Ingolstadt
"Ein netter Zufall"

Im Hochbauamtsprozess am Landgericht kann sich der Spezialanwalt der Stadt nicht an Unregelmäßigkeiten erinnern

26.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Ingolstadt (DK) Wenn es eine Erkenntnis aus den bisherigen drei Verhandlungstagen im Hochbauamtsprozess am Ingolstädter Landgericht gibt, dann sicherlich diese: Die Berufungskammer nimmt sich des Falles um angebliche Mauscheleien beim Bau der Mittel- und der Realschule im Schulzentrum Südwest ausführlichst an. Der Vorsitzende Richter Konrad Riedel fragte gestern die Zeugen wieder so umfangreich und intensiv, dass mancher Verteidiger gar nicht mehr eigene Fragen stellen wollte beziehungsweise brauchte.

Das lag sicherlich auch an den Antworten des 47-jährigen Chefs der Spezialanwaltskanzlei, von der sich die Stadt Ingolstadt im Jahr 2009 hatte beraten lassen. Mit dem Experten für Vergaberecht und dessen Mitarbeitern an der Seite suchte die Stadt die beiden Planer aus, die dann die Schulen entwerfen sollten. Laut dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft soll das von städtischer Seite so hingebogen worden sein, dass letztlich nur die beiden Architekturbüros übrig bleiben konnten, die auch die Aufträge bekamen. Sie sollen schon vor dem Start festgestanden haben, was die Verantwortlichen (angeklagt sind der Hochbauamtschef, sein Stellvertreter und drei Architekten) aber vehement bestreiten.

„Ich hatte nicht den Eindruck, dass Neigungen bestanden, bestimmte Bewerber zu bevorzugen“, sagte der Spezialanwalt in seiner mehr als dreistündigen Aussage. Aus seiner Sicht sei alles „regelhaft“ abgelaufen. Die Handelnden in Ingolstadt – und dabei war ihm vornehmlich der 40-jährige Amtsleiter „gut“ in Erinnerung geblieben – hätten „offen, kommunikativ, interessiert“ gewirkt, aber „alles andere als forsch“. Man habe keinen Fehler machen wollen.

Wobei der Anwalt, wie sich bei Richter Riedels Fragen schnell herausstellte, nur noch sehr vage Erinnerungen an den Ingolstädter Fall hatte. Nach mehr als sechs Jahren und einer Kanzlei mit bisher offenbar weit über 10 000 Vergabefällen möglicherweise nachvollziehbar. Auf Unterlagen hatte er nicht zurückgreifen wollen. Die Handakten aus seiner Kanzlei waren von der Polizei nie beschlagnahmt worden, obwohl die Ermittler zur Razzia im Technischen Rathaus in Ingolstadt und auch bei den Architekten vorbeikamen. Jetzt, in der Berufungsverhandlung, forderte sie Richter Riedel von dem Anwalt an. Der erklärte sich auch gerne bereit dazu, obwohl er aktuell gar nicht wisse, wo sie seien. Die Kanzleibetreiber hatten sich vor einem Jahr getrennt.

So berichtete der Vergabeexperte vor allem, wie es „üblicherweise“ im Verfahren ablaufe. In der ersten Phase gibt es Bewerbungen der Architekten, dann wird mit den aussichtsreichsten Kandidaten verhandelt. Das Gericht kam aber schnell auf die möglichen Unregelmäßigkeiten in Ingolstadt zu sprechen. An den formalen Hürden der Bewerbung, in der bestimmte Unterlagen vorgelegt werden müssen, blieben fast alle Büros hängen. Die angeklagte Architektin fragte angeblich bei der Kanzlei nach, woran ihre Bewerbung krankte – und erhielt angeblich den entscheidenden Tipp, der sie eine Runde weiterbrachte. Das zweifelte der Kanzleichef massiv an. Sein eingesetzter Mitarbeiter sei „übervorsichtig, ein Angsthase“ gewesen. Dass er eine Partei so bevorteile, könne einfach nicht sein.

Dass das andere Architekturbüro, das vor dem Start des Verfahrens als einziges schon Pläne für das Schulgelände gezeichnet hatte, ebenfalls den Zuschlag bekam, ist Fakt. Der Anwalt sagte aber: „Wohl ein netter Zufall.“

Der Prozess wird am nächsten Donnerstag fortgesetzt, das Urteil soll Ende Februar fallen.