Györ
Ein "Meilenstein" für Audi in Györ

Ingolstädter Autobauer startet an seinem ungarischen Standort die Fertigung von Elektromotoren

24.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:12 Uhr
Per fahrerlosem Transportsystem werden in Györ die E-Motoren von einer Arbeitsstation zur anderen gefahren. Die "Inselfertigung" ist hochflexibel, bietet aber nur relativ wenige Jobs. −Foto: Oppenheimer

Györ (DK) Ein "nachhaltiger Mobilitätsanbieter" soll Audi in Zukunft laut Produktionsvorstand Peter Kössler werden. Mit der Eröffnung der E-Motorenfertigung in Györ macht der Autobauer einen weiteren Schritt in diese Richtung. Grenzenlose Begeisterung für die neue Technik dürfte im ungarischen Werk aber trotz des Zuschlags nicht herrschen.

Längst ist der Standort Györ aus dem Audi-Produktionsverbund nicht mehr wegzudenken - seit 25 Jahren gibt es ihn bereits. Mehr als acht Milliarden Euro hat Audi über die Jahre hier investiert. Anfangs wurden ausschließlich Verbrennungsmotoren produziert, doch im Laufe der Jahre gewann Györ weiter an Bedeutung. So wurde im Jahr 2001 eine technische Entwicklung installiert, 2005 kam ein Werkzeugbau hinzu. Seit 2013 werden auch komplette Fahrzeuge in Györ gebaut wie etwa der TT und die A3 Limousine. Und seit gestern werden dort nun auch offiziell E-Antriebe gefertigt. Die genauen Kosten für den Aufbau der E-Motorenproduktion verrät Audi nicht - lediglich, dass es sich um einen höheren zweistelligen Millionenbetrag handele.


Die schlechte Nachricht für die Mitarbeiter: Die Produktion der E-Antriebe läuft hochautomatisiert ab. Gerade einmal 100 Menschen werden zum Start dort arbeiten, bis zum Jahresende sollen es 130 sein. Zum Vergleich: Aktuell arbeiten in der Fertigung von Verbrennungsmotoren in Györ noch 6000 Menschen. Allerdings werden zurzeit auch noch wesentlich mehr Verbrennungsmotoren gebaut - rund 9000 Stück pro Tag sind möglich.

An Elektromotoren sollen täglich etwa 400 Stück gebaut werden. Das wären Antriebe für 200 Fahrzeuge, da der e-tron - Audis Elektro-SUV, das im September in San Francisco vorgestellt werden soll - jeweils einen Antrieb an der Vorder- und einen an der Hinterachse benötigt. Die e-tron-Markteinführung sei für Anfang nächsten Jahres geplant, sagte Audi-Produktionschef Kössler gestern in Györ. Noch vor Kurzem hatte es geheißen, der e-tron komme noch heuer auf den Markt.

Kössler gibt sich dennoch optimistisch, was die Arbeitsplätze angeht. "Wir sehen keinerlei Beschäftigungsproblem für Györ. " Er verwies darauf, dass Györ eben schon längst kein reines Motorenwerk mehr sei. An dem Standort wird künftig zusätzlich auch noch der neue Q3 gefertigt.

Gerade mal ein Zehntel der Teile des Verbrennungsmotors brauche ein E-Motor, erklärte Audi-Hungaria-Chef Achim Heinfling. Und: Nicht der ganze E-Antrieb wird in Györ gefertigt. Nur etwa rund 20 Prozent der Wertschöpfung finden vor Ort statt. Leistungselektronik, Rotor und Getriebe werden zugekauft.

Der sogenannte Stator dagegen wird in Györ produziert. Dessen Fertigung ist eine Wissenschaft für sich. Aus dutzenden schwarzen Fässern läuft Kupferdraht in eine Maschine, die daraus sogenannte Spulen dreht. Diese werden dann wiederum in ein Rohteil eingezogen. Je enger die Wicklung, desto effizienter gelinge die Leistungsentfaltung. Um Platz zu sparen, wird das Ganze dann noch gepresst und - damit nichts verrutscht - von einem nähmaschinenartigen Apparat "verhäkelt" Um wirklich jegliche Bewegung zu vermeiden, wird zum Schluss der komplette Stator mit Harz versiegelt. Für all diese Arbeitsgänge mussten zunächst einmal Maschinen entwickelt werden.

Péter Szijjártó der ungarische Minister für Außenwirtschaft und Auswärtiges sprach bei der Einweihung der E-Motoren-Fertigung gestern von einem "Meilenstein". Er betonte, dass die Erfolge der Vergangenheit keine Sicherheit für die Zukunft böten. Man befinde sich inzwischen in einer digitalen Epoche. "Wir leben heute mit Technologien, von denen wir früher nicht einmal zu träumen wagten. "

Dass die Welt sich immer schneller dreht, zeigt auch die Halle selbst, in der nun die E-Antriebe gebaut werden sie war eigentlich für Logistik gedacht. Und auch die drei neuen E-Motorenprüfstände stehen in einem Gebäude, das ursprünmglich nur auf Verbrennungsmotoren ausgelegt war. "Die Zeit hat uns ein wenig überholt", sagte ein Audi-Hungaria-Mitarbeiter.

In der E-Motorenfertigung setzt Audi auf die sogenannte Inselfertigung. Das bedeutet, dass die Motoren nicht an einem Band hergestellt werden, sondern auf Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) von Station zu Station fahren.

Zunächst wird in Györ wohl zwei bis drei Jahre exklusiv für die e-tron-Familie gefertigt. Danach dürften sich - wie bei den Verbrennungsmotoren - auch die Konzernschwestern dort bedienen. Wie sehr man die Produktion umstellen muss, wenn Fahrzeuge auf dem mit Porsche entwickelten Baukasten PPE (Premium Platform Electric) vom Band rollen, wird sich zeigen müssen. Laut Kössler ist man dank der modularen "Inselfertigung" aber hochflexibel.
 

Sebastian Oppenheimer