Reichertshofen
Ein neues Bodengutachten soll Klarheit bringen

Gemeinderat: Zweieinhalb Stunden für Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange zum Bebauungsplan "Neustockau"

21.04.2021 | Stand 24.04.2021, 3:33 Uhr
"Neustockau": Hier soll das neue Baugebiet entstehen. −Foto: Vogl

Reichertshofen - Einen viereinhalbstündigen Sitzungsmarathon hatten die Reichertshofener Räte und die Zuhörer auf der letzten Gemeinderatssitzung zu bewältigen.

Den meisten Raum nahmen die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange rund um den Bebauungsplan "Neustockau" ein. Laut Bürgermeister Michael Franken wurden 88 Seiten verlesen.

Judith Mildner vom Pfaffenhofener Büro Wipfler Plan und Thomas Ender vom Büro Arnold Consult trugen mit Franken (JWU) zwei Stunden und 40 Minuten lang die Stellungnahmen vor. Das Baugebiet "Neu-stockau" soll zwischen der B13, der Neuburger- sowie der Lessingstraße entstehen, erschlossen wird es von der Neuburger Straße aus. 23 Parzellen sollen auf 2,5 Hektar entstehen. Die Gemeinde hat 40 Prozent der Fläche für Vergaben nach den Richtlinien des Einheimischenmodells erworben.

Das Thema hatte bei den Anwohnern der Lessingstraße für Unruhe gesorgt: Sie hatten sich mit Unterschriftenliste und ausführlichen Einwendungen gegen die Aufstellung des Bebauungsplans gewehrt. Zusätzlich wurde mittlerweile ein Rechtsgutachten beim Markt Reichertshofen eingereicht, welches den Planungsstand von 2019 ebenfalls kritisch bewertet.

Die Bedenken der Grundstückseigentümer an der Lessingstraße betreffen das Grundwasser. Dieses liegt sehr nah an der Oberfläche und muss für die Bebauung wohl abgesenkt werden. Sonst wären Erd- und Gründungsarbeiten nicht möglich. Die Anwohner befürchten eine beeinträchtigte Standsicherheit ihrer Gebäude, Setzungsschäden und Risse wegen der Austrocknung der Bodenschichten. Auch Schäden an der Vegetation durch Wasserentzug oder auch Nachteile für den Naturhaushalt und die Artenvielfalt wurden befürchtet.

Auf diese Punkte ging auch eine elfseitige Stellungnahme der Verwaltung ein, die Bürgermeister Franken zu Beginn verlas. Hinsichtlich der vorgebrachten Bedenken in Sachen Grundwasser heißt es: "Alle Fachleute, Geologen oder die Spezialisten des Wasserwirtschaftsamtes, haben uns mündlich signalisiert, dass mit der Planung keine geologischen Schwierigkeiten für die benachbarten Anwohner zu erwarten sind. " Dies gilt es noch mittels Gutachten auf aktuellem Planungsstand nachzuweisen. " Das heißt konkret: Ein neues, erweitertes Bodengrundgutachten soll erstellt werden. Das vorliegende Rechtsgutachten der Anwohner bezieht sich nämlich auf den Planungsstand von 2019. Dieser wurde mittlerweile aber wieder geändert. Die wichtigste Änderung: Das Baugebiet soll nun aufgefüllt werden. Dadurch seien für die Gründungsarbeiten laut Verwaltung nur temporäre, geringe Absenkungen notwendig. Negative Auswirkungen auf die umliegenden Gebäude seien nicht zu befürchten. Planungssicherheit soll das erweiterte Bodengrundgutachten schaffen.

Bürgermeister Franken versprach allerdings auch: "Sollte das Gutachten wider Erwarten ein anderes Ergebnis bringen, so ist die Situation neu zu bewerten. Denn trotz des hohen Bedarfs an Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen gilt es, die berechtigten Interessen der Anwohner zu wahren. " Der Rathauschef erinnerte auch daran, dass in der Nähe des geplanten Baugebiets vor einigen Jahren und an der Neuburger Straße Anfang der 2000er Jahre gebaut wurde. Damals musste ebenfalls das Grundwasser abgesenkt werden - ohne Schäden.

"Keine Fach- und Sachbehörde hat schwerwiegende Bedenken im Verfahren vorgebracht", sagte Franken zusammenfassend. Da sich die Diskussion vor allem um das Grundwasser dreht, soll hier vor allem die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes behandelt werden. Hier heißt es unter anderem, dass keine Altlasten vorhanden seien. Allerdings stellte auch das Amt fest, dass das Grundwasser oberflächennah ansteht: "Sollten im Zuge von Baumaßnahmen Grundwasserabsenkungen nötig werden, so sind diese im wasserrechtlichen Verfahren beim Landratsamt Pfaffenhofen zu beantragen. " Weiter heißt es: "Beim Einbringen von Baukörpern ins Grundwasser wird empfohlen, die Keller wasserdicht auszubilden und die Öltanks gegen Auftrieb zu sichern. " Zum Auffüllen des Geländes schreibt das Amt: "Sollten Geländeauffüllungen stattfinden, empfehlen wir dazu nur schadstofffreien Erdaushub. "

Über die oberirdischen Gewässer im Bereich heißt es: "Die beiliegende hydraulische Berechnung von Wipfler Plan zeigt, dass der Geltungsbereich im Südwesten von Überflutungen betroffen ist. " Überschwemmungsgebiete seien als Retentionsflächen zu erhalten. Sollten dem aber Gründe des Allgemeinwohls entgegenstehen, seien notwendige Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Wegen der Lage im Überschwemmungsgebiet bestünden aus wasserwirtschaftlicher Sicht derzeit Bedenken. Soweit kurz zusammengefasst die Stellungnahme des Amtes.

Die Verwaltung ging ausführlich auf die Gründe des Allgemeinwohls ein. Unter anderem hieß es in der Abwägung: "Mit Neustockau soll ein Baugebiet entstehen, das es auch benachteiligten Bevölkerungsgruppen ermöglichen soll, sich Wohneigentum zu schaffen. Dafür konnte der Markt 40 Prozent der Fläche aufkaufen, um diese nach sozialen Kriterien zu vergeben. Die Lage zu Bahnhof, Bus, Einkaufsmöglichkeiten, Kita und Schule ist ideal. " Die Abwägung ging außerdem auf den Bevölkerungszuwachs in der Region Ingolstadt und die starke Wirtschaftsdynamik ein, die eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Bauflächen erfordere. Der erforderliche Retentionsausgleich und die Flächen für die Regenrückhaltung werden laut Abwägung in der Planung berücksichtigt.

Weil das Bodengrundgutachten noch nicht vorliegt, wurden im Gemeinderat bisher nur die Abwägungsbeschlüsse getroffen. Diese wurden entweder einstimmig oder mit großer Mehrheit verabschiedet. Der Billigungs- und Auslegungsbeschluss soll in einer späteren Sitzung behandelt werden, sobald das Bodengrundgutachten vorliegt. In dieser Sitzung soll auch das Rechtsgutachten der Anlieger vorgestellt und behandelt werden.

DK