Berlin
Ein Hilferuf

Bundesweiter Aktionstag: Bauern fordern bessere Preise für ihre Erzeugnisse

23.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:03 Uhr

Berlin (DK) Der Tisch vor dem Brandenburger Tor ist festlich geschmückt. Ein Glas Milch steht bereit, dazu Brötchen, Croissants, Käse, Schinken, Marmelade und natürlich bunte Ostereier - lecker. Der Deutsche Bauerverband will mit der Aktion Bewusstsein schaffen.

Denn wenn die Deutschen Lebensmittel einkaufen, dürften wohl nur die wenigsten wissen, wie viel von ihrem Geld tatsächlich bei den Landwirten ankommt.

Bauernpräsident Joachim Rukwied hat es ausrechnen lassen. Von einem reichhaltigen Frühstück mit zwei Brötchen, einem Croissant, 25 Gramm Butter, einem Ei, etwas Marmelade, Wurst, Käse, Schinken, Müsli, Milch und Beeren kommen beim Landwirt gerade einmal ein Euro und sieben Cent an. Deshalb hat Rukwied "seine" Bauern mobilisiert - am Mittwoch machten sie mit einem bundesweiten Aktionstag Front gegen Niedrigpreise für Lebensmittel.

Durch Leipzig fährt ein Traktor-Korso, in Mainz verschenken Bauern Milch, Eier und Äpfel an Passanten, in Berlin wird vor dem Brandenburger Tor gefrühstückt - Aktionen wie ein Hilferuf gegen sinkende Erzeugerpreise. "Derzeit kommt beim Bauern immer weniger an, sodass zahlreiche Betriebe um ihre Existenz bangen müssen", schlägt Rukwied Alarm. Der Preisverfall nehme weiter zu. 1,30 Euro für das Kilogramm Schweinefleisch oder 25 Cent für den Liter Milch - das sei für die meisten Betriebe zu wenig, um zu überleben.

Wenn er Bauern frage, wie lange sie noch durchhalten könnten angesichts der Preisentwicklung, höre er oft die Antwort: "Ein halbes Jahr, vielleicht ein Jahr, dann ist Schluss." Tatsächlich verschärft sich nach Angaben des Bauernverbandes das Höfesterben. Zuletzt hätten im Schnitt zwei bis drei Prozent pro Jahr aufgegeben. Wenn sich bei den Preisen nichts ändere, würden es künftig bis zu fünf Prozent sein. In Baden-Württemberg hätten zuletzt 35 Prozent der Ferkelbetriebe aufgegeben, berichtet Rukwied. Die Gründe für den Preisrückgang sieht der Verband in einem ganzen Bündel von Faktoren - vom russischen Importstopp für Lebensmittel über die Marktmacht der Discounter bis zu eher hausgemachten Problemen etwa in der Ausrichtung von Genossenschaften und Molkereien. Von der Politik fordern die Landwirte in erster Linie Liquiditätshilfen und ein Bürgschaftsprogramm.

Von der Bundesregierung gab es gestern grundsätzlich Rückendeckung für die Landwirte, aber keine neuen Zusagen. "Das Anliegen der Bauern ist berechtigt. Unsere qualitativ hochwertigen Lebensmittel dürfen nicht zu Billigpreisen verschleudert werden", erklärte Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). "Der ruinöse Preiskampf mit Grundnahrungsmitteln muss ein Ende haben. Wir brauchen einen Qualitätswettbewerb und keinen Preiswettbewerb an der Ladentheke." Das Preisrisiko dürfe nicht länger allein auf den Schultern der Landwirte liegen, sondern müsse unter den Beteiligten der Wertschöpfungskette fair verteilt werden. "Die hohe Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel und die Einkaufsmacht weniger Konzerne verschärft die Situation für die Landwirtschaft zusätzlich", so Schmidt. "Die Landwirtschaft wird beim Klimaschutz und beim Tierwohl nur dann ihren Beitrag leisten können, wenn sie ökonomisch in Deutschland noch möglich ist."