Ein Held seiner Zeit

26.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:54 Uhr

Rennfahrer dieser Epoche waren wahre Helden - was der Blick auf Schutzkleidung oder Rennwagen verdeutlicht. Unten Bernd Rosemeyer bei Rekordfahrten 1937. Oben rechts auf der Avus. Oben links im Gespräch mit einem Teammitglied. - Fotos: Audi Tradition

Er wurde nur 28 Jahre alt. Am 28. Januar 1938 starb der Auto-Union-Werksfahrer Bernd Rosemeyer bei einem Weltrekordversuch. Auf der Autobahn bei Mörfelden-Walldorf überschlug er sich mit seinem Rennwagen und war sofort tot.

Bernd Rosemeyer, am 14. Oktober 1909 in Lingen/Ems geboren, galt als Genie im Rennwagen-Cockpit, war das Motorsportidol seiner Zeit. Ab 1930 fuhr er Motorradrennen für DKW und NSU, startete 1934 das erste Mal in einem Rennwagen und wurde bereits ein Jahr später Auto-Union-Werksfahrer für die Zwickauer Horch-Werke. Im Mai 1935 feierte er auf der Berliner Avus sein Renndebüt, im September gewann Rosemeyer sein erstes Rennen, den Großen Preis der Tschechoslowakei in Brünn.

1936 startete der damals 26-Jährige durch: Auf dem Auto Union Typ C mit dem 16-Zylindermotor gewann er drei von drei möglichen Titeln: Er wurde Europameister, Deutscher Straßenmeister und Deutscher Bergmeister, feierte Siege bei den Grand Prix in Deutschland, der Schweiz und in Italien, gewann das Eifelrennen, die Coppa Acerbo in Pescara und die Bergrennen Schauinsland und Feldberg. Nun war Rosemeyer ein Superstar.

1937 lief es nicht mehr ganz so rund wie im Jahr zuvor: "Gegen die Mercedes-Spitzenfahrer wie Caracciola, Lang oder von Brauchitsch vermochte er sich nicht mehr in gleichem Maße durchzusetzen", formuliert es heute Audi Tradition. Dennoch triumphierte Rosemeyer beim Eifelrennen, bei der Coppa Acerbo, beim Vanderbilt Cup und beim Großen Preis von Donington. Nach der Rennsaison, im Oktober 1937, erzielte Rosemeyer dann bei Rekordfahrten auf der Autobahn Frankfurt-Darmstadt mehrere Weltrekorde. Er übertraf damals als erster Mensch die 400-km/h-Grenze auf einer normalen Straße. Man bedenke, wie Autobahnen in dieser Zeit im Vergleich zu den heutigen aussahen. Für die tragisch endenden Rekordfahrten im Januar 1938 brachte die Auto Union einen überarbeiteten Stromlinien-Rekordwagen mit 16-Zylindermotor (6,5 Liter Hubraum, 545 PS Leistung) an den Start. Die theoretische Höchstgeschwindigkeit lag nach den Angaben von Audi Tradition bei auch heute noch sagenhaften 456 km/h.

Am selben Tag, auf derselben Strecke und zur selben Zeit war auch Mercedes-Fahrer Rudolf Caracciola auf der Jagd nach der Bestmarke. Mit 432,7 km/h hatte er Rosemeyer den Rekord schon abgejagt (er wurde erst im November 2017 mit 445,54 km/h von einem Koenigsegg Agera RS überboten). Ehe der Auto-Union-Werkspilot losfuhr, warnte ihn Caracciola noch vor dem Seitenwind auf der Strecke. Doch der Ehrgeiz des Rennfahrers war wohl zu groß. Aufgeben wollte er nicht. Während des Rekordversuches wurde der Stromlinien-Rennwagen von Rosemeyer bei einer Geschwindigkeit von knapp 440 km/h von einer Windböe erfasst. Der Wagen geriet von der Fahrbahn und überschlug sich mehrfach, Rosemeyer wurde aus dem Wagen geschleudert und war auf der Stelle tot. Die Auto Union AG Chemnitz beteiligte sich danach nie wieder an Rekordfahrten. In seinem Buch "Bernd Rosemeyer. Die Schicksalsfahrt" schreibt Autor Peter Kirchberg, Historiker von Audi Tradition, die letzten Worte von Rosemeyer seien die an seinen Mechaniker Wilhelm Sebastian gewesen: "Du kannst versichert sein, ich merke es alleine, wenn es nicht geht. Ich will nur noch mal rantasten."

Bernd Rosemeyer hinterließ seine Frau Elly Beinhorn (er hatte die berühmte Fliegerin 1936 geheiratet, sie starb im Jahr 2007) und seinen Sohn Bernd, der zehn Monate alt war, als sein Vater starb. Er wurde später ein bekannter und erfolgreicher Sportarzt. In einem Interview mit dem Magazin Focus hat Bernd Rosemeyer jun. vor ein paar Jahren über seine Eltern als außergewöhnliches Traumpaar gesagt: "In jedem Fall war es eine ungewöhnliche Geschichte: Meine Mutter war eher der Einzelgänger-Typ, anders als mein Vater. Er hat sofort gesehen, dass sie die Frau ist, die er haben will. Kann man auch verstehen, denn sie war ein guter Typ, einerseits sehr schick, andererseits im verschmierten Overall. Dass sie sich letzten Endes auch tatsächlich von ihm hat erobern lassen, spricht dafür, dass auch er etwas Besonderes war. Er war immerhin zwei Jahre jünger als sie, was damals schwierig war."

Bernd Rosemeyer wird die Nähe zum Nationalsozialismus nachgesagt - vor der Hochzeit mit Beinhorn ist er ohne Zwang schon 1933 der SS beigetreten. Rosemeyer trat auch als einziger deutscher Rennfahrer dieser Zeit bei Siegerehrungen mit Hakenkreuzinsignien auf. Der junge Rosemeyer stellt sich der Nazi-Propaganda zu Verfügung - "aus Karrieregründen", wie es später durchaus nachvollziehbar heißt. Denn er soll auch nach der Machtergreifung von Adolf Hitler zu jüdischen Freun-den aus seiner Jugend Kontakt gehalten haben. Rosemeyer - ein Held seiner Zeit. Die Nachricht seines Unfalls löste damals in der Öffentlichkeit einen Schock aus, er wurde durch seinen tragischen Tod zum Mythos. Ein Gedenkstein an der Autobahn A 5 erinnert an die Tragödie vor 80 Jahren. ‹ŒDK