Berlin
Ein logischer Wechsel?

Ex-Gesundheitsminister Bahr heuert bei privater Krankenkasse an – und ruft damit die Kritiker auf den Plan

30.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:10 Uhr

Berlin (DK) Daniel Bahr will keine Fragen mehr zu seiner neuen Karriere beantworten. Sein Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft lässt die Forderungen nach gesetzlichen Regelungen und Karenzzeiten lauter werden. Der frühere Bundesgesundheitsminister und FDP-Politiker übernimmt einen Posten bei der Allianz Private Krankenversicherung, zunächst als Generalbevollmächtigter, bevor er in den Vorstand aufrücken soll.

Bereits als Parlamentarischer Staatssekretär und später als Gesundheitsminister hatte sich der Liberale für die Interessen der privaten Krankenversicherung eingesetzt. Die nach ihm benannte Zusatzversicherung, der Pflege-Bahr, wird auch von seinem künftigen Arbeitgeber, der Allianz PKV, angeboten.

Erst der frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), der zur Bahn AG gewechselt ist, dann Ex-Entwicklungsminister und FDP-Mann Dirk Niebel, der bei einem Rüstungskonzern angeheuert hat und schließlich dessen liberaler Parteifreund Daniel Bahr, der an die Spitze der Allianz-Krankenversicherung rückt. Den neuen Job in München tritt der 37-jährige Familienvater am 1. November an. „Es wäre verwunderlich gewesen, wenn ich jetzt für die Automobilindustrie arbeiten würde“, verteidigte der FDP-Politiker seinen Wechsel. Einen Interessenkonflikt will er nicht erkennen. Für ihn als Gesundheitsökonom sei es „logisch“, auch künftig in diesem Bereich weiter tätig zu sein. Auch den Vorwurf des Lobbyismus will Bahr nicht gelten lassen. Schließlich stehe sein Schreibtisch in München, wo er im operativen Geschäft des Konzerns arbeiten werde und nicht als Türöffner und Lobbyist in Berlin. Zudem sei die Karenzzeit zwischen dem Ausscheiden aus seinem Amt als Gesundheitsminister und dem neuen Job mit knapp einem Jahr „hinreichend“. Der Gesundheitsexperte hatte zuletzt in den USA die US-Administration beraten.

Ganz anders sehen das die Opposition und die Organisation Lobbycontrol: „Anrüchig“, „hochproblematisch“, „dreist“, hieß es gestern in den Reihen von Linksfraktion und Grünen. Einmal mehr wird der Ruf nach klaren Regeln für den Seitenwechsel von Politikern in die Wirtschaft laut. Union und SPD hatten bereits im Koalitionsvertrag das Ziel einer „angemessenen Regelung“ formuliert, um auch nur den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden. Ein entsprechendes Gesetz lässt aber bisher auf sich warten. In der nächsten Woche soll sich der Bundestag mit der Einführung von Karenzzeiten von Regierungsmitgliedern beschäftigen. „Wir brauchen dringend eine gesetzliche Regelung“, erklärte die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, und warf der schwarz-roten Koalition vor, dies zu blockieren.

Gestern schließlich meldete sich auch FDP-Chef Christian Lindner zu Wort, der den Wechsel seines Parteifreundes zunächst nicht kommentiert hatte. Gerade hatte sich der Wirbel um den früheren Entwicklungsminister und FDP-Mann Dirk Niebel gelegt, da macht mit Ex-Gesundheitsminister Bahr ein weiterer Liberaler Schlagzeilen, die die krisengeschüttelte Partei nicht gebrauchen kann.

Bahr werde im Unterschied zu anderen Politikern nicht wegen seiner Kontakte, sondern wegen seiner Kenntnisse als anerkannter Gesundheitsfachmann angeheuert, erklärte Lindner. Sich für die private Krankenversicherung und damit für eine wichtige Säule des Systems einzusetzen, sei „nicht ehrenrührig“.