Altmannstein
Ein Kind des Ersten Weltkriegs

Horst Platz feiert am Mittwoch seinen 102. Geburtstag - Er ist der älteste Altmannsteiner

21.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:27 Uhr
Der gebürtige Berliner Horst Platz feiert am Mittwoch seinen 102. Geburtstag. −Foto: Foto: Ammer

Altmannstein (DK) Wir schreiben das Jahr 1916. Deutschland befindet sich mitten im blutigen Stellungskrieg um die Festung Verdun in Frankreich. Etwa 700000 Menschen verlieren bei dem Gemetzel ihr Leben. Der Erste Weltkrieg tobt an vielen Schauplätzen, in den kriegsführenden Ländern hungern die Menschen. Mitten in dieses Elend hinein wird Horst Platz geboren. Am Mittwoch feiert er in Altmannstein seinen 102. Geburtstag.

"Ich bin ein Kriegskind des Ersten Weltkriegs", ist das erste, was Horst Platz aus seinem Leben erzählt. Er sitzt auf einer Bank vor dem Altmannsteiner Seniorenheim im Schatten mit Blick ins Grüne. Immer wieder winkt er Vorbeigehenden zu, grüßt mit einem schelmischen Spruch auf den Lippen.

Am 22. August 1916 wird er in Berlin geboren. Es ist eine Hausgeburt, Kreißsäle habe es damals noch nicht gegeben. Der erste Winter, den der kleine Horst Platz erlebt, geht als sogenannter Steckrübenwinter in die Geschichte ein. Auch Hungerwinter wird er genannt. Noch zwei Jahre, bis zum 11. November 1918 dauert es, bis der Krieg schließlich endet.

Sein Vater sei Straßenbahnen gefahren, erzählt Horst Platz, er selbst geht bei einem Bäcker in Berlin in die Lehre. Doch die kleine Bäckerei in der Bornholmer Straße muss schließlich schließen. "Damals entwickelte sich schon die Großgeschäftsidee, den Chefs ging es nur um Pinkepinke", er reibt Daumen und Zeigefinger aneinander. Kein Mensch habe mehr Interesse an der kleinen Bäckerei gehabt.

So lässt der junge Mann das Brotbacken hinter sich und geht zur Marine. "Dort habe ich ein Schlachtschiff mit in Dienst gestellt", erinnert sich der Jubilar. Es handelt sich um die Geneisenau, ein Schlachtschiff der Kriegsmarine des Deutschen Reiches. Horst Platz ist gerade 20 Jahre alt beim Stapellauf in Kiel. Zwischen 1669 und 1840 Mann Besatzung sind an Bord des Schlachtschiffes. Der Zweite Weltkrieg steht kurz bevor. Im September 1939 erhält Hans Langsdorff, Kommandant der Admiral Graf Spee, Befehl zur Aufnahme seines Kaperkrieges gegen britische Handelsschiffe im Südatlantik. Mit an Bord im Kaperkrieg ist auch der junge Horst Platz. "Wir sind im stillen Ozean getrieben und haben gelauscht", erzählt er. Das Ziel: britische Handelsschiffe. "Denen sollten wir in die Quere laufen." Das Personal hätten sie auf ihrem Schiff gefangen genommen. "Die britischen Dampfer haben wir mit außen angebrachten Sprengsätzen versenkt, damit die Engländer keine schwimmenden Untersätze mehr hatten."

Mit dem Ende des Krieges besteht auch die Marine nicht mehr. "1945 habe ich mich gefragt: Was machst du nun?" Horst Platz lächelt und fügt hinzu: "Die Kullerchens müssen schließlich verdient werden." Wieder macht er das Zeichen für Geld mit den Fingern. Er kehrt zurück nach Berlin und wird Polizist. Im damaligen Verwaltungsbezirk 14 in Neukölln, in dem übrigens auch die berühmte Sonnenallee liegt, arbeitet er als Beamter und macht auch den Führerschein. Sein Gebiet ist Teil des amerikanischen Sektors, zieht sich jedoch entlang der Grenze zur russischen Zone, also ab Mitte 1961 entlang der Berliner Mauer. Dass er schließlich, mit 60 Jahren, Berlin den Rücken kehrt und sich ein Grundstück auf dem Land kauft, hängt auch mit der Teilung Berlins zusammen. "Es war so beschwerlich, aus Westberlin rauszufahren", nennt Horst Platz als einen Grund, warum er schließlich in eine ganz andere Gegend Deutschlands zieht und sich in Hexenagger niederlässt.

Dort, in der Waldsiedlung lebt er viele Jahre zusammen mit seiner Frau und genießt seinen Ruhestand. "Ich habe mich dort pudelwohl gefühlt", denkt er gerne an diese Zeit zurück. Dann stirbt seine Frau an Krebs und Horst Platz bleibt alleine zurück. Eine Nachbarin rät ihm dazu, ins Altmannsteiner Seniorenheim zu ziehen, doch es dauert noch einige Zeit, bis er sich schließlich mit 101 Jahren, vor knapp einem Jahr, schließlich für den Verkauf des Hauses und den Umzug entscheidet. Schließlich sei es in Hexenagger wunderschön gewesen.

Doch die Entscheidung stellt sich für ihn als richtig heraus, Horst Platz bereut sie heute nicht: "Es ist herrlich hier, wirklich schön", sagt er über sein neues Zuhause. "Das Essen und Trinken schmeckt und ich fühle mich pudelwohl", freut sich der Jubilar. "Ich werde verpflegt und umsorgt." Seinen 102. Geburtstag feiert der gebürtige Berliner im Garten des Seniorenheims, "die Nachbarin backt einen Kuchen", freut er sich. Er ist übrigens der älteste Altmannsteiner Bürger, wie das Einwohnermeldeamt der Gemeinde bestätigt.

Isabel Ammer