Eichstätt
Ein Musiker der ganz feinen Art

Nachruf auf Hans Drechsler, der 41 Jahre das Kammerorchester geleitet hat - Requiem am Samstag

19.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:27 Uhr
Peter Abspacher
So bleibt er seinen Musikern und den Eichstättern in bester Erinnerung: Hans Drechsler als Leiter des Eichstätter Kammerorchesters, die Aufnahme entstand 2009. −Foto: Chloupek/Archiv

Eichstätt (EK) Dirigenten, und zwar nicht nur die Maestri großer Orchester, haben oft einen diktatorischen Führungsstil.

Sie sollen und müssen ja vorgeben, wie ein Werk von Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach oder Wolfgang Amadeus Mozart zu spielen ist. Längere Debatten mit einem jungen Heißsporn am dritten Pult der zweiten Geige oder mit der Stimmführerin der Bratschen sind da nicht unbedingt zielführend. Hans Drechsler, der 37 Jahre lang ein begeisterter und begeisternder Musikpädagoge am Willibald-Gymnasium war und sogar 41 lange Jahre als Dirigent des Eichstätter Kammerorchesters Maßstäbe gesetzt hat, hat gezeigt, dass es auch anders geht. Hans Drechsler, geboren 1936 in München und vergangenen Woche im Klinikum Ingolstadt verstorben, war ein feiner Mensch und Musiker.

Drechsler war einer, der seine vielen Schülerinnen und Schüler ermutigt und geführt, nicht getrieben hat, ein Mann mit Humor und auch mit der Fähigkeit zur Selbstironie. Wenn einmal, vielleicht sogar bedenklich nah am Konzerttermin, eine Passage in einer Haydn-Symphonie oder im Presto einer barocken Suite ziemlich schräg und durcheinander klang, wurde ein Hans Drechsler nicht richtig laut oder unangenehm. Er legte den Kopf etwas zur Seite, hob den Finger ein wenig und bemerkte dann: "Die Stelle bedarf der Pflege. " Alle Orchestermitglieder - vor allem jene, die es wirklich anging - wussten dann: Jetzt müssen wir richtig üben, jetzt ist Einsatz gefragt. Damit auch die Stücke in etwas anspruchsvolleren Tonarten, sagen wir ab drei Kreuz oder vier b, beim Konzertpublikum einen guten Eindruck hinterlassen. Ein Pult oder gar einen Einzelnen heikle Stellen vorspielen lassen, solche erzieherischen Mittel waren Hans Drechsler fremd. Sie passten nicht zu seiner Persönlichkeit, zu seiner Freundlichkeit und seiner großen Geduld. Hans Drechsler vertraute seinen Musikern, er durfte auf seine Ausstrahlung am Dirigentenpult setzen. Wenn es ernst wurde, trugen die innere Sicherheit und das musikalische Feuer von Hans Drechsler die Aktiven durch eineinhalb oder zwei Stunden Konzert. Sie halfen auch über - seltene - brenzlige Situationen hinweg.
Drechsler kommt nicht aus einer Musikerfamilie, der Vater war Sportlehrer, die Mutter stammte aus einer alteingesessenen Münchner Konditorei. Handwerk hat goldenen Boden, der Bub soll also etwas "Richtiges" lernen, nicht etwas Künstlerisches - so könnte man denken. Aber die Mutter, das weiß Hans Drechslers Witwe Roswitha zu erzählen, erkannte die Begabung des kleinen Hans und war sehr dahinter her, dass er ordentlich Klavier und Geige übte. Auch eine Tante, Konzertpianistin, hatte auf die Entwicklung von Hans einen positiven Einfluss.
Nach dem Studium an der Musikhochschule in München kam Drechsler als junger Musiklehrer 1962 nach Eichstätt ans Willibald-Gymnasium. Es gefiel ihm dort so gut, dass er ununterbrochen bis zur Pensionierung 1999 tausenden von Schülerinnen und Schülern etwas mitgeben konnte, was ein ganzes Leben lang ein Schatz bleiben kann: die Freude an der Musik, am Spielen eines Instrumentes und auch am Singen. Zu seinen Schülern zählten etwa der spätere Bischof Gregor Maria Hanke, der spätere Oberbürgermeister Arnulf Neumeyer und der spätere leitende Oberarzt und Bürgermeister Josef Schmidramsl. Neben unzähligen nicht so bekannten Namen, die von Hans Drechsler etwas Schönes aus ihrer Schulzeit mitnehmen konnten. Gerade auch solche, die von Hause aus nicht die begabtesten Musiker waren.
Als Drechsler nach fast 41 Jahren 2009 die Leitung des Eichstätter Kammerorchesters abgeben musste, kam eine Phase der Unsicherheit für das Ensemble, eine längere Pause, Die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin gestaltete sich nicht einfach, fünf mögliche Kandidaten mussten Drechsler absagen. Es wäre ihm arg gewesen, wenn sein Orchester sich nach seinem Abschied hätte auflösen müssen. Zum Glück aber lebt und gedeiht der Klangkörper unter dem neuen Dirigenten Georg Hanauska weiter. Beim Requiem am kommenden Samstag, 22. Dezember, um 11 Uhr im Dom wird Hans Drechsler natürlich von "seinem Orchester" noch einmal musikalisch gewürdigt.

Peter Abspacher