Ingolstadt
"Ein neuer Blick auf die Welt"

Das Stadttheater Ingolstadt plant für Sommer 2016 eine Kinderstadt – Sponsoren und Helfer gesucht

11.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:40 Uhr

Vorbereitung für das Projekt Kinderstadt: Ein Workshop für Kinder findet hier in der Gnadenthal-Mädchenrealschule statt, veranstaltet wird er vom Stadttheater Ingolstadt - Foto: Blüml

Ingolstadt (DK) Es gibt ein Theater, eine Universität, ein Museum – aber keine Kirche, keine Moschee. Was sonst noch an Gebäuden und Institutionen in der Kinderstadt entstehen wird, darüber entscheidet ein Kinderrat, der sich alle zwei Wochen im Stadttheater Ingolstadt trifft, um über die Ergebnisse aus den Workshops zu beraten. Im Rahmen der Visionenwerkstatt, die Intendant Knut Weber und sein Team seinem Haus verordnet hat, wird im Frühsommer 2016 ein Großprojekt im Klenzepark realisiert: eine Kinderstadt. Zwei Wochen lang haben Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren die Möglichkeit, Bürger einer eigenen Stadt zu sein, über Verfassungsform und Gesetzgebung, Architektur und Währung, Ökologie und Fair Trade, kulturelle Programme und soziale Institutionen zu diskutieren und zu entscheiden.

„Es ist fast eine logische Entwicklung unserer Arbeit für Kinder und Jugendliche“, erklärt Knut Weber. „Es geht um Schulung in Demokratie und Erweiterung von Bildungs- und sozialen Kompetenzen. Natürlich könnte man sagen, das ist Aufgabe der Stadt oder des Kulturamts. Aber das hat auch mit dem Theater zu tun. Deshalb haben wir uns entschieden, diese Kinderstadt zu initiieren. Das Spiel ist ein wesentliches Element.“ Und nicht nur, wenn die Kinderstadt bereits ihre Tore geöffnet hat, sondern auch in der Vorbereitung selbst. Ganze zwei Jahre dauern die und sind angefüllt mit Gesprächen und Ideen, mit Workshops und Werkstätten, mit der Suche nach Mitspielern und Sponsoren.

Wie soll die Stadt strukturiert sein? Wie sollen die Häuser aussehen? Braucht man eine Verfassung, einen König, einen Präsidenten, einen Rat, eine Polizei? Für welches Wirtschaftsmodell entscheidet man sich? Bezahlt man mit Geld? Einige Workshops wurden bereits realisiert, und Theaterpädagogin Kathrin Lehmann hat die Erfahrung gemacht: „Was die Kinder im Großen erleben, bilden sie im Kleinen nach. Unsere Aufgabe ist es daher auch, alte Denkmuster aufzubrechen und Neues zu wagen. Es gibt beispielsweise ein ganz großes Gerechtigkeitsempfinden bei den Kindern: Der Müllmann verdient genauso viel wie der Bürgermeister. Sie sind auch sehr sozial. Und sie wollen unbedingt eine Polizei, weil sie die Uniformen cool finden, über die eigentliche Funktion der Polizei haben sie sich noch keine Gedanken gemacht.“

Vier Workshops zur Architektur (in Zusammenarbeit mit den Baupiloten), zu Journalismus, Fair Trade und Konfliktmanagement sind in den Osterferien noch geplant. Deren Erkenntnisse fließen dann in konkrete Modelle ein. Erste Entwürfe sollen beim offiziellen Kick-off am 11. April dieses Jahres präsentiert werden. „Man darf sich keine utopischen Modelle – beispielsweise für eine neue Architektur – erwarten“, gibt Weber zu bedenken. „Aber man kann in diesen Wünschen der Kinder Defiziterfahrungen von heute erspüren. Und ich hoffe, dass man das eine oder andere produktiv in die Zukunft Weisende aus diesen Modellen ziehen kann.“

Die Kinderstadt wird in der Exerzierhalle ihre Heimat finden – und bei schönem Wetter auch drum herum. „Wir haben uns diesen Ort gewünscht“, sagt Weber. „Damit wird für uns auch schon mal perspektivisch die Exerzierhalle als Spielort für die Zeit der Generalsanierung des Stadttheaters vorbereitet.“ Zwei Wochen lang soll die Stadt dann 2016 vormittags für Schulklassen und nachmittags für alle Kinder kostenfrei zugänglich sein. Jeder, der Lust hat, kann als Bürger dort Rechte und Pflichten wahrnehmen. Im Theater wird es übrigens auch Vorstellungen geben. Das nächste Schultheatertreffen soll in die Kinderstadt integriert werden. Geplant ist auch ein „Elterngarten“, denn Erwachsene haben keinen Zutritt zur Kinderstadt.

Ein enormer Kraftakt für das Stadttheater – logistisch, personell, finanziell. Die Kosten für die Kinderstadt schätzt Intendant Weber auf „unter 300 000 Euro“. Und weil das Stadttheater das keinesfalls allein stemmen kann, ist man auf die Unterstützung von Institutionen, Vereinen, Sponsoren etc. angewiesen, um die Visionen der Kinder realisieren zu können. Gebraucht wird alles: Geld natürlich, aber auch Material, Einrichtungsgegenstände, Spielmaterial, logistische Unterstützung, Know-how von Dachdeckern, Installateuren, Maurern und Betreuungspersonal. Wer etwas beitragen will, kann man sich unter theaterpaedagogik@ingolstadt.de melden.

Und was verspricht sich das Theater von diesem Projekt? „Schon eine mittelfristige oder auch langfristige emotionale Bindung ans Theater“, sagt Intendant Weber. „Aber das Projekt geht weit darüber hinaus. Ich erhoffe mir einen neuen Blick der Kinder auf die Welt.“