in einen Kanalschacht stürzen, um Hilfe rufen und Passanten sich denken: "Sprechen die deutsch, amerikanisch, russisch - oder sind sie krank" Um dann schnell davon zu eilen, wenn sie den Grund der undeutlichen Laute erfahren. Ein vorbeikommender Dolmetscher bietet den Abgestürzten doch glatt einen Termin in vier Wochen an.

Grotesk auch die Szene im Zug, als der Schaffner einen schlafenden Gehörlosen kontrollieren will und ihn für tot hält, weil er nicht reagiert. Als er dann auf der Bahre wiedererwacht, weiß Smith auch die passende Schlagzeile: "Tauber Jesus von den Toten auferstanden!" Um den Zug drehte sich auch alles in der Rahmenhandlung des Abends. Die gesamte Truppe wartete nämlich am "Bahnhof Zell", um nach Roth zu kommen. Und vertrieb sich die Zeit mit dem Üben für den Abend. Da tobten Nonnen in "Sister Act"-Manier über die Bühne und "Pantomamo" konnte gar Oscars verteilen.

Der im bürgerlichen Leben Marcus Willam heißende gehörlose Mitarbeiter von Regens Wagner Zell schaffte es, drei Gäste aus dem Publikum spontan eine Eifersuchtsszene auf dem Podium spielen zu lassen. Alle Hauptakteure auf der Bühne stammten dabei aus den Reihen von Regens Wagner. Mit Ausnahme von Tobias Kramer, der vor einigen Jahren als Supertalent-Kandidat von sich reden machte. Unter seiner Betreuung liefen so auch die Berufsschüler Ahmed und Murat zur Höchstform auf. Während der Erstgenannte als Tänzer begeisterte, wusste Letzterer als Beatboxer das Publikum zu faszinieren. Murat sorgte zudem für die Synchronisation eines Sketchs des Duos "Oli & Alex". Die beiden vertrieben sich das Warten auf den Zug mit Sandwich essen: Der eine hatte ein fertiges dabei, der andere "bastelte" sich eins: mit der Schere als Brotmesser und der eigenen Socke als Salatschleuder.