Sinzing
Ein märchenhafter Waldspaziergang

Serie Sagenhaft

07.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:19 Uhr
Der Zwergenkönig hat es nicht geschafft, das Herz eines schönen Burgfräuleins zu erringen - auch wenn er ihr sogar seine Krone geschenkt hätte. −Foto: Hildebrand

Mythen, Märchen und Legenden - unsere Region ist voll davon. Der Volkskundler Franz Xaver Schönwerth aus der Oberpfalz hat viele solcher Sagen und Mythen gesammelt. In Sinzing bei Regensburg ist seinen Geschichten ein Märchenpfad mit zahlreichen Stationen gewidmet.

In Zeiten, in denen das Leben noch nicht so sehr von Wissenschaft und Technik geprägt war, wurden viele Lebensweisheiten in Geschichten verpackt, Sagen und Märchen sind entstanden, mystische Begebenheiten wurden weitererzählt. Viele dieser Geschichten sind verloren gegangen, denn aufschreiben konnte man sie nicht. Man war darauf angewiesen, sie von Generation zu Generation weiterzuerzählen. Doch einige der Sagen und Mythen sind dank fleißiger Sammler übermittelt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1886 widmete sich zum Beispiel Franz Xaver Schönwerth, geboren 1810 in Amberg, dem Leben der Menschen in der Oberpfalz. Er schrieb Märchen und Sagen auf, er hielt Schwänke und Sprichwörter für die Nachwelt fest. Auch Kinderlieder und Kinderreime finden sich in seiner Sammlung. Jakob Grimm, einer der beiden Gebrüder Grimm, sagte einst über Schönwerth: "Nirgendwo in ganz Deutschland ist umsichtiger, voller und mit so leisem Gespür gesammelt worden." Die Sammlung umfasst über 500 Märchen.

Wer sich auf die Spuren des Volkskundlers machen will, der hat in Sinzing auf dem Märchenpfad die Gelegenheit dazu. Neun von Schönwerths Märchen sind hier angerissen, Schautafeln erläutern die Szenen, die Besucher können Fragen zu den Märchen beantworten. Und es gibt etwas zu bestaunen: Figuren aus Holz, Stein und Metall stehen - teils versteckt, teils offen - entlang des Weges, natürliches Material aus dem Wald wird für einzelne Stationen verwendet, im Zwergenpalast lässt es sich wunderbar ausspannen. Vor dem Palast wacht der Zwergenkönig aus Bronze auf einem Stein. "Ein Burgfräulein ging mit ihrer Freundin am Wasser spazieren. Da tanzte vor ihren Augen ein spitzes graues Hütchen auf dem Wasser. Das Fräulein ging nun öfter ans Wasser, und immer näher tanzte das Hütchen heran und war zuletzt vor ihren Füßen. Nicht lange, und das Hütchen setzte sich ihr auf den Kopf", so beginnt das Märchen vom Zwergenkönig. Als das Burgfräulein eines Tages ausrutscht und ins Wasser fällt, nehmen sich die Wasserzwerge seiner an und pflegen es. Der König verliebt sich in das Mädchen, hält um ihre Hand an. Das Fräulein weist den Antrag ab, der König baut einen Palast mit wertvollen Kristallen, doch das Mädchen will zurück auf die Erde.

Die Besucher des Pfades in Sinzing bekommen Fragen gestellt: Wozu brauchte und braucht man die Schätze der Berge wie Zinn, Kupfer, Quecksilber, Gold, Mangan, Kobalt, Kaolin? Wie hätte der König anders reagieren können? Wie hätte das Burgfräulein anders reagieren können?

Der Märchenpfad erzählt also nicht nur Geschichten und setzt sie bildlich um, er lädt auch zum Nachdenken ein - und das ist nicht nur etwas für Kinder, auch Erwachsene werden in den Bann der einzelnen Märchen gezogen. Und so kann man mehr erfahren über Prinz Roßzwifl und sein Schicksal oder über das gefangene Holzfräulein und die Wette mit dem Teufel.

Der Pfad selbst umfasst nur wenige Hundert Meter - und doch ist hier so viel zu erleben, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Für Lehrer gibt es ein Begleitheft, das die Märchen kindgerecht aufbereitet und Anregungen für den weiteren Unterricht gibt. So findet Franz Xaver Schönwert, der vor 219 Jahren auf die Welt gekommen ist, Beachtung bei den Kindern von heute. Und vieles, was als Lehren in den alten Sagen und Märchen zu finden ist, gilt auch noch heute. Man muss also gar nicht bei den Gebrüdern Grimm oder bei Hans Christian Andersen suchen - auch in der Region gibt es überlieferte Geschichten voller Spannung.

Seit 2009 kümmert sich die Schönwerth-Gesellschaft mit Sitz in Amberg um das kulturelle Erbe des Oberpfälzers. "Zweck des Vereins ist es, das Andenken an den großen Oberpfälzer Sprachforscher und Volkskundler, Sagen- und Märchensammler Franz Xaver von Schönwerth zu fördern, sein ganzes volkskundliches Werk einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, seinen Nachlass weiter zu bearbeiten, insbesondere die Märchen- und Sagenforschung, sowie das Märchen- und Sagenerzählen in der Oberpfalz zu unterstützen", heißt es in der Satzung. Schönwerths Nachlass wird im Stadtarchiv Regensburg aufbewahrt und gehört dem Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg.

Der Märchenpfad in Sinzing ist dabei nicht der einzige Ort, der an Schönwerth erinnert. In Wackersdorf im Landkreis Schwandorf gibt es einen Märchengarten, im Zottbachtal bei Neuenhammer im Landkreis Neustadt an der Waldnaab einen Sagen- und Märchenpfad. Weitere Informationen zu Schönwerth und seinen Werken gibt es im Internet unter www.schoenwerth.de.

Ursula Hildebrand