Alexander
Ein Leben für den Pferdefuß

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Foto: DK

Alexander Werner ist Hufschmied aus Leidenschaft. In England hat er das diffizile Handwerk von der Pike auf gelernt und sich in den USA fortgebildet. Heute steht seine Werkstatt in Wolnzach.

€ƒWolnzach (WZ) Bruno ist ein Kaltblüter, genauer gesagt, ein Percheron. Normalerweise lebt der stattliche Hengst mit der Wallemähne in Seibersdorf. Heute aber steht er in dieser Werkstatt in Wolnzach. Und wartet. "Jetzt kriegt er neue Schuhe", sagen seine Besitzer Leyla Rassy und Michael Schmalz. Extra sind sie nach Wolnzach gefahren - "und das sehr gerne", betonen sie. Denn ihr Bruno ist mit seinen 20 Jahren ein anspruchsvoller Senior, hat - wie viele Menschen auch - eine leichte Zehenfehlstellung. Ein falsches Eisen, eines, das nicht richtig sitzt oder nachlässig angepasst ist, könnte schmerzvolle Folgen für das Tier haben. Und damit auch für seine Besitzer.

Alex Werner hat schon auf Bruno gewartet. Routiniert nimmt er seinen Fuß, prüft den Huf, feilt, schleift und misst, während der Hengst ihn gelassen gewähren lässt. Gut, dass Werner nicht nur Hufschmied, sondern auch leidenschaftlicher Pferdefreund und -kenner ist. Mit Pferden ist er aufgewachsen, weiß, mit ihnen umzugehen. Ergebnis der Erstuntersuchung: "Bruno lebt auf großem Fuß", sagt er. Gleich weiß er, dass er trotz der stattlichen Zahl an Hufeisen in seinen Regalen keines finden wird, das er mit Hammer und Amboss so hinbekommen wird, dass es passt. Da hilft alles Können nichts; zumindest nicht, was seine Ansprüche betrifft. Denn die sind sehr hoch, erlauben keine Kompromisse. Also fällt der Wolnzacher Hufschmied seine Entscheidung: "Da müssen wir ein Eisen schmieden."

Schnell zwei Vierkanteisen bringen lassen von der Schlosserei in direkter Nachbarschaft - Bruno bekommt nur Vorderschuhe - messen, die Eisen im Ofen erhitzen und dann mit viel Technik, Muskelkraft und Präzision schmieden. Immer wieder ertönen die Hammerschläge, immer wieder neu müssen die Eisen bis zum Glühen im Ofen erhitzt werden, damit sie sich formen lassen.

Auch die Pferdebesitzer sind fasziniert: "So etwas sieht man nicht mehr oft", staunt Michael Schmalz über die Demonstration an Handwerkskunst, die er hier mit eigenen Augen erlebt. Stück für Stück schlägt der Hufschmied die Eisen in Form, misst immer wieder nach, staucht sie in der Mitte, damit er später noch genug Material hat, um die sogenannte Zehenkappe herauszuschlagen. Erst nach gut einer Stunde ist er zufrieden: Die Eisen sind genau so, wie er möchte - Bruno passen sie perfekt, er und seine Besitzer sind rundum glücklich.

Glücklich ist auch Alex Werner selbst, wischt sich schnell die Schweißtropfen von der Stirn. "Nein, da braucht es kein Fitnessstudio", lächelt er. Das war ein hartes Stück Arbeit, aber eben genau das, was er machen möchte: "Das ist meine Leidenschaft", sagt er. Deshalb wollte er dieses Handwerk erlernen. Von der Pike auf. Aber: Hufschmied ist in Deutschland kein Lehrberuf, vielmehr erlernen Berufsaspiranten in der Regel einen Metallberuf und bilden sich dann weiter. Das war Alex Werner aber zu wenig, weil: zu viel Metall und zu wenig Pferd.

Aber er hatte eine Alternative, die in seiner Familie gründet: Alex Werner ist dank seiner aus England stammenden Mutter zweisprachig aufgewachsen - und wusste, dass das Hufschmiedehandwerk in ihrer Heimat einen ganz anderen Stellenwert hat. Und was für einen: "In England gab es zu meiner Zeit 350 Ausbilder, 200 davon habe ich angeschrieben - und nur vier Antworten bekommen." Ein Betrieb akzeptierte den englischen Deutschen aus Bayern schließlich und ebnete ihm so den Weg zur Erfüllung seines Lebenstraumes.

Viereinhalb Jahre ging Alex bei ihm in Newmarket in die Lehre, sog alles in sich auf. Sein Wissen vor allem über die Orthopädie des Pferdes baute er 2006 noch aus, als er für 18 Monate an einer Pferdeklinik um US-amerikanischen Kentucky arbeitete. "Das war eine super Zeit", denkt der heute 36-Jährige gerne daran. Viele Kontakte habe er damals geknüpft, der Austausch mit den Kollegen lebt. Bis nach Japan und Neuseeland, übrigens.

"Das ist schon irgendwie eine eigene Welt, aber eine sehr kleine", sinniert Werner, den es irgendwann trotz aller internationalen Freunde doch wieder an den Ort zurückzog, wo er aufgewachsen ist, wo seine Familie lebt: nach Wolnzach. Anfangs betreute er seine immer mehr werdenden Kunden vor Ort, fuhr fast 70 000 Kilometer im Jahr von Stall zu Stall. Aber sein Perfektionsanspruch stand dem irgendwann entgegen: "Wer zu mir will, muss in meine Werkstatt kommen", sagt er heute. 2012 hat er sie im Gewerbegebiet Schlagenhauser Mühle eröffnet, hier kann er so arbeiten, wie er sich das vorstellt.

Für die Zukunft möchte er seine Hufschmiede ausbauen, Boxen sollen errichtet werden, wo Pferde eingestellt werden können. Hand in Hand geht er nämlich nicht nur durch das Leben mit Hanna Brauner, sondern auch im Beruf. Seine Freundin ist Tierärztin, mit ihr möchte er das tun, was sein Leben ist: Dafür sorgen, dass Pferde gut zu Fuß sind.