Gerolsbach
Ein Leben voller Musik und noch viel mehr

09.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

Foto: DK

Günter Stoppe - dieser Name taucht wieder und wieder auf, wenn es um Gerolsbach und um Musik geht. Was für eine Lebensgeschichte dieser Mann erzählen kann. Sie wäre ein Buch wert. Ein Porträt über einen bemerkenswerten Menschen.

Er hat in seinem Leben so manch kritische Situation gemeistert; so etwa bei seinen Einsätzen in Nord- und Ostsee. Danach sollte die See Günter Stoppe nie mehr ganz loslassen. Und irgendwie auch Gerolsbach nicht - wohin ihn einst die Liebe geführt hatte. "Gerolsbach hat mir auf Anhieb gefallen", sagt Günter Stoppe.

Geboren wurde Stoppe am 17. Oktober 1925 im Riesengebirge, dem heutigen polnischen Jelenia Góra. 1943 wurde Stoppe zur Kriegsmarine nach Stralsund eingezogen. Die Küsten von Holland, Belgien und Frankreich waren seine Einsatzgebiete. Bei der Invasion 1944 kam er erst in kanadische, dann in polnische, zum Schluss in englische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1947 meldete er sich 1948 als Freiwilliger zu dem 1945 von den Alliierten eingerichteten "Deutschen Minenräumdienst". Die See blieb auch danach ein wichtiger Teil seines Lebens. Auf dem Forschungsschiff "Gauss" wirkte er 1954 bis 1957 bei der Vermessung der Dänemark-Straße zwischen Island und Grönland mit. Wer war schon in den 1950er-Jahren bei den Eskimos in Grönland? Günter Stoppe! Für weitere zehn Jahre war er beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Wilhelmshaven beschäftigt; auch hier wurde wieder vermessen, erprobt und getestet. Das war, so kann man wohl sagen, "das erste Leben" des Günter Stoppe, in dem er viel Schweres erdulden und Entbehrungen ertragen musste, aber sicher auch Interessantes erlebt hat.

Die Liebe führte ihn dann nach Gerolsbach. Wegen der Arbeitsmarktsituation musste er, ehe er sich 1968 in Gerolsbach niederließ, eine Zwischenstation beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Stuttgart einlegen. Von Gerolsbach aus pendelte er schließlich zu seiner Arbeitsstelle in München, die ihn zu Vermessungen von Straßen und Fernleitungen in ganz Oberbayern einsetzte. Er war wohl einer der ersten Pendler, die täglich von Gerolsbach nach München fuhren. Dass ihm Gerolsbach von Anfang an gefiel, daraus macht Günter Stoppe keinen Hehl. Welch großes Glück für Gerolsbach! Denn was dieses "Nordlicht" alles in Gerolsbach bewegt und ins Leben gerufen hat - sei es kulturell als auch im sportlichen Bereich - kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.

Zeit seines Lebens hat Günter Stoppe gesungen. So war er Solist bei der Bordkapelle auf See und Mitglied beim Männerchor in Jever. Ein Jahr nach seiner Ankunft in Gerolsbach gründete Günter Stoppe am 19. September 1969 zusammen mit sangesfreudigen Männern beim "Jakl-Wirt" (heute Gasthaus zur Post) den Männergesangverein Rauhe Gurgl Gerolsbach-Singenbach.

Was hat er in seiner Funktion als Vorsitzender, unterstützt von Franz Fischer und den bis zu 50 Mitsängern, nicht alles auf die Beine gestellt. Die berühmten Faschingsbälle der Rauhen Gurgl waren ein Höhepunkt im Gerolsbacher Jahresablauf. Die Vatertagsausflüge der Rauhen Gurgl wurden bald zur festen Tradition, und es war schön, wenn die rauen Gurgeln singend durch das Dorf zogen. Maiandachten in und um Gerolsbach wurden gestaltet, und viele Auftritte in Krankenhäusern und Altenheimen haben den Menschen Freude bereitet. 1974 fand der erste Volksmusikabend im überfüllten Buchberger Saal statt; viele weitere sollten folgen.

1978 legte Werner Vitzthum sein Amt als Chorleiter der Rauhen Gurgl nieder. Ein Nachfolger war bald gefunden; er hieß - Günter Stoppe. Noch im selben Jahr veranstaltete Günter Stoppe im Breitnersaal mit allen Gerolsbacher Musikgruppen das erste Gerolsbacher Weihnachtssingen. Erst ab 1984 konnte es unter Pfarrer Andrzej Szczepanski in der Kirche St. Andreas stattfinden; seitdem wird es vom evangelischen Posaunenchor Kemmoden eröffnet. So darf das Gerolsbacher Weihnachtssingen, dessen Organisation inzwischen der Kirchenchor übernommen hat, an Weihnachten 2018 sein sage und schreibe 40-jähriges Bestehen feiern! Viele Spendengelder aus diesen Konzerten kommen seither jährlich der Pfarrkirche zugute.

Günter Stoppe hat die Ökumene schon im Jahre 1987 gelebt, als er die Idee eines gemeinsamen Gottesdienstes evangelischer und katholischer Christen hatte. Der Gerolsbacher Pfarrer Szczepanski und die Kemmodener Pastorin Schörner zelebrierten den Gottesdienst. Doch nicht nur im Kirchlichen stand Günter Stoppe der Sinn nach gelebter Einigkeit. Noch im Monat der Deutschen Einheit, im Oktober 1990, kam auf Initiative von Rudi Metzner der Männerchor aus Felchta/Thüringen zum Freundschaftsbesuch zur Rauhen Gurgl nach Gerolsbach; ein Gegenbesuch in Thüringen erfolgte im Jahr 1992. Ein ganz besonderes Erlebnis hat Günter Stoppe mit Alfred Franke vom Partnerchor in Vierkirchen im Jahre 1991 für die Rauhe Gurgl organisiert: Eine dreitägige Versöhnungsfahrt führte in die Tschechoslowakei nach Krnov, früher Jägerndorf. Damals fast eine Pioniertat der Völkerverständigung. Rauhe Gurgl und Frauenchor Gerolsbach umrahmten dort musikalisch einen Versöhnungsgottesdienst von Tschechen, Polen und Deutschen. Alle Sänger und Mitreisenden werden die bewegenden Momente dieser Tage nie vergessen.

Im Februar 1994 übergab Günter Stoppe nach 17 Jahren den Taktstock an Gerhard Koch, der bis heute die Rauhe Gurgl leitet. Dass Stoppe aber als Tenor der Rauhen Gurgl treu geblieben ist, sollte doch erwähnt werden. Im Herbst 1994 gab Stoppe dann nach 25 Jahren auch das Amt des Vorsitzenden ab und wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. 2009 übernahm er das Vorstandsamt erneut für fünf Jahre, weil Not am Mann war.

Allein aus den aufgeführten Höhepunkten aus Stoppes Wirken beim Männergesangverein Rauhe Gurgl kann man erahnen, welch starke treibende Kraft in ihm war, um Großes auf die Beine zu stellen. Er konnte motivieren, begeistern, mitreißen und die Menschen mit seiner herzlichen Art für sich gewinnen. Nur so war es möglich, dass Günter Stoppe noch viel mehr in Gerolsbach bewegen konnte. Denn nicht nur die "Rauhen Gurgeln" machte er geschmeidig. 1978 gründete er den Gerolsbacher Kinderchor, der sich bald die "Gerolsbacher Spatzen" nannte, und in dem bis zu 30 Kinder mitsangen. Es war Stoppes großes Ziel, die Kinder zur Musik zu führen, ihnen Gemeinschaftssinn und das "Aufeinanderhören" beizubringen, was in vielen Lebenslagen angebracht ist. Mit seinen Kindern erzielte er bei Wettbewerben zweimal Preise. Mit ihren Auftritten erfreuten die Gerolsbacher Spatzen Kinder und ältere Menschen in Heimen. Nach zehn Jahren gab Stoppe die Chorleitung an Sylvia Domes weiter, ihr folgte Isabelle Pilz. Aus einigen besonders musikalisch Begabten dieses Kinderchors hat er dann den Gerolsbacher Drei-Gesang mit Stub'n-Musi gebildet, aus dem die Gerolsbacher Deandl wurden, die sich heute Zwoaraloa Musi nennen. Diese Mädels haben "ihren Günter" bis heute nicht vergessen.

1986 rief Günter Stoppe den Frauenchor Gerolsbach, die heutigen "ChoryFeen", ins Leben. Auch mit "seinen" Frauen hat Günter Stoppe als Dirigent viel bewegt. Auftritte in und um Gerolsbach, im Landkreis und beim Gausingen, beim Europatag der Musik in Würzburg 1990 und im Ausland. Ein besonderer Höhepunkt war der Freundschaftsbesuch eines ungarischen Frauenchores 1995, der 1997 erwidert wurde. 2005 übergab Stoppe die Leitung des Chores an Helmut Wicker.

Stoppes musikalische Begeisterung beschränkte sich aber nicht nur auf das Dirigieren der Gerolsbacher Chöre. Über viele Jahre war er seit 2001 mit seinem beeindruckenden Tenor Mitglied bei den berühmten, in russischer und kirchenslawischer Sprache singenden Schanzer Kosaken, deren Auftritt mit Ivan Rebroff ein besonders Erlebnis für ihn war. Mit der Goldenen Sängernadel wurde sein aktives musikalisches Wirken belohnt.

1965 bestand Günter Stoppe in Stuttgart die Jagdprüfung und war seitdem passionierter Jäger, aber nicht nur das. Er hat als Mitglied bei den Schrobenhausener Jagdhornbläsern das Jagdhornblasen erlernt und es da zu besonderen Auszeichnungen gebracht. Auf drei Goldene und eine Silberne Hornfessel kann er stolz sein. Das Angeln dagegen war, wie er erzählt, immer der ruhende Ausgleich in seinem Leben; oft sah man ihn mit seiner Angelrute an den Scheyrer Weihern sitzen. Und ordentlich, wie Günter Stoppe nun einmal ist, gehört er auch als Angler Vereinen an, so seit 1993 "Fischwaid München" und seit 1994 dem Fischereiverein Pfaffenhofen. Dass er seit seiner Ankunft in Gerolsbach Mitglied bei den örtlichen Vereinen ist, braucht fast nicht erwähnt zu werden; Schützenverein "Bavaria", Krieger- und Soldatenverein und FC Gerolsbach. Während seiner Mitgliedschaft bei den "Nassen Brüdern" in den 1970er-Jahren war er maßgeblich am Wohltätigkeits-Fußballspiel zugunsten des Kindergartenneubaus beteiligt.

Sein ganzes Leben war Günter Stoppe ein engagierter Sportler. Mit 75 Jahren erwarb er 2000 das Bayerische Sportabzeichen in Gold und mit 80 Jahren zum fünften Mal das Deutsche Sportabzeichen in Gold. Im selben Jahr wurde ihm durch Sigi Schmucker vom SSV Schrobenhausen die Ehrennadel verliehen.

Aber Günter Stoppe dachte auch beim Sport nicht nur an sich. So kam Günter 1975 die Idee, den Menschen in Gerolsbach sollte es doch wie den Stadtmenschen möglich sein, Skifahren zu können. Er selbst war in seiner Heimat, dem Riesengebirge, schon auf Fassdauben Ski gefahren. Gedacht - getan! So gründete er die Skigemeinschaft Gerolsbach. Im Busunternehmer Josef Schenk sen. fand er einen mutigen Mitstreiter für diese Idee. Anfangs waren es gerade mal 25 Leute. Stoppe organisierte Info-Veranstaltungen und Vorträge und so machten sich bald bis zu vier volle Busse mit Kindern und Erwachsenen aus fünf Landkreisen zu Skikursen auf den Weg in die Berge. Stoppe selbst hatte "natürlich" den Skilehrerschein, gab selbst Skikurse, schulte aber bald sechs seiner Skifahrer zu Skilehrern. Er wusste aber auch, wie wichtig eine entsprechende körperliche Vorbereitung war. Also bot er Skigymnastik als Saisonvorbereitung an, die er 15 Jahre lang leitete. Carolas Pferdestall wurde dafür bald zu klein. Der Breitnersaal, dann die Scheyrer Turnhalle boten sich als Ausweichmöglichkeiten an; denn im Ort gab es keine Turnhalle.

Im Sommer organisierte er und gab selbst Schwimmkurse, unternahm Radtouren und leitete Bergwanderungen, damit alle ja fit bleiben. Viele erinnern sich auch an die geselligen Kaminabende beim Breitner. Alle Altersklassen konnte er motivieren. Kleine Kinder, Teenager, aber auch nicht mehr ganz junge Gerolsbacher - sie alle erlernten dank Stoppes Idee das Skifahren, aber auch die Freude an Sport und Bewegung. Zum fünfjährigen Bestehen der Skigemeinschaft setzte Günter Stoppe einen besonderen Akzent: Unter Mitwirkung des Kirchenchores und der Rauhen Gurgl fand ein Skifahrergottesdienst in Ruhpolding statt und stärkte damit den Gemeinschaftsgeist der Gerolsbacher. 1992 fand er in Gerti Schwertfirm eine Nachfolgerin, die die Skigemeinschaft übernahm und unter dem Dach des FC Gerolsbach weiter ausbaute. Am 7. Dezember 2011 wurde ihm auf Anregung der Gemeinde das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für ehrenamtliche Tätigkeit überreicht.

Man kann nur staunen über die körperliche und geistige Vitalität des heute 92-Jährigen. Zu seinem 80. Geburtstag hat er seinen ersten Computer bekommen; seitdem skypt, surft und kommuniziert er mit der Welt. "Immer dranbleiben, nicht aufgeben" ist sein Motto. Diese Einstellung hat ihm sicher auch geholfen, den schweren Verlust "seiner Emma", seiner jahrzehntelangen lieben Lebensgefährtin, die seine vielfältigen Aktivitäten und zeitintensiven Interessen immer unterstützt hat, zu verarbeiten.

Vieles, was heute wie selbstverständlich zum Leben in Gerolsbach gehört, geht auf Günter Stoppe zurück; manche mögen das schon vergessen haben, manche haben es vielleicht nie erfahren. Wie viel Wissen, Mut, Kraft, Können, Zeit, Durchhaltevermögen, Geduld, aber auch wie viel persönliche Disziplin hinter all diesen Werken stecken, kann man nur erahnen.

Es ist wohl "das zweite Leben" des Günter Stoppe, das das Schöne und die Freude im Dasein sah und sieht, das auch andere begeistern und mitreißen wollte. Viele Details machen das große Ganze aus. Egal, ob Ehrungen, Teilnahme an Wettbewerben, Jubiläen, Gemeinsamkeiten wie einheitliche Vereinskleidung - dies alles regte an, gab Zusammenhalt und konnte die Gerolsbacher begeistern. Mit seiner offenen Art und Begeisterungsfähigkeit vermochte er, andere in seine Ideen einzubinden und zur Mitarbeit zu motivieren. So fand er auch rechtzeitig - auch das ist eine Kunst - immer würdige Nachfolger, die seine Werke bis heute weiterführen.

Wie sagte Günter Stoppe erst kürzlich: "Ich freue mich, dass es mir vergönnt war, das alles in Gerolsbach leisten und erleben zu dürfen." Ohne seine Ideen, ohne sein Wirken wäre Gerolsbach um vieles, was ihn heute ausmacht und auszeichnet, ärmer.