Wolnzach
Ein Leben für die Kinder

Brigitte Wiedey hat jetzt ihren Abschied vom Kindergarten St. Raphael genommen – nach 46 Jahren

03.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Den kleinen Pool – gibt es schon lange nicht mehr, viel Spaß hatte dort Brigitte Wiedey (hinten) mit ihren Kindern. 46 Jahre war sie Kindergärtnerin, nun ist sie im Ruhestand - Foto: privat

Wolnzach (WZ) Wo Brigitte Wiedey ist, da sind Kinder. Die Arbeit im Kindergarten war ihr Leben, 46 Jahre lang – und obwohl sie seit Juni im Ruhestand ist, hat sich daran nichts geändert: „Griaß di, Brigitte“, rufen ihr überall ihre Schützlinge zu, von denen viele heute schon ziemlich groß geworden sind.

Brigitte Wiedey lächelt, wenn sie erzählt. Und manchmal lacht sie laut los. Dann sind sie wieder ganz wach, die Geschichten, die sie mit ihren Kindern erlebt hat. Mit denen, die in den 1960er Jahren barfuß und mit der typischen kleinen Ledertasche um den Hals zu Fuß hinauf in den Kindergarten St. Raphael an der Rosenstraße getrappelt sind, um entweder von ihr oder von Leiterin Schwester Simonetta behütet zu werden.

Oder mit denen, die die nicht immer einfache Zeit des Abbruchs des alten Kindergartens und des 1991 eröffneten Neubaus mitgemacht haben, „wo aber auch alles irgendwie immer gegangen ist“; und einfach mit allen, die sie so viele Jahre lang auf dem Weg hin zum Schulkind begleitet hat.

Es ist immer alles gegangen. Auch dank der Frau, die sich mit schier unerschütterlicher Ruhe, ganz viel Liebe und hohem Respekt vor den Kindern 46 Jahre lang der Kindererziehung verschrieben hat. „Wo Kinder waren, da war ich auch“, sinniert die heute 63-Jährige beim Durchblättern ihres alten Fotoalbums. Die Schwarzweiß-Bilder mit dem geriffelten Rand zeigen ein kleines Mädchen mit noch kleineren Kindern im Arm, auf dem Schoß.

Dass sie etwas mit Kindern machen möchte, das war für sie nie eine Frage. Deshalb ist sie als 15-Jährige auch nach München gegangen, hat in einem Kinderheim gearbeitet, hat Kinderpflegerin gelernt. So ist sie in den Kindergarten St. Raphael nach Wolnzach gekommen, wo sie von der damaligen Leiterin Schwester Simonetta mit offenen Armen aufgenommen wurde, von den Kindern ebenso. Neben ihrer Arbeit im Kindergarten – „damals waren wir alleine mit einer Gruppe“ – machte sie die Ausbildung zur Erzieherin, schlug die Laufbahn ein, die irgendwo immer schon ihre Bestimmung war.

Ob es einen Unterschied gibt zwischen den Kindern damals und heute? „Nein“, kommt es überzeugt. „Die Entwicklung der Kinder ist heute genauso wie damals, auch wenn heute immer mehr verlangt wird.“ Jede Pflanze brauche Wasser, jedes Kind Aufmerksamkeit, Zuwendung und Respekt: „Die Kinder sehen so viel, entdecken die Welt auf ihre Art.“ Das nicht zu unterdrücken, sondern zu fördern, darum gehe es. Einen Aphorismus von Johann Wolfgang von Goethe hat Brigitte Wiedey verinnerlicht: „Denn wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen; so wie Gott sie uns gab, so muss man sie haben und lieben. Sie erziehen auf’s Beste und Jeglichen lassen gewähren. Denn der Eine hat die, der Andere andere Gaben; jeder braucht sie und jeder ist doch nur auf eigene Weise gut und glücklich.“

Freilich oft keine leichte Aufgabe, gerade jetzt, wo es immer neue Bestimmungen gibt. Der kleine Pool, der in den 1960er Jahren das Spaßbecken für die Raphaelkinder war, so etwas wäre heute undenkbar. „Wir haben ihn jeden Tag mit frischem Wasser befüllt, das ging alles wunderbar“, erinnert sich Brigitte gerne an diese Zeit. Mit dem Neubau musste der Pool weg, zu viele Sicherheitsauflagen, zu viel Bürokratie. „Das wäre heute nicht mehr zu machen gewesen.“

Langweilig war der Alltag im Kindergarten trotzdem nie. Lehrerin, Freundin, Zuhörerin, Beraterin, manchmal auch Krankenschwester und Mamaersatz – dass sie das alles auf einmal für ihre Kinder war, das hat Brigitte Wiedey sogar ganz offiziell bestätigt: Eines ihrer Kinder hat ihr ein Zeugnis ausgestellt, ein hervorragendes. „Das rahme ich mir ein“, ist Brigitte über dieses Geschenk zum Abschied ganz gerührt.

Überhaupt nimmt sie viel mit aus ihrer Kindergartenzeit, von den Kindern sowieso – auch wenn sehr viele ihrer Schützlinge heute längst erwachsen sind. „Ich bin für alle die Brigitte – und das soll bleiben.“ Für alle – damit meint sie auch ihre ehemaligen Chefinnen und Kolleginnen, die Eltern und Familienangehörigen und alle, die immer alles gegeben haben, wenn die Brigitte mit ihrer Kinderschar im Markt aufgetaucht ist.

Als Pensionistin hat sie heute vor allem eines: mehr Zeit. „Zum Lesen, Nachdenken, zum Zuhören“, sagt sie. Der Kindergarten lässt sie dabei trotzdem nicht los, immer wieder schaut sie gerne vorbei. Von ihrer Wohnung aus hat sie es nicht besonders weit.

Lebendig wird ihre Kindergartenzeit auch ganz oft bei zufälligen Begegnungen auf der Straße, wenn ehemalige Schützlinge laut nach ihr rufen. Dann freut sich Brigitte – und kann die Kinder von damals auch immer richtig zuordnen. „Auch, wenn ich dann manchen Vornamen vielleicht nicht sofort weiß.“