Hinterkaifeck
Ein mutmaßliches Kriegsopfer

Offene Fragen: Was geschah damals bei Neuville?

09.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:16 Uhr

Hinterkaifeck (SZ) Er war der wahrscheinlich bekannteste Kriegsteilnehmer aus dem Schrobenhausener Land: Karl Gabriel aus Hinterkaifeck. Wobei aus seiner Zeit im Krieg selbst weit weniger bekannt ist als an Geschichten, die darüber hinaus gehen.

Karl Gabriel kam am 16. Dezember 1888 als ältester von sechs Brüdern in Laag zur Welt. Am 11. März 1914 heiratete er seine Nachbarin, Viktoria, eine geborene Gruber, aus Hinterkaifeck. Sie galt als betörend schöne Frau, als eine Sängerin mit einer herausragenden Stimme.

Kurz vor der Vermählung schlossen die beiden einen Ehevertrag. Soweit überliefert ist, lebte Karl Gabriel nur kurz am Hof seiner Gattin, kehrte bald wieder nach Laag zurück. Nachbarn gaben dafür später verschiedene Gründe an; die Gerüchte über Inzest zwischen Viktoria Gabriel und ihrem Vater Andreas gehörten dazu. Andere sagten, der Geiz der Grubers hätte ihn fortgetrieben, mittags habe es nicht einmal etwas zu essen gegeben.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Karl Gabriel freiwillig. Am 14. August 1914 wurde er eingezogen und kam nach Kösching zum Rekrutendepot. Am 8. Dezember wurde er als Reserve-Infanterist der 6. Kompanie an die Front beordert. Nur vier Tage später war er tot, gefallen bei einem Erkundungsversuch vor einem Schützengraben bei Neuville. Laut Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ruht er auf der Kriegsgräberstätte in St. Laurent-Blangy in einem Kameradengrab. Die Geburt seiner Tochter Cilli im Januar 1915 erlebte Karl Gabriel nicht mehr. Auch Karl Gabriels Brüder Stephan und Xaver kehrten nicht aus dem Krieg zurück, beide starben 1916, der eine bei Beanrains, der andere bei Norilsk.

Aber es gibt Zweifel am Tod Karl Gabriels. Hartnäckig halten sich bis heute Gerüchte, er wäre nicht auf dem Feld gefallen, sondern er habe die Erkennungsmarke, die auch schon Soldaten im Ersten Weltkrieg hatten, mit der eines Gefallenen auf dem Feld getauscht und sich aus dem Staub gemacht. Demnach wäre ein anderer Kriegstoter mit seinem Namen beigesetzt worden.

Die Gerüchte besagen ferner, Karl Gabriel habe sich schließlich bis nach Russland durchgekämpft; dort habe er – wie wohl gar nicht so wenige Deutsche damals – später als Söldner angeheuert. Immer wieder gab es später, im Zweiten Weltkrieg, Gerüchte darüber, dass bayerische Kriegsgefangene von einem russischen Kommissar, der bayerisch sprach und aus dem Schrobenhausener Raum stammte, Sonderbehandlung erfahren haben sollen.

1943 berichtete ein Fronturlauber aus Ebenhausen in einer Schrobenhausener Wirtschaft, er sei in der russischen Gefangenschaft von einem Kommissar vernommen worden. Der Ingolstädter Kraftfahrer Matthias Eser behauptete 1943, dass ihn ein russischer Kommissar namens Karl Gabriel aus russischer Gefangenschaft entlassen habe. Eser nahm die Aussage allerdings später wieder zurück. Ähnliche Aussagen gibt es von einem Treuchtlinger Justizbeamten und einem Passauer Soldaten.

Im Jahr 1999 meldete sich eine Dame aus der Nähe von Geisenfeld, Therese Großöhme, bei der Schrobenhausener Zeitung. Sie erzählte von dem Mieter ihrer Eltern, einem Mann namens Lorenz Hausfelder, der behauptet hatte, er habe Karl Gabriel 1926 – also Jahre nach der Bluttat von Hinterkaifeck am 31. März 1922 – in Pfaffenhofen getroffen.

Zwei Waidhofener Kriegskameraden von Karl Gabriel, Josef Bichler und Nikolaus Haas, erklärten, sie hätten den toten Karl Gabriel gesehen, wie er auf dem Feld lag, mit schweren Verletzungen am Kopf. Sie hätten ihn einwandfrei identifizieren können. Offen bleibt dennoch die Frage, ob sie nicht ihren Kameraden auch gedeckt hätten, für den Fall dass er dann doch fahnenflüchtig gewesen wäre.